4. Januar 2013

Auch 2012 wurde es nicht wärmer. Fünf Gründe für die Klimareligion


Hier sehen Sie die aktuellen globalen Temperaturdaten der NOAA, der amerikanischen Regierungsbehörde National Oceanic and Atmospheric Administration; die Daten des November 2012, verglichen mit den Monaten November der vorausgegangenen Jahre (für eine vergrößerte Ansicht zweimal auf die Grafik klicken).

Aufgetragen sind die Abweichungen vom langjährigen Mittel; in den beiden unteren Grafiken getrennt nach nördlicher und südlicher Halbkugel und oben für unseren ganzen Globus.

Es war auch 2012 wieder so wie nun schon seit rund 15 Jahren: Es ist immer noch vergleichsweise warm, aber ein Anstieg der globalen Temperatur findet nicht mehr statt; dies, obwohl sich der Anteil von CO2 in der Atmosphäre ständig erhöht; Sie können sich das hier ansehen:


So sind die Daten. Sie beweisen nicht, daß die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung (anthropogenic climtate change, ACC) falsch ist. Es kann sein, daß das Plateau seit 15 Jahren, das auf einen Anstieg über knapp 20 Jahre folgte, einem Zusammentreffen glücklicher Umstände zu verdanken ist - bewirkt durch Faktoren wie Vulkanismus, Sonnenaktivität, El Niño. Es kann aber auch sein, daß die Theorie falsch ist.

Es ist zwar unwahrscheinlich, daß "Treibhausgase" gar keine Rolle für das Klima spielen; aber die Stärke ihres berechneten Effekts hängt allein davon ab, welche Modellannahmen man macht. Vielleicht hat man die Bedeutung des menschlichen Faktors in den Modellen erheblich überschätzt. Vielleicht hängt das Klima doch vor allem von den schon seit langem bekannten Faktoren ab - der Aktivität der Sonne, den Schwankungen in der Lage der Erdachse, dem Vulkanismus beispielsweise (siehe die Serie Kleines Klima-Kaleidoskop).

Nun wird ACC aber ja von vielen Menschen gar nicht als eine Theorie angesehen, die stimmen kann oder auch nicht. Ausgerechnet im sonst so wenig wissenschaftsgläubigen Deutschland vertrauen die meisten Menschen fest denen, die als Wissenschaftler diese Theorie vertreten.

Wie kommt das? Im April 2010 gab es dazu in ZR einen dreiteiligen Artikel, den ich jetzt, zusammengefaßt und überarbeitet, erneut publiziere.

Ich diskutiere fünf Aspekte des Glaubens an ACC:
den empirischen Aspekt, also den tatsächlichen Anstieg der globalen Temperatur im 20. Jahrhundert,

den theoretischen Aspekt in Gestalt der Theorie vom menschengemachten Treibhauseffekt, der den bisherigen Temperaturanstieg verursacht habe und der ohne eine radikale Reduktion der CO2-Emissionen zu einer Klimakatastrophe führen werde,

den spirituell-ideologischen Aspekt, unter dem die behauptete menschengemachte globale Erwärmung als die Folge eines generell sündhaften Umgangs "des Menschen" (vor allem des weißen, westlich-liberalen, männlichen Menschen) mit "der Natur" gesehen wird,

den gesellschaftspolitischen Aspekt: Die geforderten Maßnahmen gegen die angebliche Klimakatastrophe sollen zur Legitimierung eines neuen Anlaufs zur totalitären Kontrolle des Einzelnen durch den Staat dienen; als Ersatz für den vorerst gescheiterten real existierenden Sozialismus, oder als dessen moderne Variante,

den weltpolitischen Aspekt. In den Ländern des sogenannten Südens hat man erkannt, daß die Klimahysterie in den reichen Ländern ein ideales Druckmittel ist, sich ihnen gegenüber in eine moralisch überlegene Position zu verfügen und sie zu Transferzahlungen zu bewegen.



