12. Januar 2013

Mali und deutsche Interessenpolitik. Das Beispiel Israel

Gestern hat Präsident Hollande die Entsendung französischen Truppen nach Mali bekanntgegeben. Er hat das damit begründet, daß die malische Regierung um militärische Hilfe gegen die vordringenden "terroristischen Elemente" gebeten habe. Punkt.

Solche militärischen Interventionen Frankreichs in Afrika hat es immer wieder gegeben; zur Wahrung nationaler Interessen in dem ehemaligen französi­schen Kolonialgebiet. Zu dem auch Mali als Französisch-Sudan bis 1960 gehört hatte.

Daß ein Staat Truppen dann und nur dann einsetzt, wenn dies seinem nationalen Interesse dient, ist weltweit eine Selbstverständlichkeit. Auch Präsident Bush und Tony Blair haben die Einsätze im Irak und in Afghanistan so gerechtfertigt.

In Deutschland aber wurde der damalige Bundes­präsident Horst Köhler im Mai 2010 heftig dafür kritisiert, daß er gesagt hatte, es sei "im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ..., um unsere Interessen zu wahren". Die Kritik war derart massiv und auch respektlos, daß Köhler zurücktrat (siehe Es war richtig, daß Horst Köhler zurückgetreten ist; ZR vom 31. 5. 2010).



Und so ist es ja nicht nur in der Militärpolitik. Wenn über den außenpolitischen Kurs der Bundesrepublik debattiert wird, dann ist selten von unseren nationalen Interessen die Rede; umso mehr von Frieden, Verständigung und dergleichen.

Nehmen wir die Diskussion über unser Verhältnis zu Israel. Natürlich ist es durch den Holocaust wesentlich bestimmt; wie könnte das anders sein. Natürlich ist bei negativen Äußerungen zu Israel immer zu bedenken, ob es sich nicht um einen Ausdruck von Antisemitismus handelt (siehe Augstein Antisemit? Wen intereressiert's? Aber die Ressentiments, die in dieser Diskussion hochkommen, sind schon bemerkenswert; ZR vom 3. 1. 2013).

Aber wenn jeder eilfertig versichert, er sei ein "Freund Israels", dann ist das ein wenig verläßliches Fundament für eine rationale Außenpolitik. Eine positive Haltung gegenüber Israel liegt schlicht im deutschen Interesse.

Darauf hat heute Cora Stephan in einem ausgezeichneten Artikel in der "Welt" aufmerksam gemacht; Titel "Aus deutscher Sicht genügt pures Eigeninteresse". Über die von deutschen "Freunden Israels" so gern propagierte "Zweistaatenlösung" schreibt sie:
Sie gilt als Fortschritt gegenüber der Forderung nach Rückkehrrecht für alle Palästinenser, was angesichts ihrer erdrückenden Mehrheit in Windeseile dafür sorgen würde, dass Israel weder ein Judenstaat noch eine westliche Demokratie bliebe.
Nun besteht aber inzwischen die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, daß die Hamas auch im Westjordanland zu einer führenden, vielleicht bald der einzig führenden politischen Kraft wird (siehe Die Hamas auf dem Weg zur Machtbeteiligung im Westjordanland; ZR vom 14. 12. 2012). Cora Stephan über die dann entstehende Lage:
Mithilfe islamistischer Streiter aus dem Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten wird das strategisch geschwächte Rumpf-Israel in die Enge getrieben. Denn die Hamas wäre damit so nahe gerückt, dass sie nicht nur den internationalen Flughafen kontrollieren, sondern auch jede Ecke des übrig gebliebenen Israels bombardieren könnte.

Und dann? Wir brauchen in Deutschland kein "besonderes Verhältnis" zu Israel und auch nicht die Beschwörung des Holocaust, es reichte im Grunde das pure Eigeninteresse: das Interesse daran, im Nahen Osten nicht die letzte Bastion von westlicher Moderne, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu verlieren.
Das wäre eine rationale, an unseren Interessen orientierte Außenpolitik. Und nicht das Ziel, "Islam und Demokratie zu vereinen", wie dies vor einem Jahr der deutsche Außenminister dargelegt hat (siehe Guido Westerwelle und "demokratisch-islamische Parteien"; ZR vom 15. 1. 2012)
Zettel



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