26. Januar 2013

Zettels Meckerecke: "Entpersonalisierung des Tötens". Das Gedröhne um die Drohnen

1971 publizierten Paul Dickson und John Rothchild das Buch The Electronic Battlefield, das elektronische Schlachtfeld. Die letzte Auflage erschien im Juni vergangenen Jahres. Die Autoren schildern, ausgehend von den Erfahrungen des Vietnamkriegs, wie elektronisch gesteuerte Waffensysteme immer mehr das Geschehen auf dem Schlachtfeld bestimmen und menschliches Handeln ersetzen. Diese Entwicklung hat jetzt zum zunehmenden Einsatz von unbemannten Flugzeugen geführt, Drohnen genannt.

Diese ferngesteuerten Flugzeuge werden zur Aufklärung eingesetzt, inzwischen auch als Kampfmittel. Nun hat die Bundesregierung angekündigt, Drohnen für die Bundeswehr anzuschaffen.

Diese Auskunft gab die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke"; und wie man sich denken kann, wollte diese das nur wissen, um es denunzieren zu können. Der "Tagesspiegel" gestern:
... der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Paul Schäfer, ist gegen das Regierungsvorhaben. Die Anschaffung von Drohnen bedeute eine zunehmende "Robotisierung der Kriegsführung". Es sei absurd anzunehmen, der Einsatz unbemannter Waffen mache Kampfeinsätze humaner. "Deswegen ist es richtig, hier früh auf die Bremse zu treten", sagte Schäfer dem Tagesspiegel.
Es ist absurd, anzunehmen, daß die Robotisierung der Kriegsführung aufgehalten werden kann. Seit der Erfindung des Flitzebogens wurde immer das an Technologie für militärische Zwecke eingesetzt, was verfügbar war.

Und es ist absurd, anzunehmen, daß die Weiterentwicklung von Waffen und die Einführung neuer Waffensysteme der "Humanisierung der Kriegsführung" dient.

Wie "human" das nun einmal seinem Wesen nach inhumane Töten und Verstümmeln von Menschen im Krieg gemacht werden kann, hängt von der Entwicklung des Völkerrechts ab, des Kriegsrechts, von internationalen Vereinbarungen. Nicht davon, welche Waffen zur Verfügung stehen.

Leider ist die Kriegsführung im Zeitalter der asymmetrischen Kriege, in denen Terroristen wahllos Zivilisten töten, nicht humaner geworden, sondern immer inhumaner. Mit der Art der Waffen hat das nichts zu tun. Zu den Spezialitäten des irakischen Kaida-Terroristen Al Zarqawi gehörte es, Gefangenen mit einem Messer langsam den Kopf abzuschneiden; mit Videoaufnahme. Die Humanität mit Füßen treten kann man mit den einfachsten Waffen.



Der Einsatz von Drohnen wirft völkerrechtliche Fragen auf; zum Beispiel ist unklar, ob ein Zivilist, der eine Drohne steuert, Kombattantenstatus hat. Aber daß es weniger human sein soll, aus einem unbemannten Flugzeug heraus Menschen zu töten als aus einem bemannten heraus, ist rational nicht begründbar.

Der Partei "Die Linke" wird man nicht Unrecht tun, wenn man unterstellt, daß es ihr um eine Schwächung der Kampfkraft der Bundeswehr geht. Was aber veranlaßt Vertreter der Kirchen, sich in diese militärpolitische Debatte einzuschalten? Die FAZ:
... hatten Repräsentanten der christlichen Kirchen den Einsatz bewaffneter Drohnen als problematisch eingeschätzt. Am Freitag erneuerte der Bamberger Erzbischof Schick seine grundsätzliche Kritik an der Anschaffung von waffenbestückten Drohnen. (...) Gegner machen ethische und völkerrechtliche Bedenken geltend. Ihr Einsatz, heißt es, vereinfache das Kriegführen und führe zu einer Entpersonalisierung des Tötens.
Entpersonalisierung des Tötens!

Welche abwegige, realitätsferne Vorstellung von einem Schlachtfeld steckt hinter dieser Kritik! "Personalisiertes Töten" - das ist der Kampf Mann gegen Mann, Ritter gegen Ritter, oder wie?

"Entpersonalisiert getötet" wurde im Krieg immer; zum Beispiel, indem besiegte Städte angezündet und dem Boden gleichgemacht wurden. "Entpersonalisiert" tötet der Artillerist, der ein Geschoß abschießt, ohne die Menschen zu sehen, die es trifft. "Entpersonalisiert" haben die Piloten der Amerikaner und der Royal Air Force getötet, die im Zweiten Weltkrieg Flächenbombardements durchführten. "Entpersonalisiert" tötet jeder Selbstmordattentäter, der sich auf einem Marktplatz oder an einer Bushaltestelle in die Luft sprengt.

Es Drohnen zuzuschreiben, daß sie zu einer "Entperso­nali­sierung des Tötens" führten, zeugt davon, daß hier jemand vor der Realität fest die Augen verschließt.

Abgesehen davon, daß man fragen kann, wieso eigentlich "personalisiertes Töten" humaner oder ethisch akzeptabler sein sollte, ist auch die Voraussetzung falsch, daß Töten mit einer Drohne gegenüber dem Töten aus einem Flugzeug heraus "entpersonalisiert" sei. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Zu den Gesichtspunkten in der Diskussion um Drohnen gehört es nämlich gerade, daß der Operator, der eine Drohne ins Ziel steuert, viel unmittelbarer mit deren Wirkung konfrontiert ist als beispielsweise ein Bomberpilot.

Vor knapp zwei Jahren interviewte "Spiegel-Online" den amerikanischen Politologen P.W. Singer zu diesem Thema. Dieser sagte:
Anfangs bestand die Furcht, dass Drohnenflieger kalt seien, dass sie sich um die Folgen ihres Tuns nicht sorgten, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Sie sorgen sich manchmal sogar fast zu viel. Wir stellen bei den Drohneneinheiten höhere Werte von Gefechtsstress fest als bei manchen Einheiten in Afghanistan. (...)

Traditionelle Bomberpiloten sehen ihr Ziel nicht. Der Drohnenflieger sieht sein Ziel dagegen aus nächster Nähe, und er sieht, was bei der Explosion und danach mit dem Ziel passiert. Du bist physisch weiter entfernt, aber du bekommst mehr mit.
Wenn man schon, warum auch immer, für einen "Personalisierung" des Tötens im Krieg eintritt, dann ist der Drohnenkrieg "personalisierter" als der herkömmliche Bombenkrieg.
Zettel



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