1. Der empirische Aspekt: Anstieg der Temperatur. Daß es es in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wärmer geworden ist, bestreitet kaum jemand. Das Faktum einer Erwärmung in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist nicht das, was "Klimagläubige" und "Klimaskeptiker" entzweit. Sondern es sind
das Ausmaß der Erwärmung,

ihre Ursache

und die Prognose für die kommenden Jahrzehnte.
Was das Ausmaß angeht, schauen Sie sich einmal diese Kurve an. Sie basiert auf Daten von zwei einflußreichen Mitgliedern des Weltklimarats (IPCC), P.D. Jones und M.E. Mann, und wird wegen ihrer Form als "Hockeyschläger-Kurve" bezeichnet:
In dieser Darstellung, die man zum Beispiel in der französischen Wikipedia findet, sticht die Entwicklung seit Anfang des 20. Jahrhunderts nun wahrlich hervor, als etwas nicht zuvor Dagewesenes. Damit auch der Begriffsstutzigste das sieht, hat jemand noch einen steilen roten Strich in die Graphik hineingezaubert. Vergleichen Sie das mit den Daten in der Grafik am Anfang dieses Artikels. Dann haben Sie eine Vorstellung davon, wie man Meßwerte bearbeiten kann.



2. Der theoretische Aspekt: Die Theorie des Treibhaus­effekts als Ursache der Erwärmung.

Der Temperaturanstieg im 20. Jahrhundert und vor allem in dessen letzten Jahrzehnten war und ist eine theoretische Herausforderung. Unter normalen Umständen hätten sich die Vertreter der einschlägigen Disziplinen - Meteorologie, Geophysik, Ozeanographie, Glaziologie, Astronomie usw. - zusammengetan und die Faktoren in Augenschein genommen, von denen man weiß, daß sie das Weltklima beeinflussen: Sonnenflecken-Aktivität, Vulkanausbrüche, Änderungen von Meeresströmungen, der El-Niño-Zyklus und weitere Effekte, die in ihrem Zusammenwirken das außerordentlich komplexe Phänomen "globales Klima" hervorbringen.

Niemand wäre vermutlich auf den Gedanken gekommen, eine einzige Ursache verantwortlich zu machen. Aber da war die Venusforschung.

Ja, die Venusforschung. Denn der Erfinder der Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung, James Hansen, begann seine wissenschaftliche Karriere als Venusforscher bei der NASA. Ihn interessierte vor allem die Atmosphäre der Venus. Warum ist es auf der Venus so heiß? Antwort: Wegen eines Treibhauseffekts.

Die Venus ist von dichten Wolken eingehüllt. Diese verhindern eine Abstrahlung von Wärme in den Weltraum und erzeugen damit, in gewisser Weise ähnlich wie das Glas eines Treibhauses, hohe Temperaturen. Hansen hat mit seinen Forschungen in den sechziger und siebziger Jahren wesentlich dazu beigetragen, daß man verstand, wie diese Wolken zusammengesetzt sind und wie sie - vermutlich - entstanden.

Bevor sich durch die Verdunstung von großen Mengen von Wasser dieser Treibhauseffekt aufbaute, war die Venus - so eine von Hansen geteilte Vermutung - viel erdähnlicher als heute. Offensichtlich kann also die Temperatur eines Planeten sich drastisch erhöhen, wenn sich ein Treibhauseffekt entwickelt und wenn er sich unumkehrbar durch Rückkopplung selbst verstärkt (runaway greenhouse effect).

Soweit die Venus. Und die Erde? In den achtziger Jahren stellte Hansen die Daten von Meßstationen aus allen verfügbaren Regionen zusammen und kam zu dem Schluß, daß es über das vergangene Jahrhundert hinweg eine globale Erwärmung gebe. Im Jahr 1987 publizierte er diese Daten zusammen mit Sergej Lebedeff.

Ein Jahr später hat er sie vor dem amerikanischen Kongreß erläutert; zusammen mit den Vorhersagen eines Modells (des GISS-Modells, benannt nach dem Goddard Institute for Space Studies, an dem es entstand), das ebenfalls 1988 publiziert wurde. Ende der achtziger Jahre hatte seine Theorie schon viele Anhänger gefunden, wie dieser Übersichtsartikel von S.H. Schneider aus dem Jahr 1989 zeigt.

