19. März 2007

"Der SPD-Vorsitzende Beck bekräftigte seine kategorische Ablehnung des US-Systems" ...

... so leitet die Netzeitung den Absatz einer Meldung ein, die sich mit dem befaßt, was Kurt Beck geäußert hat.

Wie wahr! Wie unfreiwillig wahr freilich; denn natürlich ist mit "System" derjenige Teil des US- Raketenabwehrsystems gemeint, der in Polen und Tschechien errichtet werden soll.



Zu diesem also hat sich Kurt Beck geäußert. Weil ich wissen wollte, was er nun wirklich gemeint hat, habe ich mir die Meldung auf der WebSite der SPD angesehen. Dort heißt es:
Keine neuen Raketen in Europa

Vor einem neuen Rüstungswettlauf hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck gewarnt. "Wir brauchen keine neuen Raketen in Europa", betonte er mit Blick auf das geplante US-Raketenprogramm.

Im Interview mit der Bild-Zeitung (Montagsausgabe) sprach sich der SPD-Vorsitzende gegen die Stationierung neuer Raketen in Europa aus, die nach dem Willen der Vereinigten Staaten Teil ihres Raketenprogramms sein sollen. "Die SPD will keinen neuen Rüstungswettlauf zwischen den USA und Russland auf europäischem Boden", unterstrich Beck und mahnte eine gemeinsame und geschlossene Positionierung Europas hierzu an.


Rüstungswettlauf? Die Fakten zu den 10 - in Worten: zehn - Raketen, die die USA in Osteuropa zum Schutz gegen iranische und nordkoreanische Rakten aufzustellen beabsichtigen, habe ich vor ein paar Wochen hier zusammengestellt:

Als Abwehrwaffe gegen die Hunderte von russischen Mittelstreckenraketen wären sie ein Witz. Sie können gegen diese auch gar nicht eingesetzt werden, weil die Vorwarnzeit zu kurz wäre. Sie sind also eindeutig nicht gegen Rußland gerichtet. Sie bedrohen Rußland nicht, selbst wenn sie in der Weise technisch modifizierbar sind, wie das Torsten Krauel in der Welt beschreibt.

Diese geplanten Abwehrraketen bieten also für Rußland nicht den geringsten Anlaß, ein "Wettrüsten" zu starten. Das weiß vielleicht nicht Kurt Beck, aber die Wehrexperten der SPD wissen es natürlich.

Diese Raketen stören Rußland - so habe ich es in dem verlinkten Beitrag zu zeigen versucht - aus einem ganz anderen Grund:

Wenn in Polen und in Tschechien ein amerikanisches System zur Abwehr von Raketen installiert ist, dann sind diese beiden Länder nicht mehr durch Rußland militärisch erpreßbar. Sie sind gewissermaßen sakrosankt; denn jeder Angriff auf sie wäre ein Angriff auf die USA.

So sieht es auch die polnische Regierung. Torsten Krauel schreibt:
Obwohl die amerikanische Technik womöglich tatsächlich nur einen kleinen Teil der russischen Raketen mit erfassen kann, gibt es auch eine politische Wirkung des neuen Projekts, die Russland missfällt. Der polnische Premierminister, Jaroslaw Kaczynski, hatte sie am 20. Februar angesprochen. „Wir reden hier über den Status Polens und über russische Hoffnungen, Polen möge wieder unter die russische Einflusssphäre kommen“, sagte Premier Kaczynski. "Aber nach der Stationierung einer Abwehrbasis wären die Chancen, einen solchen ungebührlichen Einfluss zu nehmen, auf Jahrzehnte verbaut."


So ist es. Rußland wird durch dieses "System" schon tangiert; nämlich in seinen Ambitionen, das sowjetische Kolonialreich in Osteuropa wiederherzustellen.

Nicht wahr, das sollte eine freiheitliche Partei wie die SPD eigentlich begrüßen?

Aber freilich, da ist Becks "kategorische Ablehnung des US-Systems." There's the rub.

Die SPD steht unter dem doppelten Druck, sich gegen das Abwandern von Wählern zur PDS zu wehren und sich in der Koalition zu profilieren.

Und da ist das Friedensthema immer ein gefundenes Fressen. Viele Wähler werden sich nicht mit den militärstrategischen Details befassen. Sie sehen nur, daß die USA wieder neue Raketen in Europa stationieren wollen.

Da sind sie gegen, weil sie ja für den Frieden sind und gegen Wettrüsten, die Deutschen. Und weil sie gegen den amerikanischen Imperialismus sind, die Deutschen.

Nein, natürlich nicht "die Deutschen". Aber erschreckend viele.

Also kann man bei ihnen punkten, wenn man den Mund gegen Raketen aufreißt, wenn man den Mund gegen die USA aufreißt.

Mit einer "kategorischen Ablehnung des US-Systems", mit der bekanntlich Gerhard Schröder die Bundestagswahlen 2002 gewonnen hat.

Antiamerikanismus, das ist ja inzwischen in Deutschland sozusagen das, was der Antikommunismus zur Zeit Adenauers gewesen war.