29. Januar 2013

Zettels Meckerecke: Jakob Augstein und der weiße Mann. Salonbolschewismus 2.1.

In den zwanziger, den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts war er eine bekannte Figur: Der Salonbolschewist oder Salonbolschewik. Der Intellektuelle, der Sohn aus bestem Haus, der durch die Salons zieht und sich als wilder Revoluzzer geriert.

Er war dann von der Bildfläche verschwunden, der Salonbolschewik, und erlebte seine Wiedergeburt in den unruhigen siebziger Jahren. Wobei nicht selten das Salonhafte zur Realität drängte; so im Falle des italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli, der 1972 ums Leben kam, als er sich als Bombenleger versuchte.

Mit der Revolution ist es dann vorerst nichts geworden; die verbliebenen Relikte des real existierenden Sozialismus wie Cuba und Nordkorea regen derzeit nicht unbedingt zu revolutionärer Begeisterung an. Damit hat sich auch die Figur des Salonbolschewiken gewandelt. Er tritt heute in Gestalt des Salon-Propalästinensers auf, des Salon-Antigloba­li­sie­rers, des Salonfeministen. In Gestalt also Jakob Augsteins.



Der Salonbolschewik und seine heutigen Abkömmlinge fühlen sich unwohl in ihrer Haut. In ihrer Schicht der Reichen oder, wie bei Augstein, der Superreichen. Und/oder in ihrer Kultur, der des christlichen, des aufgeklärten Abendlands. Und/oder, und das heute vor allem, in ihrer Rolle als Mann.

Der Bolschewismus ist passé; aber links, ganz links ist er geblieben, dieser Typus. In Frankreich sagt man la gauche de caviar, die Kaviarlinke; in England nennt man sie champagne socialists, die Champagnersozialisten.

Was ist da motivational im Spiel? Selbsthaß? Vielleicht auch die Lust an der Provokation. Vielleicht der Versuch, sich zu emanzipieren von einer sozialen Umgebung, einer Familie, einem Vater möglicherweise, die als erdrückend wahr­genommen werden.

Wie auch immer sich da die Motive mischen mögen - das Ergebnis ist bei allen Varianten dieser Haltung die genüßliche Demontage dessen, was die eigene soziale Identität ausmacht.

Ist man reich, dann ist man wie Feltrinelli gegen den Kapitalismus. Ist man weiß, dann ist man gegen die westliche Kultur. Stammt man aus einem christlich-liberalen Milieu, dann ist man auf der Seite der Moslems. Ist man ein Mann, dann ist man Feminist. Ist man Jakob Augstein, dann ist man das alles.

In seiner gestrigen Kolumne in "Spiegel-Online" hat Augstein das bis zur Selbstentblößung vorgeführt.

Er befaßt sich - wie anders - mit der "Affäre" Brüderle; also mit der Sexismus-Debatte. Natürlich ist Augstein Feminist. Aber das genügt noch nicht.

Er ist nicht nur ein Mann, der Jakob Augstein; er ist ja auch weiß. Also ist er nicht nur gegen die Männer als solche, sondern speziell gegen die weißen Männer:
Hier geht es nicht um Brüderle. Es geht um den weißen Mann. Der in Amerika die Wahl verloren hat. Der im neuen Tarantino-Film von einem Schwarzen - der aufrecht zu Pferde sitzt, als Herrenreiter daherkommt - niedergeschossen wird.
Nun ist auch Laura Himmelreich weiß, ebenso wie Rainer Brüderle. Westliche Weiße dürften die meisten Frauen und die meisten Männer sein, über die in diesen Tagen diskutiert wird.

Um die Männer und Frauen aus anderen Kulturkreisen in unserer Mitte, um die Gesellschaft, die "bunter, multi­kultureller - im eigentlichen Wortsinn" (Augstein) wird, macht ja die gegenwärtige Sexismus-Debatte gerade einen bemerkenswert großen Bogen.

Kurz, es gab vermutlich, bevor Augstein gestern seine Kolumne publizierte, in Deutschland niemanden, der diese Debatte mit Rasse in Zusammenhang gebracht hätte. Oder der auf den Gedanken gekommen wäre, die Diskussion um den Spitzenkandidaten der FDP in den Kontext der Niederlage Mitt Romneys stellen und tollkühn die Brücke zu einem amerikanischen Edel-Spaghettiwestern zu schlagen.

Das hat ja auch objektiv nichts miteinander zu tun. Aber halt subjektiv für Jakob Augstein, der als Mann Feminist sein möchte, als Reicher Antikapitalist. Und der, ein weißer Mann, der er nun einmal ist, mit grimmiger Lust das Ende des weißen Mannes heraufbeschwört. Salonbolschewismus 2.1.
Zettel



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