Terroristische Organisationen sind Unternehmen, die wie jedes Unternehmen sehen müssen, daß sie finanziell über die Runden kommen. Bis vor wenigen Jahren stand die Kaida des Irak so gut da, daß sie Mittel an die Zentrale überweisen konnte. Jetzt sucht sie von dort finanzielle Unterstützung. Entsprechende Briefe wurden abgefangen.
Diese Informationen finden sich in einem gestern erschienenen Artikel des Informationsdienstes Stratfor, in dem Scott Stewart die Lage der Kaida des Irak (Al Quaida Iraq, AQI) und der von ihr dominierten Organisation The Islamic State of Iraq (ISI) analysiert. Auf diesen Artikel stütze ich mich im folgenden.
Daß zwei Führer des ISI, Hamid Dawud Muhammad Khalil al-Zawi (Kampfname al-Baghdadi), und Abu Hamzah al-Muhajir (Kampfname al-Masri), am 18. April von Regierungstruppen getötet wurden, haben auch die deutschen Medien berichtet. Scott Stewart schildert die Hintergründe. Wie war dieser Doppelschlag möglich? Welche Folgen wird er für die AQI haben?
Al-Baghdadi, der "Führer der Gläubigen", war der geistliche und politische, al-Masri war der militärische Kopf des ISI. Sie waren in diese Positionen gelangt, nachdem im Juni 2006 der berüchtigte Führer der AQI, Abu Musab al-Zarqawi, von US-Truppen getötet worden war; al-Zarqawi, ein Mann von ungewöhnlicher Brutalität, war bekannt geworden durch Videos, auf denen zu sehen war, wie er eigenhändig Geiseln den Kopf abschnitt.
Al-Zarqawi war Jordanier; sein Nachfolger Al-Masri war Ägypter. Mit Al-Baghdadi hatte man einen Iraker an die politisch-geistliche Spitze gesetzt, um dem Eindruck entgegenzuwirken, AQI und ISI seien Organisationen von Landesfremden.
Wie war der jetzige Erfolg möglich? Stewart sieht ihn als das Ergebnis einer Strategie, die schon seit 2007 entwickelt worden war. Der damalige Kommandeur der US-Spezialkräfte im Irak war Stanley McChrystal, der jetzige Oberbefehlshaber in Afghanistan. McChrystal nahm damals eine Reorganisation vor, deren Ziel es war, durch den Abbau von Bürokratie und eine flachere Hierachie die schnellere Umsetzung von operativen Plänen zu ermöglichen.
Diese Fähigkeit zum schnellen Reagieren ist, so Stewart, der Schlüssel für die jetzigen Erfolge. Vorausgegangen war die Festnahme von Manaf Abdul Raheem al-Rawi, dem Führer der Kaida in Bagdad. Erkenntnisse, die als Ergebnis dieser Verhaftung gewonnen wurden, führten dazu, daß man den Aufenthaltsort von al-Baghdadi und al-Masri ermitteln und diese töten konnte. Für solche Aktionen ist Schnelligkeit entscheidend, damit den Terroristen keine Zeit bleibt, sich auf die neue Situation einzustellen.
Nach der Aktion gegen diese beiden Führer am 18. April folgten in kurzen Abständen weitere Zugriffe: Am 20. April wurde Ahmad al-Ubaydi (Abu-Suhaib) getötet, der Befehlshaber der Kaida in den Provinzen Ninevah, Salahuddin und Kirkuk. Einen Tag später wurde eine Fabrik zur Herstellung von selbstgebastelten Bomben (improvised explosive devices; IEDs) in der Provinz Anbar ausgehoben. Am 22. April wurde dort einer der Bombenbauer verhaftet.
Am 23. April gab die irakische Polizei die Festnahme eines weiteren militärischen Führers der AQI bekannt, Mahmoud Suleiman, in dessen Haus IEDs sichergestellt wurden. Am selben Tag wurden zwei weitere Führer der AQI in Mosul getötet.
Dutzende weitere Mitglieder der AQI wurden in den letzten Tagen in den Provinzen Diyala, Mosul, Salahuddin und Basra festgenommen oder stellten sich der Polizei.
Als die Kaida am vergangenen Samstag den Tod von Al-Baghdadi und al-Masri im Internet bekanntgab, wurde in dieser Verlautbarung zugleich versichert, daß dadurch die Stärke der Organisation im Irak nicht beeinträchtigt worden sei, denn man hätte neue Mitglieder rekrutieren können.
