Paul Kirchhof ist dem an Politik Interessierten in den letzten Jahren wenigstens zweimal über den Weg gelaufen. Nachdem die CDU 2003 ihr recht liberales "Leipziger Programm" beschlossen hatte, war Kirchhof im Schattenkabinett für die Wahl 2005 als Finanzminister vorgesehen und sollte in dieser Funktion das umsetzen, was die FDP dann noch einmal im Wahlkampf 2009 gefordert (und bislang nicht geliefert) hat, nämlich ein "einfaches, transparentes und gerechtes Steuersystem". Daß es 2005 nicht für einen schwarz-gelben Sieg reichte, dürfte nicht zuletzt mit Kanzler Schröders unfairen, aber wirkungsvollen Attacken auf den "Professor aus Heidelberg" zusammenhängen.
Kirchhof hat sich seitdem einem neuem Thema gewidmet, nämlich der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das von ihm maßgeblich entwickelte Modell einer "Wohnungspauschale", das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist, hat Kirchhof nun gestern ausführlich in einem Interview mit der F.A.Z. verteidigt. Seine Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Systems insgesamt ("nichtkommerzielle Medien sind eine Existenzbedingung des Verfassungsstaates") sei hier einmal ausgeklammert; schauen wir uns vielmehr seine Argumente für das neue Modell an.
Kirchhof hat sich seitdem einem neuem Thema gewidmet, nämlich der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das von ihm maßgeblich entwickelte Modell einer "Wohnungspauschale", das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist, hat Kirchhof nun gestern ausführlich in einem Interview mit der F.A.Z. verteidigt. Seine Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Systems insgesamt ("nichtkommerzielle Medien sind eine Existenzbedingung des Verfassungsstaates") sei hier einmal ausgeklammert; schauen wir uns vielmehr seine Argumente für das neue Modell an.
Oder halt! Ich habe gerade von "Argumenten" gesprochen; letztlich findet sich bei Kirchhof aber nur ein einziges Argument, das er dann in immer neuen Variationen vorträgt.
In aller Kürze: Man brauche diese spezielle "Form des Entgelts", weil Rundfunk von jedem empfangen werden könne. ("Rundfunk funkt überall herum.") Auch eine Bezahlung für einzelne Programminhalte sei nicht möglich, weil das "nicht kontrollierbar" wäre. Und schließlich sei es auch egal, daß manche Menschen vielleicht gar nicht am Rundfunk interessiert sind, weil ja nicht der einzelne Mensch den Beitrag zahle, sondern der Haushalt (sic!), und dieser besitze "heutzutage immer Möglichkeiten zum Rundfunkempfang". Schließlich komme es auch gar nicht darauf an, ob jemand über eine solche Möglichkeit verfügt; es reicht schon, daß er zu einer Gruppe gehört, in der bestimmte Leistungen "üblicherweise" genutzt werden:
Hätte Kirchhof (oder jemand anders) dieses Argument unmittelbar nach dem II. Weltkrieg, als das heutige System in Deutschland eingeführt wurde, vorgelegt, hätte man ihm auch kaum widersprechen können. Aber obwohl damals wie heute der Satz "Rundfunk funkt überall herum" im wesentlichen in Kraft ist, hat sich doch etwas Entscheidendes geändert. Es gibt inzwischen mit der Verschlüsselung von Programmen eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß nur derjenige, der für bestimmte Inhalte bezahlt hat, dem Herumgefunke ein für ihn sichtbares Fernsehprogramm entnehmen kann.
Herr Kirchhof könnte vielleicht auch einmal irgendwo unter dem Stichwort "Pay-per-view" nachschlagen, um dort zu lernen, daß inzwischen selbst der „Empfang einer konkreten Sendung“ durchaus "kontrollierbar" ist.
