Sieht man von Frank-Walter Steinmeier ab, der nicht Kanzler werden will, dann ist in der SPD-Spitze weit und breit niemand außer Peer Steinbrück zu sehen, dem man es zutrauen mag, das Amt des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland mit Erfolg zu führen.
Sigmar Gabriel, der einstige Pop-Beauftragte? Ein irrlichternder Mann, dessen Stärke es ist, mal Dies und mal Jenes zu erdenken und es rhetorisch ansprechend mitzuteilen. Ministerpräsident wurde er als Nachrücker für Gerhard Schröder; bei erster Gelegenheit wählten ihn die Niedersachsen wieder ab. Seine außenpolitische Reife mag man daran ermessen, daß er die Lage im Westjordanland vergangenes Jahr als "ein Apartheid-Regime" charakterisiert hat.
Hannelore Kraft? Schon Gabriel kann man sich schwer als Verhandlungspartner von Putin, Xi Jinping und Obama oder als jemanden vorstellen, der in der EU die deutschen Interessen durchzusetzen vermag. Aber nun Hannelore Kraft? Sieht man von zwei Jahren als Studentin in London ab, ist sie nie aus ihrem Heimatland Nordrhein-Westfalen herausgekommen. Bundespolitische Erfahrung: fast null; turnusgemäß war sie einmal Bundesratspräsidentin. Außenpolitische Erfahrung: nullkommanull.
Die Popularität von Hannelore Kraft beruht, soweit erkennbar, darauf, daß sie mütterlich-freundlich aussieht und mit ihrer netten Art Vertrauen erweckt. Eine Leistung als Ministerpräsidentin ist bisher nicht zu erkennen. Am bemerkenswertesten an ihrer Regierungsarbeit ist ihr Wort von der "vorbeugenden Finanzpolitik" als Euphemismus für Schuldenmachen; dies wahrlich ein Unwort des Jahres.
Wenn Steinmeier nicht will, dann bleibt der SPD also, geht man von der Befähigung zum Kanzleramt aus, nur Steinbrück.
Aber geht man in der SPD-Spitze noch davon aus, daß der Kandidat auch Kanzler können muß? Wenn man die Hoffnung aufgegeben hat, den Regierungschef zu stellen, dann ist der Job wieder offen.
Dann geht es nicht darum, wer Kanzler kann, sondern wer Kandidat kann. Das könnte Gabriel vermutlich ordentlich; Kraft könnte es ausgezeichnet.
In der "Welt" schrieb gestern der stets wohlinformierte Daniel Friedrich Sturm:
Sollte die SPD zu der Einschätzung gelangen, daß Steinbrück ohnehin nicht Kanzler werden wird, dann kann man sich ebenso für jemanden anderen entscheiden, der auch nicht Kanzler werden wird. Der oder die aber immerhin die SPD-Basis zu motivieren vermag; der oder die vor allem auch beim linken Parteiflügel im Stand der Gnade ist.
Vom Ausgang der Wahl in Niedersachsen hängen solche Überlegungen nicht ab. Wenn die Demoskopen Recht behalten, dann wird es in jedem Fall knapp werden. Allenfalls könnte eine überraschend krachende Niederlage der SPD dem Kandidaten Steinbrück in die Schuhe geschoben und als Argument instrumentalisiert werden, um ihn aus der Kandidatur hinauszubefördern. Aber das könnte man, wenn man denn will, auch bei einem knappen Sieg von Rotgrün.
Philipp Rösler ist sozusagen der Peer Steinbrück der FDP. Auch er ist ein intelligenter und charakterstarker Mann; ich habe ihn kürzlich zu charakterisieren versucht. Ginge es nach Befähigung, dann wäre er der richtige Vorsitzende; so, wie Steinbrück der gegebene Kanzlerkandidat.
Aber Rösler hat dasselbe Image-Problem wie Steinbrück. Nein, nicht dasselbe, sondern nur ein gleich gravierendes.
Steinbrück eckt an, weil er dazu neigt, sein Herz auf der Zunge zu tragen. Rösler trägt sein Herz nicht auf der Zunge; aber wo hat er es überhaupt? Er eckt nicht an, sondern er erscheint so fern, daß noch nicht einmal die Gefahr einer Berührung besteht.
Fragen Sie jemanden, was für einer der Steinbrück ist. Er wird eine Liste von vermeintlichen Eigenschaften liefern können - eitel, intelligent, unbeherrscht, verbissen, sarkastisch, ein Zahlenmensch, dem Geld zugetan und so fort.
Fragen Sie jemanden, was für einer Rösler ist. Die Reaktion wird Schulterzucken sein.
