Wer öfter einmal die Pariser Métro benutzt, der kennt diese Szenen: Wie man auch ohne Fahrschein auf den Bahnsteig und damit in den Zug gelangt.
Ein Möglichkeit ist, einfach über die Schranke zu springen, die zu öffnen man eigentlich die Fahrkarte einschieben müßte. Oder man wählt den Weg über die Ausgangs- Türen, die sich zwar nur in eine Richtung öffnen, durch die man mit etwas artistischem Geschick aber auch in umgekehrter Richtung kommt, sich drehend und die Tür schiebend. Manchmal lassen sich Einlaßschranken auch mit etwas Kraftaufwand wegschieben, oder man geht zusammen mit jemandem durch, der einen Fahrschein eingeschoben hat.
Meist sind es Jugendliche, die das machen. Viele von ihnen Beurs, Franzosen nordafrikanischer Herkunft, oder andere Einwanderer. Sie machen das ganz offen. Ich habe nie erlebt, daß einer erwischt wurde, und auch nur selten, daß sich andere Passagiere über sie mokierten. Man läßt sie halt. C'est comme ça.
Bei einem einzigen Besuch in Paris habe ich dieses übliche Schauspiel so gut wie nicht erlebt: Das war im Spätsommer 1995, als es einen terroristischen Anschlag auf eine Linie der RER gegeben hatte, der Pariser S-Bahn. Danach hatte man in allen Métro- Stationen Polizisten, CRS- Beamte und auch Soldaten Position beziehen lassen. Nie habe ich mich in der Pariser Métro so sicher gefühlt, und nie habe ich eben auch so wenige von diesen Jugendlichen gesehen, die sich mit Springen, Drehen, Schieben die Schwarzfahrt besorgen.
Vergangenen Dienstag nun hat ein solcher Schwarzfahrer das Pech gehabt, in der Métro- Station Gare du Nord beim Springen über die Schranke von Kontrolleuren erwischt zu werden. Als sie diesen 33-Jährigen anhielten, begann er auf sie einzuschlagen. Zufällig, oder auch nicht zufällig, waren Gendarmen in der Nähe, die den jungen Mann festnahmen, wobei sie ihm unter Anwendung unmittelbaren Zwangs Handschellen anlegten.
Einige Dutzend Zeugen des Vorfalls, darunter viele andere junge Leute, versammelten sich daraufhin vor dem Büro der RATP (der Pariser Verkehrsbetriebe) in das der Festgenommene zunächst verbracht worden war, bevor man ihn zur nächsten Polizeiwache brachte.
Sie begannen Flaschen und andere Gegenstände zu werfen. Dann wurden Scheiben der Geschäfte in der U-Bahn- Station eingeschlagen, und man versuchte einen Brand zu legen; es sollen auch Waren aus Auslagen entwendet worden sein. Andere kamen dazu, so daß am Ende vielleicht hundert Randalierer versammelt waren.
Nach Polizeiangaben gehörten die Täter zu den marginaux habitués de l'endroit, also der örtlichen Randszene, wie sie sich oft um einen Bahnhof herum einrichtet. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas, wovon auch friedliche Fahrgäste betroffen wurden. Die U-Bahn-Station wurde deshalb vorübergehend geschlossen. Nach ein paar Stunden war der Spuk vorbei.
Soweit die Fakten, wie man sie "Le Monde" entnehmen kann.
Und wie berichtet die deutsche Presse darüber? "Straßenschlachten - Frankreichs Jugend randaliert wieder" titelt das "Handelsblatt". "Mit Tränengas gegen Pariser Jugend" heißt es in der "Kölnischen Rundschau". "Anarchie auf dem Pariser Nordbahnhof" meldet heute die "Westdeutsche Allgemeine".
"Frankreichs Jugend" randaliert? "Anarchie" herrscht auf dem Pariser Nordbahnhof, weil vielleicht hundert Leute aus der Szene rund um einen Bahnhof ein paar Flaschen geworfen haben; nicht im Nordbahnhof, sondern in der U-Bahn-Station gleichen Namens?
Warum diese nachgerade absurden Übertreibungen selbst in der seriösen Presse?
Ich weiß es nicht. Die Journalisten, die so etwas schreiben, werden ja schnell durch die Wirklichkeit widerlegt. Vielleicht glauben sie aber wirklich an ihre Übertreibungen. Oder sie möchten gern daran glauben; weil's der Auflage dient.
Oder sie sind darauf hereingefallen, daß natürlich die französischen Wahlkämpfer den Vorfall aufgeplustert haben; je nach Couleur um ihre Unterstützung für die Polizei zu deklarieren oder um sich über ein Gesellschaft zu empören, in der Derartiges möglich ist.
Den Vogel hat mal wieder die Kandidatin der Kommunisten, die "liebe Freundin" Oskar Lafontaines, Marie-George Buffet, abgeschossen:
Nun gut, das ist die Kommunistin Buffet. Aber wie kommen die Journalisten des "Handelsblatts", der "Westdeutschen Allgemeinen" dazu, aus einer in einer U-Bahn- Station herumschwirrenden Fliege einen durch Frankreich trampelnden Elefanten zu machen?
Ein Möglichkeit ist, einfach über die Schranke zu springen, die zu öffnen man eigentlich die Fahrkarte einschieben müßte. Oder man wählt den Weg über die Ausgangs- Türen, die sich zwar nur in eine Richtung öffnen, durch die man mit etwas artistischem Geschick aber auch in umgekehrter Richtung kommt, sich drehend und die Tür schiebend. Manchmal lassen sich Einlaßschranken auch mit etwas Kraftaufwand wegschieben, oder man geht zusammen mit jemandem durch, der einen Fahrschein eingeschoben hat.
