18. Januar 2013

Zitat des Tages: "Berlin lässt die Franzosen allein die Kastanien aus dem Feuer holen". Gero von Randow zu Mali

Die eigentliche Bedeutung des Mali-Krieges ist geopolitisch. Eine verschärfte Immigration aus der Region, vor allem nach Frankreich, macht die Sicherheit des Landes zu einem Problem der inneren Sicherheit Europas. (...)

Um so bitterer wird in Paris registriert, dass Deutschlands Reaktion auf den Kriegsausbruch in erster Linie darin bestand, gleich mal klarzustellen, was alles nicht geht. (...) Heute geht es um Europas Interessen – doch Berlin lässt die Franzosen allein die Kastanien aus dem Feuer holen.
Der Pariser Korrespondent der "Zeit", Gero von Randow, gestern in "Zeit-Online".

Kommentar: Von Randows Artikel liefert die klarste und informativste Analyse der politischen Seite der Intervention in Mali, die ich bisher auf deutsch gelesen habe. Ich empfehle die Lektüre sehr.

Von Randow entwickelt eine Analyse so, wie man sie in Deutschland meist vermißt: Auf geopolitischer, auf macht­strate­gischer Ebene; auf der Ebene wirtschaftlicher Interessen.

Dies ist keine "humanitäre Intervention"; sie dient auch nicht der Friedensstiftung, der Friedenssicherung oder der Herbeiführung eines Waffenstillstands; ein Sachverhalt, an dem auch ein nachgerade rührender Appell des deutschen Außenministers nichts ändert (siehe Mali: Befinden sich bereits deutsche Soldaten einer Spezialeinheit im Land?; ZR vom 12. 1. 2013). Es geht darum, die Dschihadisten in Mali so weit zu schwächen, daß sie dort keine sicheren Stützpunkte und Ausbildungslager errichten können; wie einst in Afghanistan.

Denn was wären die Folgen?

Erstens würde ein von Dschihadisten beherrschtes Mali der Ausgangspunkt für eine Destabilisierung Nordafrikas sein, insbesondere Tunesiens und Libyens. In dortigen Lagern könnten zugleich Terroristen für den Einsatz in Europa ausgebildet werden.

Sodann würde ein solches politisches Gebilde die benachbarten Staaten Mauretanien und Niger bedrohen - beide wirtschaftlich wichtig für Frankreich und also die EU; Mauretanien wegen seiner Ölvorkommen, Niger wegen des Uranabbaus.

Hinzu kommt, daß in den umliegenden Staaten zahlreiche französische Staatsbürger leben. Das mag uns Deutsche weniger angehen; aber wie steht es eigentlich mit der Solidarität?

Es ist seltsam:

Wenn es um Wirtschaft, wenn es um den Euro geht, dann gibt es bei Deutschlands Eliten einen breiten Konsens, daß die Integration Europas erhalten, ja verstärkt werden müsse.

Wenn es hingegen um einen militärischen Einsatz geht, dann möchte man in Deutschland am liebsten weggucken und vor sich hinpfeifen.

Nein, das stimmt ja nicht. Unser Außenminister ist - ich habe es schon einmal zitiert - den Franzosen kräftig beige­sprungen, indem er "alle Rebellengruppen" aufforderte, "ihre militärischen Aktivitäten sofort einzustellen".



Gero von Randow ist aus meiner Sicht einer der besten deutschen Journalisten. Ich habe seine Arbeit immer einmal wieder gewürdigt:
Gero von Randow in Tunis. Einige Anmerkungen zur tunesischen Revolution; zu revolutionären Situationen überhaupt; ZR vom 9. 1. 2011

Zitat des Tages: "Mein wahrer Gegner ist die Finanzwelt". Der sozialistische Kandidat François Hollande, trefflich kommentiert von Gero von Randow; ZR vom 3. 2. 2012

Zitat des Tages: "Wird Deutschland jetzt eingekreist? Zerbricht die deutsch-französische Achse?" Der Präsident Hollande und Europa; ZR vom 7. 7. 2012

Zitat des Tages: "Gartenzwergvoltaire". Gero von Randow über die Frage eines Aufführungsverbots für den Mohammed-Film; ZR vom 27. 9. 2012
Zettel



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