Stewart bezweifelt diese Aussage. Er weist darauf hin, daß in terroristischen Organisationen Spitzenleute oft nur schwer zu ersetzen sind, denn sie müssen über eine Kombination von vielen Fähigkeiten verfügen. Sie müssen einerseits gute Militärs und rücksichtslose Kämpfer sein, andererseits aber auch Charisma besitzen, um neue Mitglieder zu gewinnen und sie zum selbstlosen Einsatz bis hin zum Selbstmord-Attentat zu motivieren. Hinzu kommen Fähigkeiten wie das Erschließen von Geldquellen und das Agieren unter konspirativen Bedingungen.
Nach dem Verlust vieler Spitzenleute ist die Situation der AQI auch durch den anhaltenden Fahndungsdruck schwieriger geworden. Es sei, schreibt Stewart, ein wesentliches Moment im Kampf gegen den Terrorismus, die Terroristen ständig um ihr Leben fürchten zu lassen. Je mehr sie damit beschäftigt sind, sich zu tarnen, zu verbergen, ihre Verstecke zu wechseln usw., umso weniger Ressourcen bleiben ihnen zur Planung eigener Attacken.
Dennoch ist Stewart mit Prognosen zurückhaltend. Im vergangenen Herbst war es der IQA gelungen, Verluste wieder auszugleichen und die Organisation zu festigen. Ob sie diesmal auf Dauer geschwächt ist oder einen erneuten Wiederaufbau schafft, werde sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Auch dieser Artikel von Scott Stewart zeigt wieder, wie sehr US-Truppen nach wie vor an der Bekämpfung des Terrorismus beteiligt sind. Die allgemeine Sicherheitslage hat sich dramatisch gebessert; siehe "Die irakische Demokratie wird gelingen"; ZR vom 6. 3. 2010. Aber ein großer Teil dieser Erfolge geht auf die Effizienz der US-Truppen zurück.
Ende Februar 2009 hat Präsident Obama mitgeteilt, daß der Kampfeinsatz im Irak am 31. August 2010 enden wird, also jetzt in vier Monaten. Zwar soll noch ein Restkontingent von 35.000 bis 50.000 Mann bis Dezember 2011 im Land bleiben, um irakische Truppen auszubilden und auch Operationen gegen Terroristen durchzuführen. Aber die Kaida weiß: Wenn sie die Jahre 2010 und 2011 übersteht, dann wird sie, sobald die letzten amerikanischen Soldaten abgezogen sind, unter weit günstigeren Bedingungen kämpfen können, als diese für sie im Augenblick bestehen. Das motiviert zum Durchhalten.
Diese Informationen finden sich in einem gestern erschienenen Artikel des Informationsdienstes Stratfor, in dem Scott Stewart die Lage der Kaida des Irak (Al Quaida Iraq, AQI) und der von ihr dominierten Organisation The Islamic State of Iraq (ISI) analysiert. Auf diesen Artikel stütze ich mich im folgenden.
Daß zwei Führer des ISI, Hamid Dawud Muhammad Khalil al-Zawi (Kampfname al-Baghdadi), und Abu Hamzah al-Muhajir (Kampfname al-Masri), am 18. April von Regierungstruppen getötet wurden, haben auch die deutschen Medien berichtet. Scott Stewart schildert die Hintergründe. Wie war dieser Doppelschlag möglich? Welche Folgen wird er für die AQI haben?
Al-Baghdadi, der "Führer der Gläubigen", war der geistliche und politische, al-Masri war der militärische Kopf des ISI. Sie waren in diese Positionen gelangt, nachdem im Juni 2006 der berüchtigte Führer der AQI, Abu Musab al-Zarqawi, von US-Truppen getötet worden war; al-Zarqawi, ein Mann von ungewöhnlicher Brutalität, war bekannt geworden durch Videos, auf denen zu sehen war, wie er eigenhändig Geiseln den Kopf abschnitt.
Al-Zarqawi war Jordanier; sein Nachfolger Al-Masri war Ägypter. Mit Al-Baghdadi hatte man einen Iraker an die politisch-geistliche Spitze gesetzt, um dem Eindruck entgegenzuwirken, AQI und ISI seien Organisationen von Landesfremden.
Wie war der jetzige Erfolg möglich? Stewart sieht ihn als das Ergebnis einer Strategie, die schon seit 2007 entwickelt worden war. Der damalige Kommandeur der US-Spezialkräfte im Irak war Stanley McChrystal, der jetzige Oberbefehlshaber in Afghanistan. McChrystal nahm damals eine Reorganisation vor, deren Ziel es war, durch den Abbau von Bürokratie und eine flachere Hierachie die schnellere Umsetzung von operativen Plänen zu ermöglichen.