Meist sind es Jugendliche, die das machen. Viele von ihnen Beurs, Franzosen nordafrikanischer Herkunft, oder andere Einwanderer. Sie machen das ganz offen. Ich habe nie erlebt, daß einer erwischt wurde, und auch nur selten, daß sich andere Passagiere über sie mokierten. Man läßt sie halt. C'est comme ça.
Bei einem einzigen Besuch in Paris habe ich dieses übliche Schauspiel so gut wie nicht erlebt: Das war im Spätsommer 1995, als es einen terroristischen Anschlag auf eine Linie der RER gegeben hatte, der Pariser S-Bahn. Danach hatte man in allen Métro- Stationen Polizisten, CRS- Beamte und auch Soldaten Position beziehen lassen. Nie habe ich mich in der Pariser Métro so sicher gefühlt, und nie habe ich eben auch so wenige von diesen Jugendlichen gesehen, die sich mit Springen, Drehen, Schieben die Schwarzfahrt besorgen.
Vergangenen Dienstag nun hat ein solcher Schwarzfahrer das Pech gehabt, in der Métro- Station Gare du Nord beim Springen über die Schranke von Kontrolleuren erwischt zu werden. Als sie diesen 33-Jährigen anhielten, begann er auf sie einzuschlagen. Zufällig, oder auch nicht zufällig, waren Gendarmen in der Nähe, die den jungen Mann festnahmen, wobei sie ihm unter Anwendung unmittelbaren Zwangs Handschellen anlegten.
Einige Dutzend Zeugen des Vorfalls, darunter viele andere junge Leute, versammelten sich daraufhin vor dem Büro der RATP (der Pariser Verkehrsbetriebe) in das der Festgenommene zunächst verbracht worden war, bevor man ihn zur nächsten Polizeiwache brachte.
Sie begannen Flaschen und andere Gegenstände zu werfen. Dann wurden Scheiben der Geschäfte in der U-Bahn- Station eingeschlagen, und man versuchte einen Brand zu legen; es sollen auch Waren aus Auslagen entwendet worden sein. Andere kamen dazu, so daß am Ende vielleicht hundert Randalierer versammelt waren.
Nach Polizeiangaben gehörten die Täter zu den marginaux habitués de l'endroit, also der örtlichen Randszene, wie sie sich oft um einen Bahnhof herum einrichtet. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas, wovon auch friedliche Fahrgäste betroffen wurden. Die U-Bahn-Station wurde deshalb vorübergehend geschlossen. Nach ein paar Stunden war der Spuk vorbei.
Soweit die Fakten, wie man sie "Le Monde" entnehmen kann.
Und wie berichtet die deutsche Presse darüber? "Straßenschlachten - Frankreichs Jugend randaliert wieder" titelt das "Handelsblatt". "Mit Tränengas gegen Pariser Jugend" heißt es in der "Kölnischen Rundschau". "Anarchie auf dem Pariser Nordbahnhof" meldet heute die "Westdeutsche Allgemeine".
"Frankreichs Jugend" randaliert? "Anarchie" herrscht auf dem Pariser Nordbahnhof, weil vielleicht hundert Leute aus der Szene rund um einen Bahnhof ein paar Flaschen geworfen haben; nicht im Nordbahnhof, sondern in der U-Bahn-Station gleichen Namens?
Warum diese nachgerade absurden Übertreibungen selbst in der seriösen Presse?
Ich weiß es nicht. Die Journalisten, die so etwas schreiben, werden ja schnell durch die Wirklichkeit widerlegt. Vielleicht glauben sie aber wirklich an ihre Übertreibungen. Oder sie möchten gern daran glauben; weil's der Auflage dient.
Oder sie sind darauf hereingefallen, daß natürlich die französischen Wahlkämpfer den Vorfall aufgeplustert haben; je nach Couleur um ihre Unterstützung für die Polizei zu deklarieren oder um sich über ein Gesellschaft zu empören, in der Derartiges möglich ist.
Den Vogel hat mal wieder die Kandidatin der Kommunisten, die "liebe Freundin" Oskar Lafontaines, Marie-George Buffet, abgeschossen:
"Comment expliquer autrement l'incroyable flambée de violence que par la conséquence directe d'une tension installée depuis plusieurs années par Nicolas Sarkozy ?" a demandé Marie-George Buffet, dans un communiqué dénonçant "l'échec" de la politique du candidat UMP. "Au final, à qui profite ce climat détestable qui oppose une partie de la population à des représentants de l'Etat ?" s'est encore interrogée la candidate communiste.
"Wie soll man dieses unglaubliche Entflammen der Gewalt erklären, wenn nicht als unmittelbare Folge von Spannungen, die seit etlichen Jahren von Nicolas Sarkozy aufgebaut wurden?" fragt Marie-George Buffet in einer Erklärung, die "das Scheitern" der Politik des Kandidaten der UMP verurteilt. "Wem nützt letztendlich dieses verabscheuungswürdige Klima, das einen Teil der Bevölkerung gegen die Repräsentanten des Staats stellt?" fragt die kommunistische Kandidatin.
Nun gut, das ist die Kommunistin Buffet. Aber wie kommen die Journalisten des "Handelsblatts", der "Westdeutschen Allgemeinen" dazu, aus einer in einer U-Bahn- Station herumschwirrenden Fliege einen durch Frankreich trampelnden Elefanten zu machen?