Es war eine Theorie, und es ist bis heute eine Theorie geblieben. Eine Theorie, in Modellen implementiert, für die dasselbe gilt wie für alle derartigen Modelle:
Modelle wie das GISS bilden nicht "die Realität" ab, sondern virtuelle Realitäten. Sie sind unverzichtbar bei der Analyse komplexer Systeme, aber man muß verstehen was sie aussagen: Welche Folgerungen sich ziehen lassen, wenn bestimmte Annahmen zutreffen. Ob diese Annahmen zutreffen, verrät kein solches Modell. In der zitierten Arbeit von 1988 sprechen Hansen und Mitautoren von "Experimenten", die sie mit dem GISS anstellten. Genau das ist der Fall: Man stattet das Modell mit bestimmten Funktionsmerkmalen aus, füttert es mit bestimmten Daten und schaut sich an, was es dann macht. Ganz wie der Experimentator im Labor mit seinen Meerschweinchen verfährt.

Daß ein solches Modell die empirischen Daten zu simulieren vermag, die bei seiner Konstruktion bekannt waren, sagt überhaupt nichts über seine Qualität aus. Denn dafür wurde es ja konstruiert. Man kann mit hinreichendem Geschick jedes Modell so trimmen, daß es einen gegebenen Datensatz zu simulieren vermag. Das Faktum einer globalen Erwärmung (bis ungefähr zur Jahrtausendwende, vorläufig) sagt also überhaupt nichts darüber aus, ob das Modell des menschengemachten Treibhauseffekts richtig ist; so wenig, wie man aus dem Faktum, daß jemand ermordet wurde, schließen kann, daß eine bestimmte Theorie über den Täter stimmt.

Modelle können, auch wenn sie gut sind, immer nur einen Teil des tatsächlichen Kausalgeflechts abbilden. Die erwähnten zyklischen Prozesse (Sonnenflecken-Aktivität, der El-Niño-Zyklus usw.) werden zum Beispiel vom GISS-Modell nicht berücksichtigt. Ebenso können solche Modelle immer nur an einem begrenzten Datensatz getestet werden. In Bezug auf das Steigen des Meeresspiegels hat man z.B. allein Daten aus dem Hafen von Hongkong herangezogen, wo sehr spezielle Bedingungen herrschen (siehe Wird der Meeresspiegel wirklich steigen?; ZR vom 15. 2. 2010).
Wenn man diese Einschränkungen kennt und gebührend berücksichtigt, dann können Modelle wie diejenigen des GISS und heute des Weltklimarats (IPCC) nützliche Werkzeuge der Forschung sein. Mehr sind sie nicht. Sie wurden aber zu einer Art Zauberkugeln verklärt, aus denen man die Zukunft des Klimas lesen kann.

Das hatte keine innerwissenschaftlichen Gründe, sondern es rührte daher, daß die Vision einer vom Klimawandel gebeutelten Erde, die irgendwann vom Schicksal der Venus ereilt werden könnte, auf außerwissenschaftliche Faktoren traf.



3. Der spirituell-ideologische Aspekt. Spiegelbildlich zum Niedergang der Religiosität in den westlichen Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundert haben die Neigungen zu Ideologie und Spiritualität zugenommen. Politische Ideologien mit quasi-religiösen Zügen wie der Marxismus und der National­sozialismus erhielten Zulauf. Wer sich mit der tradierten christlichen Religion nicht mehr identifizieren konnte, der fand dort eine Welterklärung, eine Ethik, ein Werte­system; der fand dort auch Rituale und Pseudo-Götter samt ihren Priestern.

Andere orientierten sich nicht politisch, sondern, wie man so sagt, spirituell. Östliche Religionen und esoterischer Schnickschnack jeder Art fanden ihre Anhänger.

Und die Umweltbewegung fand sie. Ihren quasireligiösen Charakter hat vor drei Jahren der ZR-Autor Herr dargelegt (Klimaschutz als Religionsersatz. Und die Kirchen machen mit; ZR vom 8. 12. 2009): Das unbedingte Anliegen einer Rettung der Menschheit. Der Glaube an den Sündenfall der Bedrohung und Zerstörung der Umwelt durch "den Menschen". Die Befürchtung einer Apokalypse, die nur durch Buße und Umkehr abgewandt werden kann. Bis in die Details gibt es, wie Herr zeigt, Parallelen - das Lehramt des IPCC, die Wallfahrten zu Klimakonferenzen, den Ablaßhandel mit Klimazertifikaten.

