2. Januar 2013

Zettels Meckerecke: Ach, Thierse. "Das soll gesprochen werden, wo sie wohnen". Schwaben, Sprache, Heimat


Wolfgang Thierse fand ich einmal gut. Es gab ja nicht viele aus der DDR, die man gut finden konnte. Thierse war einer, der nicht mit dem Regime paktiert hatte; der wie Angela Merkel in einer wissenschaftlichen Nische untergekommen war. Eine erfreuliche Gestalt also, verglichen mit den Karrieristen des SED-Regimes, die es à la Gregor Gysi verstanden hatten, nun auch in der Bundesrepublik Karriere zu machen. Die immer oben zu schwimmen wußten.

Also hatte Wolfgang Thierse bei mir so etwas wie einen Bonus; Vorschußlorbeeren. Sie sind dann allmählich verwelkt, die Lorbeeren.

Das liegt zum einen daran, daß der Mann ein Schwätzer ist. Diese Breite, in der er Belanglosigkeiten zum Besten gibt, das ist ja fast unerträglich. Riesige Sprechblasen; nur ist ihr Inneres leer.

Aber nun gut. Jeder mag sich ausmähren. Aber Thierse hat auch eine Art, sich zu profilieren, die mich schon ein wenig auf die Palme bringt. Er ist, immerhin Vizepräsident des Bundestags, als Gesetzesbrecher hervorgetreten. Dieser Mann hat offenbar überhaupt nicht verstanden, daß man sich an die Gesetze halten muß; auch dann, wenn man gern wiedergewählt werden möchte.

Jetzt also hat er, schon fast vergessen, es zurück in die Schlagzeilen geschafft; in der nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren. Die Schwaben sind's, die er ins Visier genommen hat. Der "Tagesspiegel" gestern:
"Ich habe gegen das Schwäbische und Bayerische nichts, dass [sic] soll da gesprochen werden, wo sie wohnen, hier in Berlin möchte ich gerne, dass das Berlinerische noch eine Chance hat", bekannte sich der 69-jährige Thierse zu einer "ein bisschen lokal­patriotischen" Gesinnung. Sprache sei für ihn eben "auch ein Ort von Heimat". Das bedeute jedoch nicht, dass er "eine Käseglocke über den Prenzlauer Berg stülpen" wolle.
Wie schön. Und wie rührend. Fremdenfeindlichkeit ist politisch korrekt, wenn sie die Schwaben und die Bayern trifft. Hätte Thierse freilich gesagt, daß die Türken und Araber in Kreuzberg und Prenzlauer Berg dort ihre Sprache sprechen sollen, wo sie wohnen, und nicht in Berlin, dann wäre er morgen nicht mehr Vizepräsident des Deutschen Bundestags.



Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß jeder so spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Sollen sie doch alle in ihrer Sprache parlieren. Aber gegen diesen Muff, diese verschro­bene Überheblichkeit des Wolfgang Thierse habe ich schon was.
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Zettel



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