17. April 2010

Zitat des Tages: "Herr Hahn hat den demokratischen Konsens verlassen". Wie Rotgrüne eine fällige Diskussion abzuwürgen versuchen

Herr Hahn hat nicht verstanden, dass er den Konsens der demokratischen Parteien verlässt.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im hessischen Landtag, Mathias Wagner, gegenüber der "Frankfurter Rundschau" über den hessischen Justizminister und FDP-Vorsitzenden Jörg-Uwe Hahn.


Kommentar: Was hat der Minister Hahn getan, daß der Parlamentarische Geschäftsführer Wagner von ihm behauptet, er habe den Konsens der demokratischen Parteien verlassen? Er hat sich zu den sexuellen Übergriffen an der Odenwaldschule (OSO) geäußert.

Er tat das in der vergangenen Woche gegenüber dem "Tagesspiegel". Dieser schrieb:
Nach immer neuen Vorwürfen gegen die für ihre Reformpädagogik bundesweit bekannten Privatschule macht Hessens FDP-Vorsitzender und stellvertretender Ministerpräsident Jörg Uwe Hahn die SPD und Grüne dafür verantwortlich, dass es zu den Misshandlungen an Schülern hat kommen können und dass die Übergriffe nicht geahndet wurden. Sozialdemokraten und Grüne hätten in den 80er und 90er Jahren in der Gesellschaft "ein Klima geschaffen, das erst den Boden für solche Vorkommnisse bereitet hat", sagte Hahn dem Tagesspiegel.
Die "Grünen" reagierten mit Empörung. Wie die "Frankfurter Rundschau" am vergangenen Dienstag berichtete, forderten der Vorsitzende der hessischen Grünen, Tarek Al-Wazir, und deren Generalsekretär Michael Roth zunächst eine "Entschuldigung". Als der Minister sich nicht dazu bereit fand, wandte sich Al-Wazir an dessen Chef, den Ministerpräsidenten Roland Koch. Er verlangte von diesem, auf Hahn "einzuwirken und ihn zur Vernunft zu bringen".

Offenbar ist in den Augen der Grünen jemand, der auf den Zusammenhang zwischen der von 68ern propagierten sexuellen Freiheit und der in der Odenwaldschule praktizierten Libertinage hinweist, nicht nur kein Demokrat, sondern gleich auch noch plemplem.



Koch und Hahn haben sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der Ministerpräsident reagierte gar nicht, und der Minister beschied den aufgeregten Al-Wazir in einem Antwortbrief, daß "der Zeitgeist der 68er Jahre eine Tendenz der Verharmlosung und des Wegschauens mit sich gebracht" habe.

Hahn nannte damit das, was auf der Hand liegt. In den Jahren nach 1968 wurde bekanntlich die "sexuelle Befreiung" propagiert. An der Odenwaldschule wurde sie praktiziert. Gewiß anders, als viele das gewollt hatten; aber doch im selben Geist. Der Altschüler der OSO Tilman Jens hat das in einem Beitrag für den "Spiegel" eindrücklich beschrieben; siehe "Sprengt mit eurem Samen den bürgerlichen Rahmen". Die Übergriffe an der Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger; ZR vom 21. 3. 2010.

Nicht nur die Grünen reagieren empört, wenn jemand auf diesen Zusammenhang hinweist. Die taz am 11. April:
Der jahrelange sexuelle Missbrauch an der Odenwaldschule wirft nach Ansicht von Politikerinnen der SPD und der Grünen aber keinen Schatten auf die Reformpädagogik. "Ein Zusammenhang zu reformpädagogischen Ideen ist durch nichts belegt", sagte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Ulla Burchardt, der taz. Alle, die ihn dennoch zögen, seien in ihren Augen "politische Raubritter", die nun versuchten, emanzipatorische Erziehungsideen zu diskreditieren.
Mir scheint, da wird versucht, eine Diskussion abzuwürgen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. "Raubritter", "außerhalb des Konsens der Demokraten", "zur Vernunft bringen": Die Kritik soll unterbunden werden, indem man den Kritiker verunglimpft.

Ich glaube nicht, daß diese Strategie funktionieren wird. Denn der Sachverhalt, den man zu leugnen versucht, ist zu offensichtlich, die Strategie allzu durchsichtig. Die Diskussion über die Verantwortung der 68er Ideologie für eine Sexualmoral, auf deren Grundlage die Übergriffe in der OSO möglich wurden, muß und wird geführt werden.



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