26. März 2007

Von den Menschenrechten zum Sozialismus: Was wirklich im Bericht des Sonderberichterstatters Muñoz steht

Verstößt ein dreigliedriges Schul- System gegen die Menschenrechte? Verstößt es gegen die Menschenrechte, wenn in einem Bundesstaat wie Deutschland die einzelnen Bundesländer ihr Schulwesen nicht einheitlich gestalten?

Bisher bin ich nicht auf den Gedanken gekommen, daß das Verletzungen von Menschenrechten sein könnten. Aber nun bin ich nachdenklich geworden.

Denn diese beiden Merkmale des deutschen Schulwesens sind als als Verletzungen der Menschenrechte kritisiert worden.



Sie sind nicht von irgendeinem Privatmann kritisiert worden, sondern von einem Sonder- Berichterstatter der Vereinten Nationen. Genauer: Von Vernor Muñoz, "Special Rapporteur" der UNO- Kommission für Menschenrechte, der vor einem Jahr für knapp zwei Wochen (vom 13. bis 21. Februar) Deutschland besucht hatte.

Jetzt liegt sein Bericht vor.

Inzwischen nicht mehr an die UNO- Kommission für Menschenrechte, die mit der Mitgliedschaft von Ländern wie China, Vietnam, Kuba, Saudi-Arabien, Nigeria, Libyen, Syrien, dem Sudan und Simbabwe eine doch ein wenig seltsame Versammlung von Garanten der Menschenrechte gewesen war. (Eine Mitgliederliste findet man hier). Sondern an ihre Nachfolgeorganisation, den Rat für Menschenrechte, bei dessen Zusammensetzung die schlimmsten Verletzer der Menschenrechte künftig außen vor bleiben sollen.

Der Bericht des Sonder- Berichterstatters Muñoz ist hier zu finden (Dokument A/HRC/4/29/Add.3, als PDF-Datei herunterladbar).



Wenn man die folgenden Auszüge liest, sollte man sich vor Augen halten, daß dieser Special Rapporteur kein Pädagoge ist, sondern Jurist. Und daß er nicht den Auftrag hatte, zu beurteilen, wie gut das deutsche Bildungssystem ist, sondern allein, ob es mit den Menschenrechten vereinbar ist. Auszüge (Übersetzungen von Zettel):

Aus der Zusammenfassung:
The Special Rapporteur urges the Government to reconsider the multitrack school system, which is selective and could lead to a form of de facto discrimination. Indeed, the Special Rapporteur believes that the classification process which takes place at lower secondary level (average age of students is 10, depending on each Land’s regulation) does not assess students in an adequate manner and instead of being inclusive, is exclusive; since he could verify during the visit that, for example, poor and migrant children - as well as children with disabilities - are negatively affected by the classification system.

Der Sonder- Berichterstatter drängt darauf, daß die Regierung das mehrgliedrige Schulsystem auf den Prüfstand stellt, das selektiv ist und zu einer De- facto- Diskriminierung führen könnte. In der Tat ist der Sonder- Berichterstatter der Auffassung, daß der Klassifikations- Prozeß, der zur Sekundarstufe I stattfindet (das Durchschnittsalter der Schüler ist 10 Jahre, je nach den Bestimmungen in den einzelnen Ländern), die Schüler nicht angemessen beurteilt. Statt inklusiv zu sein, ist es exklusiv; denn er konnte sich während seines Besuchs davon überzeugen, daß zum Beispiel arme Kinder und Kinder von Migranten - so wie auch Kinder mit Behinderungen - durch dieses Klassifikationssystem benachteiligt werden.

Aus Abschnitt 40 des Berichts:
...the Special Rapporteur noted that despite governmental efforts to reinforce and strengthen language teaching, the results seem to be below expectations. In his view the problem lies with the fact that German is taught as a second language to children who speak another language at home but teachers often use the same methodology they use to teach German speaking students.

Der Sonder- Berichterstatter stellte fest, daß trotz Bemühungen der Regierung, den Sprach- Unterricht zu erweitern und zu stärken, die Ergebnisse offenbar unter den Erwartungen liegen. Seines Erachtens liegt das Problem in dem Umstand, daß Deutsch Kindern als zweite Sprache gelehrt wird, die zu Hause eine andere Sprache sprechen, daß aber die Lehrer oft dieselbe Methodik verwenden, die sie benutzen, um deutschsprachige Kinder zu unterrichten.
Aus Abschnitt 46 des Berichts:
The discrepancies between the educational systems operating in the different Länder (some of which follow a two-track, and others even a three-track, system) could be considered a matter of a range of choices. In practice, however, the lack of uniformity can cause difficulties for pupils whose families have to move home, for example. There would seem to be problems in ensuring that educational opportunities are provided in a uniform manner, given that the availability of education depends on the place where pupils and their families actually live.

