Die Sache köchelt und köchelt: Bekommt Berlin nun eine Straße, die nach Ronald Reagan benannt ist, oder nicht? Den neuesten Stand dieser wahrlich bizarren Diskussion kann man seit gestern Abend in "Spiegel-Online" lesen. Nicht etwa ein Berliner setzt sich für Ronald Reagan als Namensgeber ein, sondern ausgerechnet der Bayer Karl-Theodor zu Guttenberg.
Berlin benimmt sich schäbig; aber was soll man von einer Stadt anderes erwarten, in der die Kommunisten ja nicht nur im Senat sitzen, sondern auch in zahlreichen Bezirken massiv vertreten sind? In Lichtenberg und in Marzahn-Hellersdorf stellen sie sogar den Bezirksbürgermeister; in anderen Bezirken (zum Beispiel Treptow-Köpenick und Pankow) sind sie fast so stark wie die SPD.
Da wird man Ronald Reagan nicht ehren wollen, den man, als er Präsident war, als "Kalten Krieger" verunglimpft hatte. Aber auch in den westlichen Bezirken besteht dazu offenbar eine geringe Neigung; selbst im einst bürgerlichen Charlottenburg-Wilmersdorf. Einem Bezirk, in dem freilich die beiden bürgerlichen Parteien auch nur noch 20 von 55 Bezirksverordneten stellen.
Dort soll nun versucht werden, eventuell doch noch einen Platz nach Ronald Reagan zu benennen. Allerdings, so erfahren wir es in "Spiegel-Online", gibt es dort den putzigen Beschluß, Straßen und Plätze bei Um- oder Neubenennungen nur noch nach Frauen zu benennen.
Wie wäre es dann mit einer Nancy-Reagan-Straße? Oder man benennt eine Straße nach Margaret Thatcher, stellvertretend für ihren amerikanischen Freund?
Wenn's denn so lustig wäre. Aber die Sache ist ja ernst. Mit Straßennamen bezieht eine Stadt auch politisch Position. In Paris ist ein zentraler Platz, der frühere Étoile, nach Charles de Gaulle benannt. Aber keine Straße, kein Platz erinnert an den Marschal Pétain; wie auch anders.
In Berlin aber gibt es eine Karl-Marx-Straße, eine Friedrich-Engels-Straße, eine Rosa-Luxemburg-Straße, eine Karl-Liebknecht-Straße; die gesamte kommunistische Prominenz ist vertreten. Und Rudi Dutschke.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Streit um die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße; Sie können das in der Wikipedia nachlesen. Er endete damit, daß am 30. April 2008 ein Straßenschild "Rudi-Dutschke-Straße" feierlich enthüllt wurde.
Angeregt hatte die Umbenennung die taz. Wußte man, wen man da ehrte? Ich bezweifle es. Über kaum eine Gestalt der deutschen Nachkriegsgeschichte hat sich ein solcher Mythos gelegt wie über Rudi Dutschke.
Ein Idealist. Ein Linker zwar, aber der Gewalt abhold. Einer, der mit dem Kommunismus nichts im Sinn hatte, sondern der eine freie Gesellschaft wollte. Einer, der Fragen stellte, statt Antworten zu geben. Ein Weltverbesserer mit einem tragischen Schicksal. Und so fort - sitzt vielleicht auch in Ihrem Kopf dieses Dutschke-Bild?
Dann möchte ich Sie einladen, zu lesen, was ich zu Dutschke vor zwei Jahren geschrieben habe: "So macht Kommunismus Spaß" (7): Dutschke und Genossen als Revolutionäre. Räteherrschaft in Westberlin. "Dieser revolutionäre Kampf ist furchtbar"; ZR vom 28. 2. 2009. Links zu allen Folgen der Serie, die sich mit Ulrike Meinhof, der RAF und überhaupt mit linker Gewalt befaßte, finden Sie hier.
Sie können dort lesen, wie Rudi Dutschke die "kämpferische Auseinandersetzung mit der staatlichen Exekutive" forderte, wie er für "Widerstand" und "illegale Arbeit" eintrat; wie er einen detaillierten Plan für die Revolution entwarf: Die staatlichen Institutionen sollten einer "kontinuierlich gesteigerten Belastung ausgesetzt" und "tief erschüttert" werden.
Wie? "Gegengewalt demonstrieren und praktizieren (Schutztruppe - Karateausbildung - bei Knüppeleinsatz - Molotowcocktails)". Einen "Machtergreifungsplan" nannte das Dutschke in seinem Tagebuch. Und er schrieb 1967 in einem Brief:
Daß aus der Revolution nichts wurde, als deren Ergebnis zunächst eine Räterepublik in Westberlin entstehen sollte, lag nicht an Rudi Dutschke. Die Revolutionäre scheiterten damals, weil es in Deutschland keine revolutionäre Situation gab. Sie waren dem Irrtum erlegen, die Aufgeregtheiten unter Westberliner Studenten für die Vorboten einer allgemeinen Revolutionsbereitschaft in Deutschland zu halten.
Ihr Scheitern verklärte sie. Und der demokratische Rechtsstaat, den sie vernichten wollten, brachte es in Gestalt der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg fertig, eine Straße nach dem gescheiterten Revolutionär Rudi Dutschke zu benennen.