Nun ist natürlich nicht ernsthaft damit zu rechnen, daß sich irgendeine politische Kraft freiwillig dafür einsetzt, das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch offiziell zu dem zu machen, was es faktisch seit jeher ist: Pay-TV. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, den Druck auf die Politik zu erhöhen? Immerhin liefert uns Kirchhof einen wichtigen Hinweis. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen eine Gebührenpflicht nicht mehr zu rechtfertigen wäre, sagt er:
Stell dir vor, das ZDF sendet, und niemand guckt hin. Eine schöne Vorstellung.
In aller Kürze: Man brauche diese spezielle "Form des Entgelts", weil Rundfunk von jedem empfangen werden könne. ("Rundfunk funkt überall herum.") Auch eine Bezahlung für einzelne Programminhalte sei nicht möglich, weil das "nicht kontrollierbar" wäre. Und schließlich sei es auch egal, daß manche Menschen vielleicht gar nicht am Rundfunk interessiert sind, weil ja nicht der einzelne Mensch den Beitrag zahle, sondern der Haushalt (sic!), und dieser besitze "heutzutage immer Möglichkeiten zum Rundfunkempfang". Schließlich komme es auch gar nicht darauf an, ob jemand über eine solche Möglichkeit verfügt; es reicht schon, daß er zu einer Gruppe gehört, in der bestimmte Leistungen "üblicherweise" genutzt werden:
Für diese Fälle hat unser Recht den "Beitrag" entwickelt: Belastet werden die Menschen, die eine Leistung üblicherweise nutzen. Das ist vergleichbar einer Kurtaxe, die jeder Urlauber zahlt, auch wenn er nie in den Kurpark geht [...].Und auf einen Satz kondensiert, ist Kirchhofs Argument: Weil es keine Möglichkeit gibt, die Nutzung des Rundfunks individualisiert abzurechnen, brauchen wir einen Beitrag für alle (und das von mir, Kirchhof, entwickelte Modell ist insgesamt das beste).
Hätte Kirchhof (oder jemand anders) dieses Argument unmittelbar nach dem II. Weltkrieg, als das heutige System in Deutschland eingeführt wurde, vorgelegt, hätte man ihm auch kaum widersprechen können. Aber obwohl damals wie heute der Satz "Rundfunk funkt überall herum" im wesentlichen in Kraft ist, hat sich doch etwas Entscheidendes geändert. Es gibt inzwischen mit der Verschlüsselung von Programmen eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß nur derjenige, der für bestimmte Inhalte bezahlt hat, dem Herumgefunke ein für ihn sichtbares Fernsehprogramm entnehmen kann.
Herr Kirchhof könnte vielleicht auch einmal irgendwo unter dem Stichwort "Pay-per-view" nachschlagen, um dort zu lernen, daß inzwischen selbst der „Empfang einer konkreten Sendung“ durchaus "kontrollierbar" ist.
Nun ist natürlich nicht ernsthaft damit zu rechnen, daß sich irgendeine politische Kraft freiwillig dafür einsetzt, das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch offiziell zu dem zu machen, was es faktisch seit jeher ist: Pay-TV. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, den Druck auf die Politik zu erhöhen? Immerhin liefert uns Kirchhof einen wichtigen Hinweis. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen eine Gebührenpflicht nicht mehr zu rechtfertigen wäre, sagt er:
Würde Rundfunk zum Spartenprogramm für eine kleine Gruppe, müsste die Beitragspflicht überprüft werden.Wenn das nicht mal ein interessanter Vorschlag ist. Und es ist gar nicht mal so schwer, den Rundfunk zu einem solchen "Spartenprogramm für eine kleine Gruppe" zu machen. Es müßten nur hinreichend viele, die sich über das jetzige System bloß echauffieren, ihren Worten auch Taten folgen lassen und die öffentlich-rechtlichen Sender schlicht aus ihrem Tuner löschen oder in der Fernbedienung auf die hintersten Plätze verbannen.
Stell dir vor, das ZDF sendet, und niemand guckt hin. Eine schöne Vorstellung.
DrNick
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