Diese Öko-Variante der Spiritualität ist nun allerdings älter als die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung. Man könnte sagen, daß es ein diffuses quasireligiöses Öko-Bedürfnis gibt, das sich immer wieder neu mit Konkretem füllt. Anfangs waren es andere Inhalte gewesen; jetzt hat dieses Bedürfnis mit der Angst vor der Klimakatastrophe einen ultimativen, umfassenden Inhalt gefunden.

In der ersten Phase - in den USA ab den späten fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in Deutschland ungefähr ein Jahrzehnt später - machte sich dieses Bedürfnis an dem Wunsch nach einer "sauberen" Natur fest. Der Sündenfall von damals war die Verschmutzung der Natur. Gekämpft wurde von nun an gegen "Dreckschleudern". Das Ziel war die Wiederherstellung einer möglichst unberührten Natur - saubere Luft, reine Seen, Flüsse, in denen man wieder baden kann. Im Bundestagswahlkampf 1961 forderte der Kanzlerkandidat Willy Brandt, daß "der Himmel über der Ruhr wieder blau werden" müsse.

In der zweiten Phase kam als Sündenfall die "Ausplünderung des Planeten" hinzu, die in eine globale Katastrophe führen werde. Von außerordentlich großem Einfluß war hier im Jahr 1972 "Die Grenzen des Wachstums", der Bericht des "Club of Rome". Er sagte für den Fall, daß es keine radikale Umkehr geben werde, einen "Zusammenbruch des Weltsystems" bis ungefähr 2100 vorher.

Das Klima spielte damals allerdings noch kaum eine Rolle; als die entscheidenden Faktoren wurden Übervölkerung, Nahrungsmittelmangel, die Umweltbelastung, die Erschöpfung von Bodenschätzen und die Entwicklung der Industrie angesehen.

Das Weltmodell W3 des "Club of Rome" war eine der ersten großangelegten Simulationen unter Einsatz von Computern und insofern bahnbrechend. Rezepiert wurde es aber überwiegend als eine apokalyptische Vision. Es entstand der von nun an charakteristische asketische Zug der sich formierenden Umweltbewegung: Nur Verzicht kann uns noch retten. "Nullwachstum" wurde zum Schlüsselbegriff.

Zur Verschmutzung und zur Ausplünderung der Natur gesellte sich in einer dritten Phase - ab den achtziger Jahren - deren Zerstörung. In Deutschland spielte das sogenannte "Waldsterben" eine zentrale Rolle. Der "Spiegel" brachte dazu im November 1981 eine Titelgeschichte, in der es hieß:
In Westdeutschlands Wäldern, warnen Forstexperten, "tickt eine Zeitbombe": Ein großflächiges Tannen- und Fichtensterben ist, wie Fachleute befürchten, erstes Vorzeichen einer weltweiten "Umweltkatastrophe von unvorstellbarem Ausmaß".
Und im dritten Teil der Serie, die mit dieser Titelgeschichte eröffnet wurde, hieß es:
Für den Göttinger Professor Bernhard Ulrich besteht schon kein Zweifel mehr, was die kahlen Tannen in den Forsten und die dahinkümmernden Alleen in den Städten ankündigen. Europa und womöglich die gesamte nördliche Hemisphäre, meint der Wissenschaftler, stünden am Anfang "einer sich über mehrere menschliche Generationen dahinziehenden Waldvernichtung" durch industriell erzeugten Luftschmutz wie Schwefeldioxid. Wenn Ulrich recht hat, droht, so sein Münchner Kollege Peter Schütt, "die gigantischste Umweltkatastrophe, die es je gab".
Das war vor gut dreißig Jahren. Der Schuldige war damals noch nicht CO2, sondern SO2; das Schwefeldioxid, das vor allem als Bestandteil von "schwefelsaurem Regen" gefürchtet wurde. Denn dieser bewirke - so der "Spiegel" im zweiten Teil der Serie - nicht nur das Waldsterben, sondern er führe auch zu "Milliardenschäden in der Landwirtschaft wie an Bauwerken, fördert Lungenkrebs und löst zehntausendfach Nierenleiden und wahrscheinlich Erbkrankheiten aus".



Wenn man sich diese Vorgeschichte vergegenwärtigt, dann versteht man, wieso Hansens Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung auf so gewaltigen Widerhall stieß: Sie setzte, Ende der achtziger Jahre, sozusagen den Schlußstein. In sie hinein konnte man alle die Ängste projizieren, die in den vorangegangenen Jahrzehnten entstanden waren:
Die Verschmutzung der Umwelt nahm nun die Gestalt des CO2-Ausstoßes an; das lebenswichtige Gas CO2 wurde gar zum "gefährlichen Umweltgift" erklärt.

