13. Februar 2011

Aufruhr in Arabien (12): "Mubarak hielt sich nicht an das Drehbuch". Die Rolle Washingtons beim Sturz des ägyptischen Präsidenten

Keine Zeitung kennt so gut die Interna der amerikanischen Regierung wie die Washington Post. Dort hat jetzt Joby Warrick beschrieben, welche Rolle die US-Regierung beim Sturz Mubaraks spielte. Ich berichte das auch deswegen, weil meine Analyse am Freitag (Der alte Haudegen und der hilflose Präsident; ZR vom 11. 2. 2011) dadurch korrigiert wird. Ich hatte irrtümlich vorausgesetzt, daß Mubarak den Rücktritt nicht hätte verweigern können, ohne sich zuvor der Unterstützung des Militärs versichert zu haben. Aber genau das hatte er getan.

Nach dem Bericht Warricks erhielten die CIA und das Pentagon bereits am Mittwoch Abend nach "angespannten Diskussionen" mit ägyptischen Stellen endlich die "gute Nachricht": Das Militär werde Mubarak entmachten. Offen war nur noch, ob man ihn aus dem Amt entfernen werde oder ob er formal bleiben dürfe, aber faktisch die Macht abgeben müsse.

Das sollte am Donnerstag geschehen; aber nichts passierte. Stattdessen hielt Präsident Mubarak am Donnerstag Abend eine völlig unerwartete Rede, in der er klarmachte, daß er im Amt bleiben werde; allerdings gewisse Befugnisse an seinen Vize Suleiman übertrage.

Nach dem Bericht in der Washington Post scheint nun festzustehen, daß dies eine einsame Entscheidung gewesen war, nicht abgesprochen mit seiner Umgebung. Und vor allem nicht abgesprochen mit der Regierung in Washington, die im Hintergrund die Fäden gezogen hatte.

Mubaraks Rede am Donnerstag Abend, so Joby Warrick, "surprised and angered the White House"; sie überraschte und erzürnte das Weiße Haus.

Warum war man so überrascht? Weil man alles zu wissen geglaubt hatte. Denn Beamte der US-Regierung und US-Militärs hatten zuvor tagelang "im Stillen mit ihren ägyptischen Kollegen zusammengearbeitet" (quietly worked with their Egyptian counterparts), um eine Lösung zu finden.

Man war sich in Washington so sicher gewesen, daß alles wie geplant ablaufen würde, daß der Direktor der CIA, Leon Panetta, in einer Sitzung des Geheimdienst-Ausschusses des Repräsentantenhauses bereits am Donnerstag den Rücktritt Mubaraks ankündigte.

Am selben Tag sprach Präsident Obama an der Northern Michigan University und verkündete seine Zustimmung zu dem Machtwechsel in Ägypten, der unmittelbar bevorzustehen schien. Er sagte damals schon den Satz "We are witnessing history unfold" - wir erleben ein geschichtliches Ereignis -, der sich, nachdem Mubarak am Freitag wirklich gestürzt worden war, in seiner Rede im Weißen Haus wiederfand (siehe Der schönste Militärputsch, den es je gab?; ZR vom 12. 2. 2011).

Aber erst einmal kam alles ganz anders. Zwei Stunden nach der Rede Obamas in Michigan, um 22 Uhr MEZ, trat Mubarak in Kairo vor die Kameras. Obama verfolgte die Rede auf dem Rückflug nach Washington "with increasing dismay", mit zunehmender Bestürzung; kritisierte Mubarak doch sogar Versuche aus dem Ausland, ihn zu beeinflussen.

In Washington sah man das so, daß Mubarak sich "nicht an das Drehbuch gehalten hatte" ("Mubarak went off script"). Nach seiner Landung in Washington versammelte Obama seine Sicherheitsberater, um über die amerikanische Reaktion zu beraten. Man beschloß - ja, wohl was? Daß Obama eine Rede halten würde.

Er entwarf sie persönlich und kritisierte in ihr, daß es immer noch nicht klar sei, ob der Übergang denn nun "immediate, meaningful or sufficient" sein werde - ein sofortiger, sinnvoll und hinlänglich. Damit, so ein hoher Regierungsbeamter gegenüber der Washington Post, habe sich die Regierung eindeutig auf die Seiten der Protestierer auf dem Tahrir-Platz gestellt.

Auch in Kairo schwand nun die Unterstützung für Mubarak dahin. Selbst sein Vize Suleiman stellte sich jetzt gegen ihn. Am Freitag wurde Mubarak zum Rücktritt gezwungen. Immerhin zwang man ihn nicht dazu, das selbst zu verkünden. Suleiman gab die Entscheidung in knappen Worten bekannt.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.