16. März 2007

Überlegungen zur Freiheit (3): Wolfgang Harich und die Öko-Diktatur

Wolfgang Harich (1923 - 1995) war ein Kommunist, der das Denken nicht lassen wollte. Also ging er, nachdem er ein paar Jahre als professorales Wunderkind dem unansehnlichen Ulbricht- Team ein wenig intellektuellen Glanz verliehen hatte, 1956 ins DDR- Gefängnis. Wegen "Bildung einer konspirativen, staatsfeindlichen Gruppe".

Als er 1964 entlassen wurde, war er immer noch ein brillanter Kopf und immer noch ein überzeugter Kommunist. Vom real existierenden Sozialismus freilich hatte er genug.



Was tut ein Kommunist, der vom real existierenden Sozialismus genug hat? Er sucht sich eine neue Utopie. Er sucht vor allem eine neue Rechtfertigung für das, was den Glaubenskern eines Kommunisten ausmacht: Daß die meisten Menschen dumm sind und unfähig, ihr Leben selbst zu bestimmen. Daß ihnen, daß uns - uns beschränkten und uneinsichtigen Menschen - also eine Avantgarde, ein Elite der Erleuchteten, befehlen muß, wie wir zu leben haben.

Diese Rechtfertigung fand Wolfgang Harich in der Ökologie. 1975 erschien sein Buch "Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der 'Club of Rome'"; unter Mitarbeit von Freimut Duve.

Darin propagierte Harich eine Öko-Diktatur, ganz unverblümt. In einem Brief an Freimut Duve schreibt er:
Unserem Programm der Bedürfnisbefriedigung müssen wir, mit dem Vorsatz, es in ökologisch verantwortbaren Grenzen zu halten, eine differenzierende kritische Bestandsaufnahme all der Bedürfnisse vorausschicken, die sich im Verlauf des Geschichtsprozesses beim Menschen herausgebildet haben (...) Wobei es dann selektiv zu unterscheiden gilt zwischen solchen Bedürfnissen, die beizubehalten, als Kulturerbe zu pflegen, ja gegebenenfalls erst zu erwecken bzw. noch zu steigern sind, und anderen, die den Menschen abzugewöhnen sein werden - soweit möglich, mittels Umerziehung und aufklärender Überzeugung, doch, falls nötig, auch durch rigorose Unterdrückungsmaßnahmen, etwa durch Stillegung ganzer Produktionszweige, begleitet von gesetzlich verfügten Massen- Entziehungskuren. (...)

Daß ich deren politische Omnipotenz [die der DDR-Führung], wie überhaupt die autoritären Strukturen unseres Systems, für überlebensnotwendig erkläre, kann ihr (...) nur recht sein. (...) Mit Pluralismus, mit dem Ruf nach mehr Freiheit u. dgl. habe ich offensichtlich nichts im Sinn; ganz im Gegenteil. (Hervorhebung und Zusatz in "[...]" von Zettel).
Und in einem späteren Brief an Duve heißt es:
Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kann gegen den unvermeidlichen Widerstand der Bourgeoisie nur durch despotische Eingriffe in das Eigentumsrecht erzwungen werden, zu denen allein eine sich auf das Proletariat stützende revolutionäre Diktatur imstande ist. (...) Ich erinnere Sie an die zu unterdrückenden natur- und gesellschaftsfeindlichen Bedürfnisse, auf die ich mich oben, in meiner Brieffortsetzung vom 29. April, bezogen habe. Wie will der politische Pluralismus damit erst fertig werden, nachdem er sich bereits als unfähig erwiesen hat, irgendwo auf der Welt die Macht des Kapitals zu brechen?




Als Harich 1975 seine Idee einer kommunistischen Öko-Diktatur publizierte, gab es die Partei "Die Grünen" noch nicht.

Als sie 1980 gegründet wurde, war sie ein buntes Häuflein von Alternativen aller Couleur, von bürgerlichen Öko-Besorgten wie Herbert Gruhl, von Reformbewegten, von Grasverwurzelten, von Erzkonservativen wie dem ersten Öko-Bauern Baldur Springmann, der im bestickten Bauernkittelchen vor die Kameras zu treten pflegte.

Bunt und alternativ war man, - also freiheitlich, antiautoritär, ja nachgerade libertär. Diese Partei trat und tritt für sexuelle Freiheit ein; eines ihrer wichtigsten Projekte in der Zeit der rotgrünen Regierung war das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft. 1993 fusionierte diese Partei mit dem DDR-"Bündnis 90", der wichtigsten Bewegung für Bürger­rechte, für die Freiheit des Einzelnen.



Eine Partei des Individualismus also, eine Partei der Freiheit, die eigentlich liberale Partei, wie oft geschrieben wurde?

Nein. Längst nicht mehr. In den achtziger Jahren gab es ja den Entrismus der mit ihren "Parteien" gescheiterten Maoisten, der "Straßenkämpfer" Frankfurter Zuschnitts. Die Partei der Grünen hat sich seither verändert, wie keine deutsche Partei sich jemals verändert hat; und das in gerade mal einem guten Vierteljahrhundert.

Es ist eine Partei geworden, in der mindestens so brutal um die Macht gekämpft wird wie in jeder der "Altparteien". Es ist eine Partei geworden, in der - zumal unter der heimlichen Führung durch den Machiavellisten Josef Fischer - so wenig prinzipientreu, so taktierend, so unehrlich agiert wird wie in nur irgendeiner Partei.

Nun ja, insofern business as usual. Aber es wird, scheint mir, schlimmer:

Zunehmend habe ich den Eindruck, daß Wolfgang Harichs Ideen sich in dieser Partei breitmachen. Nicht in der radikalen, konsequenten Form, daß man nun gleich den demokratischen Rechtsstaat abschaffen und durch "rigorose Unterdrückungsmaßnahmen" die Leute ökologisch Mores lehren will, wie das dem Kommunisten Harich vorschwebte. Das nicht.

Aber uns Bürger erziehen, uns per Staat verordnen, wie wir uns zu verhalten haben - das schon.



Im zweiten Teil dieser Serie hatte ich, sarkastisch gemeint, allerlei aufgeführt, was man doch gleich auch verbieten könnte, wenn man erst mal mit der Glühbirne anfängt. Als ein Beispiel habe ich Stand-by-Schaltungen genannt. Es sollte halt möglichst absurd sein.

Hier der Anfang einer Meldung, die vorgestern durch die Presse ging, gelesen im Hamburger Abendblatt:
Renate Künast fordert Verbot von Stand-by

Zur Verringerung des Stromverbrauchs hat Grünen-Fraktionschefin Renate Künast für ein Verbot von Stand-by-Schaltern an Elektrogeräten plädiert. "Wir sollten die Stand-by-Schalter abschaffen und ein Datum festlegen, von dem an keine Geräte mehr mit einer solchen Schaltung verkauft werden dürfen", sagte Künast dem "Mannheimer Morgen".



Die Realsatire übertrifft mal wieder jeden Sarkasmus. Und wie reagieren wir, die Freien Bürger?

Die Unverschämtheit einer Politikerin, uns von Staats wegen vorschreiben zu wollen, ob wir ein Gerät der Unterhaltungselektronik im Stand-by-Status laufen lassen oder ganz vom Netz nehmen, hätte, so vermute ich, noch vor wenigen Jahren Empörung ausgelöst.

Jetzt noch nicht mal mehr ein Kopfschütteln. Jedenfalls, soweit ich das in den Medien verfolgt habe.



Wer weiß, vielleicht werden die Grünen der Zukunft ja Wolfgang Harich noch als einen ihrer Klassiker entdecken.