Diese Fähigkeit zum schnellen Reagieren ist, so Stewart, der Schlüssel für die jetzigen Erfolge. Vorausgegangen war die Festnahme von Manaf Abdul Raheem al-Rawi, dem Führer der Kaida in Bagdad. Erkenntnisse, die als Ergebnis dieser Verhaftung gewonnen wurden, führten dazu, daß man den Aufenthaltsort von al-Baghdadi und al-Masri ermitteln und diese töten konnte. Für solche Aktionen ist Schnelligkeit entscheidend, damit den Terroristen keine Zeit bleibt, sich auf die neue Situation einzustellen.
Nach der Aktion gegen diese beiden Führer am 18. April folgten in kurzen Abständen weitere Zugriffe: Am 20. April wurde Ahmad al-Ubaydi (Abu-Suhaib) getötet, der Befehlshaber der Kaida in den Provinzen Ninevah, Salahuddin und Kirkuk. Einen Tag später wurde eine Fabrik zur Herstellung von selbstgebastelten Bomben (improvised explosive devices; IEDs) in der Provinz Anbar ausgehoben. Am 22. April wurde dort einer der Bombenbauer verhaftet.
Am 23. April gab die irakische Polizei die Festnahme eines weiteren militärischen Führers der AQI bekannt, Mahmoud Suleiman, in dessen Haus IEDs sichergestellt wurden. Am selben Tag wurden zwei weitere Führer der AQI in Mosul getötet.
Dutzende weitere Mitglieder der AQI wurden in den letzten Tagen in den Provinzen Diyala, Mosul, Salahuddin und Basra festgenommen oder stellten sich der Polizei.
Als die Kaida am vergangenen Samstag den Tod von Al-Baghdadi und al-Masri im Internet bekanntgab, wurde in dieser Verlautbarung zugleich versichert, daß dadurch die Stärke der Organisation im Irak nicht beeinträchtigt worden sei, denn man hätte neue Mitglieder rekrutieren können.
Stewart bezweifelt diese Aussage. Er weist darauf hin, daß in terroristischen Organisationen Spitzenleute oft nur schwer zu ersetzen sind, denn sie müssen über eine Kombination von vielen Fähigkeiten verfügen. Sie müssen einerseits gute Militärs und rücksichtslose Kämpfer sein, andererseits aber auch Charisma besitzen, um neue Mitglieder zu gewinnen und sie zum selbstlosen Einsatz bis hin zum Selbstmord-Attentat zu motivieren. Hinzu kommen Fähigkeiten wie das Erschließen von Geldquellen und das Agieren unter konspirativen Bedingungen.
Nach dem Verlust vieler Spitzenleute ist die Situation der AQI auch durch den anhaltenden Fahndungsdruck schwieriger geworden. Es sei, schreibt Stewart, ein wesentliches Moment im Kampf gegen den Terrorismus, die Terroristen ständig um ihr Leben fürchten zu lassen. Je mehr sie damit beschäftigt sind, sich zu tarnen, zu verbergen, ihre Verstecke zu wechseln usw., umso weniger Ressourcen bleiben ihnen zur Planung eigener Attacken.
Dennoch ist Stewart mit Prognosen zurückhaltend. Im vergangenen Herbst war es der IQA gelungen, Verluste wieder auszugleichen und die Organisation zu festigen. Ob sie diesmal auf Dauer geschwächt ist oder einen erneuten Wiederaufbau schafft, werde sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Auch dieser Artikel von Scott Stewart zeigt wieder, wie sehr US-Truppen nach wie vor an der Bekämpfung des Terrorismus beteiligt sind. Die allgemeine Sicherheitslage hat sich dramatisch gebessert; siehe "Die irakische Demokratie wird gelingen"; ZR vom 6. 3. 2010. Aber ein großer Teil dieser Erfolge geht auf die Effizienz der US-Truppen zurück.
Ende Februar 2009 hat Präsident Obama mitgeteilt, daß der Kampfeinsatz im Irak am 31. August 2010 enden wird, also jetzt in vier Monaten. Zwar soll noch ein Restkontingent von 35.000 bis 50.000 Mann bis Dezember 2011 im Land bleiben, um irakische Truppen auszubilden und auch Operationen gegen Terroristen durchzuführen. Aber die Kaida weiß: Wenn sie die Jahre 2010 und 2011 übersteht, dann wird sie, sobald die letzten amerikanischen Soldaten abgezogen sind, unter weit günstigeren Bedingungen kämpfen können, als diese für sie im Augenblick bestehen. Das motiviert zum Durchhalten.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: NSF. Als Werk der US-Regierung in der Public Domain.