Das Weltuntergangs-Szenario des "Club of Rome" wurde um eine besonders sinnfällige Komponente erweitert: Eine Serie von Naturkatastrophen, mit Überflutungen, Stürmen, Dürren und dergleichen. Uralte Ängste also im kollektiven Gedächtnis einer Menschheit, die in ihrer ganzen Geschichte in der Furcht vor solchen Katastrophen lebte.

Das Motiv der Zerstörung fand neue Inhalte. Mit dem Waldsterben war es nichts geworden. An die Stelle entnadelter Wälder trat nun das Sinnbild des Eisbären, der auf seiner Scholle durch die sich erwärmende Arktis treibt. Wir zerstören nicht nur unsere eigene Lebensgrundlage, so lautete die Botschaft, sondern wir versündigen uns auch an der Schöpfung.
Kein Wunder also, daß die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung auf fruchtbaren Boden fiel.

Nein, das ist zu schwach formuliert. Sie wurde mit offenen Armen empfangen; sie wurde entgegengenommen wie eine Offenbarung. Ja, das war es! Verschmutzung, Zerstörung, Untergang - alles zusammengefaßt im Bild einer Welt, die wir mit unserer Sündhaftigkeit immer mehr aufheizen, bis sie in einem globalen Inferno untergeht.



4. Der gesellschaftspolitische Aspekt. Unter den führenden Politikern der Partei "Die Grünen", vor allem denjenigen der ersten Stunde, waren bemerkenswert viele Kommunisten, die ihre Partei verlassen hatten oder deren Partei sich aufgelöst hatte; beispielsweise
der Mitbegründer der Grünen Rainer Trampert; zuvor Kommunistischer Bund (KB),

der ebenfalls dem KB entstammende zeitweilige Fraktionsvorsitzende (bei den Grünen damals Fraktionssprecher genannt) im Bundestag Thomas Ebermann,

die spätere Vizepräsidentin des Bundestags Antje Vollmer. Sie gehörte vor ihrer Zeit bei den Grünen der Liga gegen den Imperialismus an, einer Organisation der damaligen Kommunistischen Partei Deutschlands / Aufbauorganisation (KPD/AO);

Jürgen Reents, einst KB, dann Abgeordneter der Grünen im Bundestag, jetzt Chefredakteur des kommunisti­schen "Neuen Deutschland";

der zeitweilige Vorsitzende (bei den Grünen "Sprecher des Bundesvorstands") Ralf Fücks, zuvor Kommunisti­scher Bund Westdeutschland (KBW);

Krista Sager, ebenfalls aus dem KBW hervorgegangen und später Fraktionsvorsitzende im Bundestag sowie Senatorin der Grünen in Hamburg;

der spätere Vorsitzende Reinhard Bütikofer, auch er ursprünglich Mitglied des KBW;

der spätere Vorsitzende und Umweltminister Jürgen Trittin, der seine politische Karriere beim KB begonnen hatte.
Andere ehemalige Kommunisten gelangten, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei "Die Grünen" wurden, über die grüne Schiene in hohe Ämter; so zum Beispiel der langjährige Sekretär des ZK des KBW Hans-Gerhart ("Joscha") Schmierer, der von Joschka Fischer zum Chef des Planungsstabs des Auswärtigen Amts gemacht wurde, und Georg Dick, früher Redakteur der "Kommunistischen Volkszeitung" des KBW, von Fischer ebenfalls in den Planungsstab des AA berufen und bis Mitte vergangenen Jahres deutscher Botschafter bei Hugo Chávez.



Was veranlaßte Kommunisten, in den achtziger Jahren scharenweise zu Grünen zu werden? Vordergründig das Scheitern ihrer diversen Parteien, von denen keine politische Bedeutung erlangt hatte. Aber beim Wechsel zu einer anderen Partei spielt in der Regel auch eine Rolle, daß man die eigenen politischen Überzeugungen dort wiederfindet.

