9. März 2007

Tod in Peking, Tod in London, Tod in Moskau: Über den Modus Operandi kommunistischer und postkommunistischer Geheimdienste

Um die Jahreswende habe ich hier mehrfach über den mysteriösen Tod des deutschen Studenten Bernhard Wilden in Peking berichtet, der zerschmettert am Fuß eines Hochhauses im Universitätsviertel aufgefunden worden war.

Es gab nicht die geringsten Hinweise auf einen Selbstmord, keinen Abschiedsbrief. Aber Bernhard Wilden, der sehr wahrscheinlich Kontakte zu verbotenen katholischen "Hauskirchen" gehabt hatte, hatte sich in der Zeit vor seinem Tod vom Geheimdienst verfolgt gefühlt und sah sich wenige Tage davor so bedroht, daß er nach Deutschland zurückzukehren versuchte. Einzelheiten hat die Mutter Bernhard Wildens hier zusammengestellt; ich empfehle sehr, das zu lesen.



Nun gibt es einen aktuellen Anlaß, dieses Thema noch einmal aufzugreifen: Der ebenso mysteriöse Tod des Journalisten Iwan Safronow in Moskau, über den gestern der Economist und die St. Petersburg Times weitere Einzelheiten berichtet haben.

In der St. Petersburg Times schreibt Simon Saradzhyan, daß Safronow - Redakteur im Verteidigungs- Ressort der Zeitung Kommersant - an einem Artikel gearbeitet habe, in dem es um russische Waffenverkäufe gegangen sei: Von "Iskander" Boden- Boden- Raketen und SU-30- Jägern an Syrien und von S-300- Luftverteidigungssystemen an den Iran. Die Möglichkeit solcher Lieferungen ist politisch hochbrisant, weil sie gegen Israel eingesetzt werden können.

Wie die "St. Petersburg Times" weiter berichtet, hat Safronow am 27. Februar Kollegen berichtet, daß er eine Warnung erhalten habe - eine Untersuchung seines geplanten Artikels "stehe vor dem Abschluß". Von wem die Warnung gekommen war, sagte er nicht. Man habe ihn jedenfalls davor gewarnt, den Artikel zu publizieren. Er habe sich aber entschlossen, das dennoch zu tun.

Drei Tage später wurde er zerschmettert im Treppenhaus des Hochhauses aufgefunden, in dem er wohnte, in der Uliza Nischegorodskaya.

Wie beim Tod von Bernhard Wilden gibt es keinerlei Hinweise auf einen geplanten Selbstmord. Safronows Familie, seine Freunde, seine Kollegen beschreiben ihn als einen Menschen mit einem breiten Lachen und voller Humor, der keinen Grund hatte, sich das Leben zu nehmen. So, wie Bernhard Wilden als ein gläubiger Katholik beschrieben wird, der mit Erfolg seinem Studium nachging.

Und der Economist berichtet, daß Safronow kurz vor seinem Tod Orangen eingekauft hatte; so, wie Bernhard Wilden vor am Tag vor seinem Tod nichts getan hat, was auf einen geplanten Selbstmord hinweisen würde.



Rußland sei das "zweittödlichste Land für Journalisten" nach dem Irak, zitiert der Economist eine Untersuchung des International News Safety Institute. Was Rußland mit dem Irak und Kolumbien gemeinsam habe, das seien Korruption, Gesetzlosigkeit und eine Kultur der Straflosigkeit für Killer. Kaum einer der 88 Todesfälle von russischen Journalisten allein im vergangenen Jahrzehnt sei auch nur untersucht worden.

Weiter zitiert der Economist Evgenia Albats, Autorin eines Buchs über den KGB, die schreibt, daß der FSB - Nachfolger des KGB - unter Putin eine riesige Macht erlangt und eine Atmosphäre der Angst erzeugt habe. Putin, meint sie, mag nicht persönlich für den Tod der Journalisten verantwortlich sein. Aber er hat die Bedingungen dafür geschaffen, daß sie möglich wurden.



Ende letzten Jahres erschien in der "National Review" ein Artikel von Ion Mihai Pacepa mit dem Titel "The Kremlin’s Killing Ways. A long tradition continues", der damals nicht die verdiente Beachtung gefunden hat.

Pacepa ist ein Insider. Er war zu Zeiten des Sowjet- Regimes einer der höchsten Geheimdienstler in Rumänien; der höchstrangige Geheimdienstler aus dem Sowjet- Imperium, der jemals in den Westen überlief. Er tat das, als er nicht bereit gewesen war, einen Mordauftrag auszuführen, nämlich den Direktor von "Radio Free Europe", Noel Bernard, mittels einer radioaktiven Substanz zu ermorden. Mit derselben Methode also, schreibt Pacepa, mit der der rumänischen Kommunist Gheorghe Gheorghiu- Dej umgebracht wurde, der plötzlich unter denselben Symptomen gestorben war wie Litwinenko.

Pacepa beschreibt im Detail die Politik der Sowjets, ihnen gefährliche ausländische Staatsmänner durch Mord aus der Welt zu schaffen - seit Stalin, der Trotzki ermorden ließ. Er sieht die jetzigen Todesfälle wie den Litwinenkos als Fortsetzung dieser Politik; bis in die Einzelheiten der Methoden hinein. Denn die Zuführung radioaktiver Substanzen, um eine schnelle Form des Krebstodes auszulösen, sei schon vom KGB systematisch eingesetzt worden.



Zurück zum Tod Bernhard Wildens. Der Modus Operandi war derselbe wie bei Safronow. Die Umstände sind ähnlich gewesen - jemand ist unliebsam für ein Regime; er hat kein Motiv für einen Selbstmord; er fühlt sich bedroht; er stürzt aus einem Hochhaus.

Der Versuch also, so scheint es, einen Selbstmord vorzutäuschen. Genauso, wie der Tod Litwinenkos mit denselben Mitteln herbeigeführt worden war wie der Mord an Gheorghe Gheorghiu-Dej.

Parallelen können natürlich zufällig sein, Analogien in die Irre führen. Nur: Wären solche Analogien, solche Parallelen es nicht wert, daß die deutschen Medien, daß auch die deutschen Behörden sich endlich des Todes von Bernhard Wilden annehmen?