Sie sind sehr verschiedene Charaktere, die beiden Problembären von SPD und FDP. Gemeinsam ist ihnen die fehlende Kumpelhaftigkeit; das Fehlen jedes Bemühens, Menschen zu umgarnen, um sie zu werben. Diesen beiden Intellektuellen fehlt, kurz gesagt, die Hannelorekrafthaftigkeit.
Ob Steinbrück Kandidat bleibt, hängt davon ab, wie die SPD-Führung die Chance bewertet, die Wahl im September zu gewinnen. Daß Rösler nicht Vorsitzender bleibt, ist so gut wie entschieden. Sein Schicksal ist so besiegelt wie das Cäsars, als er sich am Morgen des 15. März in den Senat aufmachte.
Daß die Entscheidung gefallen ist, wurde spätestens sichtbar, als die beiden starken Männer der FDP, Rainer Brüderle und Christian Lindner, einhellig einen vorgezogenen Parteitag zwecks Wahl eines neuen Vorstands forderten.
Die endgültige Bestätigung konnte man gestern in der FAZ lesen. In einem Interview mit Werner D’Inka und Peter Lückemeier sagte dort der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, nach Rösler gefragt:
Daran würde selbst ein ordentliches Abschneiden der FDP in Niedersachsen nichts ändern können. So wenig, wie am politischen Schicksal Peer Steinbrücks ein Erfolg der SPD. Diese Wahl heute wird spannend werden; aber nicht, weil sie über das Schicksal dieser beiden Männer entscheiden würde.
Sigmar Gabriel, der einstige Pop-Beauftragte? Ein irrlichternder Mann, dessen Stärke es ist, mal Dies und mal Jenes zu erdenken und es rhetorisch ansprechend mitzuteilen. Ministerpräsident wurde er als Nachrücker für Gerhard Schröder; bei erster Gelegenheit wählten ihn die Niedersachsen wieder ab. Seine außenpolitische Reife mag man daran ermessen, daß er die Lage im Westjordanland vergangenes Jahr als "ein Apartheid-Regime" charakterisiert hat.
Hannelore Kraft? Schon Gabriel kann man sich schwer als Verhandlungspartner von Putin, Xi Jinping und Obama oder als jemanden vorstellen, der in der EU die deutschen Interessen durchzusetzen vermag. Aber nun Hannelore Kraft? Sieht man von zwei Jahren als Studentin in London ab, ist sie nie aus ihrem Heimatland Nordrhein-Westfalen herausgekommen. Bundespolitische Erfahrung: fast null; turnusgemäß war sie einmal Bundesratspräsidentin. Außenpolitische Erfahrung: nullkommanull.
Die Popularität von Hannelore Kraft beruht, soweit erkennbar, darauf, daß sie mütterlich-freundlich aussieht und mit ihrer netten Art Vertrauen erweckt. Eine Leistung als Ministerpräsidentin ist bisher nicht zu erkennen. Am bemerkenswertesten an ihrer Regierungsarbeit ist ihr Wort von der "vorbeugenden Finanzpolitik" als Euphemismus für Schuldenmachen; dies wahrlich ein Unwort des Jahres.
Wenn Steinmeier nicht will, dann bleibt der SPD also, geht man von der Befähigung zum Kanzleramt aus, nur Steinbrück.
Aber geht man in der SPD-Spitze noch davon aus, daß der Kandidat auch Kanzler können muß? Wenn man die Hoffnung aufgegeben hat, den Regierungschef zu stellen, dann ist der Job wieder offen.
Dann geht es nicht darum, wer Kanzler kann, sondern wer Kandidat kann. Das könnte Gabriel vermutlich ordentlich; Kraft könnte es ausgezeichnet.
In der "Welt" schrieb gestern der stets wohlinformierte Daniel Friedrich Sturm:
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben während eines vertraulichen Treffens am Freitagabend die angespannte Lage ihrer Partei erörtert. (...) In der SPD herrscht Ratlosigkeit über das Agieren Steinbrücks, einflussreiche Sozialdemokraten schließen einen Rückzug des Kanzlerkandidaten nicht mehr aus.Die "Basis" der SPD würde sich gewiß darüber freuen, bei der Steinbrück nie beliebt war. Diesem eigenwilligen und zu brutaler Ehrlichkeit neigenden Mann fehlt es an der Mischung aus Intriganz, Kumpelhaftigkeit und Bauchgefühl, die zum Umgang miteinander in der SPD gehört wie die allgemeine Duzerei und die Anrede mit "Genosse" - so war es in diesem Blog vor knapp fünf Jahren zu lesen; die damalige Charakterisierung Steinbrücks und seines Verhältnisses zur SPD halte ich für unverändert zutreffend (Marginalie: Erst Steinbrück - jetzt Naumann?; ZR vom 4. 3. 2008).