Waren alle diese Kommunisten schon zur Zeit in ihren jeweiligen Parteien ökologisch bewegt gewesen? Darauf gibt es keinen Hinweis. Ihre Vorbilder waren das China Maos, das Kambodscha von Pol Pot, das Albanien des Stalinisten Enver Hodscha. Alles Länder, die sich gewiß nicht durch eine ökologische Orientierung auszeichneten.

Es war umgekehrt: Ihre kommunistischen Träume glaubten diese Politiker in der Partei "Die Grünen" durchsetzen zu können.

Mit der kommunistischen Utopie war immer weniger Staat zu machen. Weder ließen sich die Leute einreden, daß sie im Kapitalismus schlecht lebten, noch waren sie begierig auf Lebensumstände, wie sie in der UdSSR, in China oder in Albanien herrschten. Die Kommunisten brauchten also, wollten sie auf ihrem Weg hin zu einer von ihnen, der Avantgarde, kontrollierten Gesellschaft vorankommen, eine neue Legitimationsbasis. Diese bot ihnen die Ökologie.

Schon bevor es die Partei "Die Grünen" gab, hatte das der Stalinist Wolfgang Harich erkannt. Ich habe ihn in diesem Artikel aus dem Jahr 2007 zitiert. Harich hatte an Freimut Duve geschrieben:
Unserem Programm der Bedürfnisbefriedigung müssen wir, mit dem Vorsatz, es in ökologisch verantwortbaren Grenzen zu halten, eine differenzierende kritische Bestandsaufnahme all der Bedürfnisse vorausschicken, die sich im Verlauf des Geschichtsprozesses beim Menschen herausgebildet haben (...) Wobei es dann selektiv zu unterscheiden gilt zwischen solchen Bedürfnissen, die beizubehalten, als Kulturerbe zu pflegen, ja gegebenenfalls erst zu erwecken bzw. noch zu steigern sind, und anderen, die den Menschen abzugewöhnen sein werden - soweit möglich, mittels Umerziehung und aufklärender Überzeugung, doch, falls nötig, auch durch rigorose Unterdrückungsmaßnahmen, etwa durch Stillegung ganzer Produktionszweige, begleitet von gesetzlich verfügten Massen- Entziehungskuren.
Das war das Programm eines gläubigen Kommunisten; und es wurde danach das Programm eines großen Teils der Öko-Bewegung.

Die Idee einer Erziehungsdiktatur, in der eine kleine Elite, die allein über die nötigen Einsichten verfügt, der dummen Masse den richtigen Weg weist, konnte aus dem Kommunismus eins zu eins in den Ökologismus übernommen werden.

Und durch nichts wurde und wird dieses Programm besser legitimiert als durch die Gefahr einer Klimakatastrophe; eines drohenden Weltuntergangs, der allein dadurch abgewendet werden kann, daß sich alle der Öko-Diktatur unterwerfen.

In der Serie Deutschland im Öko-Würgegriff habe ich das mit Beispielen illustriert; unter anderem durch den Hinweis auf einen Aufsatz in der einst liberalen "Zeit", der ernsthaft die Frage diskutiert, ob "nur noch die Öko-Diktatur" helfe. Noch unverblümter als der dortige Autor Frank Drieschner äußert sich der Begründer der Gaia-Theorie, James Lovelock, zugunsten einer Öko-Diktatur; Gorgasal hat kürzlich darauf aufmerksam gemacht (Gorgasals Kleinigkeiten: Der Klimawandel. Eine kurze Auszeit für die Demokratie; ZR vom 30. 3. 2010).



5. Der weltpolitische Aspekt. Ideologien brauchen immer das Zuckerbrot und die Peitsche. Die Peitsche, das ist in der Öko-Gesellschaftspolitik die drohende Katastrophe, die allein durch Unterwerfung unter die besseren Einsichten der selbsternannten Elite abgewandt werden kann. Das Zuckerbrot ist die Vision einer heilen Welt, in der wir alle - endlich wieder! - im Einklang mit Mutter Natur leben können. Das Schema der christlichen Heilsgeschichte also, pervertiert zu einem Instrument der Herrschaft, wie schon im Marxismus.

Zu den Verheißungen gehört nicht nur der Einklang mit der Natur, sondern auch die weltweite Brüderlichkeit. Dieses Motiv prägte die Linke des 20. Jahrhunderts als "Antiimperialismus", "Solidarität mit den um ihre Freiheit kämpfenden Völkern", "Dritte-Welt-Bewegung" usw. Jetzt konnte es sich in der Idee konkretisieren, nur eine gemeinsame Anstrengung aller Völker der Welt könne die drohende Katastrophe abwenden.