Berlin benimmt sich schäbig; aber was soll man von einer Stadt anderes erwarten, in der die Kommunisten ja nicht nur im Senat sitzen, sondern auch in zahlreichen Bezirken massiv vertreten sind? In Lichtenberg und in Marzahn-Hellersdorf stellen sie sogar den Bezirksbürgermeister; in anderen Bezirken (zum Beispiel Treptow-Köpenick und Pankow) sind sie fast so stark wie die SPD.
Da wird man Ronald Reagan nicht ehren wollen, den man, als er Präsident war, als "Kalten Krieger" verunglimpft hatte. Aber auch in den westlichen Bezirken besteht dazu offenbar eine geringe Neigung; selbst im einst bürgerlichen Charlottenburg-Wilmersdorf. Einem Bezirk, in dem freilich die beiden bürgerlichen Parteien auch nur noch 20 von 55 Bezirksverordneten stellen.
Dort soll nun versucht werden, eventuell doch noch einen Platz nach Ronald Reagan zu benennen. Allerdings, so erfahren wir es in "Spiegel-Online", gibt es dort den putzigen Beschluß, Straßen und Plätze bei Um- oder Neubenennungen nur noch nach Frauen zu benennen.
Wie wäre es dann mit einer Nancy-Reagan-Straße? Oder man benennt eine Straße nach Margaret Thatcher, stellvertretend für ihren amerikanischen Freund?
Wenn's denn so lustig wäre. Aber die Sache ist ja ernst. Mit Straßennamen bezieht eine Stadt auch politisch Position. In Paris ist ein zentraler Platz, der frühere Étoile, nach Charles de Gaulle benannt. Aber keine Straße, kein Platz erinnert an den Marschal Pétain; wie auch anders.
In Berlin aber gibt es eine Karl-Marx-Straße, eine Friedrich-Engels-Straße, eine Rosa-Luxemburg-Straße, eine Karl-Liebknecht-Straße; die gesamte kommunistische Prominenz ist vertreten. Und Rudi Dutschke.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Streit um die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße; Sie können das in der Wikipedia nachlesen. Er endete damit, daß am 30. April 2008 ein Straßenschild "Rudi-Dutschke-Straße" feierlich enthüllt wurde.
Angeregt hatte die Umbenennung die taz. Wußte man, wen man da ehrte? Ich bezweifle es. Über kaum eine Gestalt der deutschen Nachkriegsgeschichte hat sich ein solcher Mythos gelegt wie über Rudi Dutschke.
Ein Idealist. Ein Linker zwar, aber der Gewalt abhold. Einer, der mit dem Kommunismus nichts im Sinn hatte, sondern der eine freie Gesellschaft wollte. Einer, der Fragen stellte, statt Antworten zu geben. Ein Weltverbesserer mit einem tragischen Schicksal. Und so fort - sitzt vielleicht auch in Ihrem Kopf dieses Dutschke-Bild?
Dann möchte ich Sie einladen, zu lesen, was ich zu Dutschke vor zwei Jahren geschrieben habe: "So macht Kommunismus Spaß" (7): Dutschke und Genossen als Revolutionäre. Räteherrschaft in Westberlin. "Dieser revolutionäre Kampf ist furchtbar"; ZR vom 28. 2. 2009. Links zu allen Folgen der Serie, die sich mit Ulrike Meinhof, der RAF und überhaupt mit linker Gewalt befaßte, finden Sie hier.
Sie können dort lesen, wie Rudi Dutschke die "kämpferische Auseinandersetzung mit der staatlichen Exekutive" forderte, wie er für "Widerstand" und "illegale Arbeit" eintrat; wie er einen detaillierten Plan für die Revolution entwarf: Die staatlichen Institutionen sollten einer "kontinuierlich gesteigerten Belastung ausgesetzt" und "tief erschüttert" werden.
Wie? "Gegengewalt demonstrieren und praktizieren (Schutztruppe - Karateausbildung - bei Knüppeleinsatz - Molotowcocktails)". Einen "Machtergreifungsplan" nannte das Dutschke in seinem Tagebuch. Und er schrieb 1967 in einem Brief:
Der Kampf allein bringt die Herstellung des revolutionären Willens. Dieser revolutionäre Kampf ist furchtbar, aber furchtbarer würden die Leiden der Völker sein, wenn nicht durch den bewaffneten Kampf der Krieg überhaupt von den Menschen abgeschafft wird.Sie waren eben keine "zornigen Studenten", Dutschke, Semler, Rabehl und Genossen. Sie waren Revolutionäre wie Lenin und Trotzki, die auch nicht älter waren als sie, als sie mit der revolutionären Arbeit begannen. Als Lenin 1895 das erste Mal wegen seiner Untergrundtätigkeit verhaftet wurde, war er 25 Jahre alt; Dutschke war 1968 drei Jahre älter.
Daß aus der Revolution nichts wurde, als deren Ergebnis zunächst eine Räterepublik in Westberlin entstehen sollte, lag nicht an Rudi Dutschke. Die Revolutionäre scheiterten damals, weil es in Deutschland keine revolutionäre Situation gab. Sie waren dem Irrtum erlegen, die Aufgeregtheiten unter Westberliner Studenten für die Vorboten einer allgemeinen Revolutionsbereitschaft in Deutschland zu halten.
Ihr Scheitern verklärte sie. Und der demokratische Rechtsstaat, den sie vernichten wollten, brachte es in Gestalt der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg fertig, eine Straße nach dem gescheiterten Revolutionär Rudi Dutschke zu benennen.
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