Sollte die SPD zu der Einschätzung gelangen, daß Steinbrück ohnehin nicht Kanzler werden wird, dann kann man sich ebenso für jemanden anderen entscheiden, der auch nicht Kanzler werden wird. Der oder die aber immerhin die SPD-Basis zu motivieren vermag; der oder die vor allem auch beim linken Parteiflügel im Stand der Gnade ist.
Vom Ausgang der Wahl in Niedersachsen hängen solche Überlegungen nicht ab. Wenn die Demoskopen Recht behalten, dann wird es in jedem Fall knapp werden. Allenfalls könnte eine überraschend krachende Niederlage der SPD dem Kandidaten Steinbrück in die Schuhe geschoben und als Argument instrumentalisiert werden, um ihn aus der Kandidatur hinauszubefördern. Aber das könnte man, wenn man denn will, auch bei einem knappen Sieg von Rotgrün.
Philipp Rösler ist sozusagen der Peer Steinbrück der FDP. Auch er ist ein intelligenter und charakterstarker Mann; ich habe ihn kürzlich zu charakterisieren versucht. Ginge es nach Befähigung, dann wäre er der richtige Vorsitzende; so, wie Steinbrück der gegebene Kanzlerkandidat.
Aber Rösler hat dasselbe Image-Problem wie Steinbrück. Nein, nicht dasselbe, sondern nur ein gleich gravierendes.
Steinbrück eckt an, weil er dazu neigt, sein Herz auf der Zunge zu tragen. Rösler trägt sein Herz nicht auf der Zunge; aber wo hat er es überhaupt? Er eckt nicht an, sondern er erscheint so fern, daß noch nicht einmal die Gefahr einer Berührung besteht.
Fragen Sie jemanden, was für einer der Steinbrück ist. Er wird eine Liste von vermeintlichen Eigenschaften liefern können - eitel, intelligent, unbeherrscht, verbissen, sarkastisch, ein Zahlenmensch, dem Geld zugetan und so fort.
Fragen Sie jemanden, was für einer Rösler ist. Die Reaktion wird Schulterzucken sein.
Sie sind sehr verschiedene Charaktere, die beiden Problembären von SPD und FDP. Gemeinsam ist ihnen die fehlende Kumpelhaftigkeit; das Fehlen jedes Bemühens, Menschen zu umgarnen, um sie zu werben. Diesen beiden Intellektuellen fehlt, kurz gesagt, die Hannelorekrafthaftigkeit.
Ob Steinbrück Kandidat bleibt, hängt davon ab, wie die SPD-Führung die Chance bewertet, die Wahl im September zu gewinnen. Daß Rösler nicht Vorsitzender bleibt, ist so gut wie entschieden. Sein Schicksal ist so besiegelt wie das Cäsars, als er sich am Morgen des 15. März in den Senat aufmachte.
Daß die Entscheidung gefallen ist, wurde spätestens sichtbar, als die beiden starken Männer der FDP, Rainer Brüderle und Christian Lindner, einhellig einen vorgezogenen Parteitag zwecks Wahl eines neuen Vorstands forderten.
Die endgültige Bestätigung konnte man gestern in der FAZ lesen. In einem Interview mit Werner D’Inka und Peter Lückemeier sagte dort der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, nach Rösler gefragt:
Ich denke oft an ihn. Ich mag ihn sehr. Aber er ist jetzt schon sehr, sehr lange in Umfragen unterhalb der Wasserobergrenze, so dass das seine Spuren hinterlässt. Er ist natürlich auch in eine Wirbelschleppe des Vertrauensverlustes hineingeraten, die andere erzeugt haben.Der kluge und integre Wolfgang Gerhardt sagt so etwas nicht leichthin öffentlich über seinen Vorsitzenden. Auch Gerhardt ist offenbar informiert darüber, daß über Rösler der Stab gebrochen ist.
Daran würde selbst ein ordentliches Abschneiden der FDP in Niedersachsen nichts ändern können. So wenig, wie am politischen Schicksal Peer Steinbrücks ein Erfolg der SPD. Diese Wahl heute wird spannend werden; aber nicht, weil sie über das Schicksal dieser beiden Männer entscheiden würde.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette vom Autor Dirk Vorderstraße unter Creative Commons Attribution 3.0 Unported-Lizenz freigegeben.