Das IPCC spielt in diesen Phantasien eine besondere Rolle; es ist in dieser Sicht sozusagen der Vorreiter einer Weltregierung, wenngleich vorerst nur auf das Klima beschränkt. So verstand es sich, daß ihm nur ein Mann aus der Dritten Welt, oder wie man heute gern sagt: aus dem Süden vorsitzen konnte; der Inder Rajendra Kumar Pachauri, seines Zeichens Eisenbahningenieur (siehe Gorgasals Artikel Kleines Klima-Kaleidoskop (2): Fachleute; ZR vom 28. 1. 2010).

Die Vision von der drohenden weltweiten Klimakatastrophe lieferte aber nicht nur den Antiimperialisten, den Drittweltlern, den Leuten von Attac eine neue Rechtfertigung für ihre globalen Sehnsüchte, sondern sie ließ natürlich auch diesen "Süden" selbst nicht unbeeindruckt.

Falls sich die Durchschnittstemperatur in Deutschland, wie in den düstersten Szenarien angenommen, um zwei Grad erhöhen sollte, dann würde es in Flensburg noch immer nicht so warm sein wie jetzt in Freiburg. Also ungleich kälter als zum Beispiel jetzt in Bombay, in Accra oder in Caracas.

Die Länder des "Südens" haben schon jetzt die Temperaturen, vor denen sich die Alarmisten des "Nordens" so fürchten. Sie haben also wenig Grund, einen möglichen Klimawandel als eine Katastrophe zu sehen (sieht man von einem möglichen Anstieg des Meeresspiegels ab, der aber nur Wenige treffen würde und gegen den man Deiche bauen kann).

Andererseits wollen sie sich (weiter) industrialisieren. Was zum einen bedeutet, daß sie ihren CO2-Ausstoß erhöhen werden; zum anderen brauchen sie ihr Geld für die Industrialisierung und können es nicht, oder nur sehr begrenzt, für Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen ausgeben.

Was also liegt näher, als daß sie die Staaten des "Nordens", denen dieses Thema augenscheinlich so am Herzen liegt, einladen, dann eben entsprechende Transferleistungen zu erbringen?

Das tun diese bereitwillig, und zwar in einem bemerkens­werten Umfang. Am 10. Februar 2010 hat das EU-Parlament eine Entschließung verabschiedet, in der es unter Punkt H heißt, das Parlament
10. nimmt davon Kenntnis, dass die Verpflichtung zur Schaffung eines Fonds mit jährlich 100 Milliarden USD von den Industrieländern bis 2020 und zur Zahlung der Summe von 30 Milliarden USD für Entwicklungsländer in den nächsten drei Jahren (2010–) eingegangen wurde, um zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen, sowie von der Einrichtung eines "Green Climate Fund", mit dem in Entwicklungsländern Projekte im Zusammenhang mit Entwaldung und Waldschädigung unterstützt werden sollen; bedauert jedoch, dass die Verpflichtung nicht an die Schätzung der Kommission, dass bis 2020 100 Milliarden EUR aufgebracht würden, heranreicht;

11. betont die historische Verantwortung der Industriestaaten für den unumkehrbaren Klimawandel und ihre Pflicht, den Entwicklungsländern ausreichende, nachhaltige und verlässliche finanzielle und technische Unterstützung mit dem Ziel bereitzustellen, dass sie sich zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichten, sich an die Folgen des Klimawandels anpassen, die durch Entwaldung und Zerstörung der Wälder bedingten Emissionen verringern und den Aufbau von Kapazitäten verbessern können, um die Verpflichtungen gemäß dem künftigen internationalen Übereinkommen über den Klimawandel erfüllen zu können
Kann man es den Vertretern der Staaten, die sich auf derart großzügige Transfers freuen dürfen, verdenken, wenn sie überzeugte Anhänger der für sie so vorteilhaften Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung sind?
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die ersten beiden Abbildungen als Werke der US-Regierung gemeinfrei. Die Hockeyschläger-Kurve wurde vom Autor Hanno ebenfalls in die Public Domain gestellt.