Die Unterschiede zwischen den Schulsystemen, die in den einzelnen Ländern gelten (von denen einige ein zweigliedriges und andere gar ein dreigliedriges System haben), könnten als eine Frage der Breite der Auswahlmöglichkeiten gesehen werden. In der Praxis kann jedoch der Mangel an Einheitlichkeit zu Schwierigkeiten für Schüler führen, deren Eltern beispielsweise umziehen müssen. Es dürfte wohl Schwierigkeiten dabei geben, sicherzustellen, daß die schulischen Möglichkeiten in gleicher Weise angeboten werden, denn das, was schulisch angeboten wird, hängt davon ab, wo die Schüler und ihre Eltern nun einmal wohnen.
Aus Abschnitt 49 des Berichts:
The Special Rapporteur notes that the successful reform of the German ducation system as a whole presupposes both reforms of content and structure. Seven priorities should be highlighted:
(1) move from a selective education system to a system which supports the individual and focuses on the person’s specific learning abilities;

(2) schools should be more independent, meaning that schools should be flexible and autonomous in the use of fundings, recruitment of teachers and implementation of central objectives;

(3) improve education contents and methods, especially through systematic language training for migrants, strengthening reading skills, and introduction of new media;

(4) strengthen democratic school culture by giving the child more autonomy and the possibility for children to use their competencies;

(5) structures should give anyone a chance to develop his and her own potential, through strengthened kindergarten opportunities, introduction of full-day schools, and abandoning the multi-track school system. Regarding the latter, it should be noted that - despite successful foreign examples of one school system for all pupils which allows children to learn together for a longer period of time thus encouraging all children to reach better results - the discussion of the multi-track system, which appears extremely selective to the Special Rapporteur, seems to trigger great anxiety and resistance, especially anxiety over the loss of privilege for those who benefit most from the current system;

(6) a different training for teachers who should not only be specialized in their teaching field but also at the pedagogical level;

(7) greater investments and funds for early-childhood support, for which funds should be better invested and distributed.
Der Sonder- Berichterstatter stellt fest, daß die erfolgreiche Reform des gesamten deutschen Schulsystems Reformen sowohl der Inhalte als auch der Struktur voraussetzt. Sieben Prioritäten sollten hervorgehoben werden:
(1) Statt eines selektiven Schulsystems ein System, das das Individuelle unterstützt und sich auf die spezifischen Lernfähigkeiten des Einzelnen ausrichtet;

(2) die Schulen sollten unabhängiger sein, das heißt die Schulen sollten flexibler und autonomer bei dem Einsatz ihrer Mittel, beim Einstellen von Lehrern und bei der Durchsetzung der wichtigsten Ziele sein;

(3) eine Verbesserung der schulischen Methoden und Inhalte, vor allem durch systematischen Sprachunterricht für Migranten, die Verbesserung der Lesefähigkeit und die Einführung neuer Medien;

(4) eine Stärkung der demokratischen Kultur in den Schulen dadurch, daß den Kindern mehr Autonomie gewährt wird und durch die Möglichkeit, daß die Kinder ihre Kompetenzen nutzen;

(5) die Strukturen sollten allen die Möglichkeit geben, sein/ihr Potential zu entwickeln, und zwar durch eine Stärkung der Chancen im Kindergarten, durch die Einrichtung von Ganztagsschulen und durch die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems. Was das Letzere angeht, ist darauf hinzuweisen, daß - trotz erfolgreicher ausländischer Beispiele eines gemeinsamen Schulsystems für alle Schüler, das es den Kindern ermöglicht, lange Zeit gemeinsam zu lernen, was alle Kinder ermutigt, bessere Ergebnisse zu erzielen - die Erörterung des mehrgliedrigen Systems, welches dem Sonder- Berichterstatter extrem selektiv erscheint, große Ängste und Widerstand auslöst, vor allem bei denjenigen, die von dem jetzigen System profitieren;

(6) eine andere Ausbildung der Lehrer, die nicht nur in ihrem Fachbereich spezialisiert sein sollten, sondern auch auf der pädagogischen Ebene;

(7) größere Investititionen und Mittel für Unterstützung in der frühen Kindheit, wofür die Mittel besser investiert und verteilt werden sollten.



Soweit einige Auszüge. Ich empfehle, den gesamten Bericht zu lesen, damit man versteht, was hier vor sich geht: Der Versuch, unter dem Vorwand des Schutzes der Menschenrechte den Sozialismus im Bildungswesen als internationalen Standard zu verankern.



Vieles von dem, was Muñoz schreibt, kann man nachvollziehen. Nichts davon ist ja neu. Wenn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zustimmt, dann ist das vollkommen legitim. Der Bericht entwirft halt ein linkes, egalitäres Bildungskonzept. Eines von vielen möglichen, von vielen, die selbstverständlich gleichberechtigt sind.

Nur äußert sich Muñoz eben nicht als ein Bildungspolitiker, der er nicht ist. Er schreibt seinen Bericht als ein Jurist, der vom Rat für Menschenrechte beauftragt wurde, zu untersuchen, ob das deutsche Schulsystem gegen die Menschenrechte verstößt.

Vernünftigerweise kann man seine Ratschläge also nur so interpretieren, daß ohne ihre Befolgung Deutschland gegen die Menschenrechte verstieße.

Und hier liegt der Skandal: Eine bestimmte ideologische Vorstellung davon, wie ein Schulsystem beschaffen zu sein habe - inclusive, also egalitär - wird als allein vereinbar mit den Menschenrechten deklariert.

Die UNO in Gestalt ihres Rats für Menschenrechte, in Gestalt von dessen Sonder- Berichterstatter, nimmt für sich in Anspruch, eine sozialistische Gesellschaft vorzuschreiben, als die einzige, die mit den Menschenrechten vereinbar ist.

Mit anderen Worten: Die Menschenrechte werden radikal uminterpretiert.



Sie waren und sind Rechte, die das Individuum gegen den Staat hat. Man sehe sich den Grundrechts- Katalog des Grundgesetzes an.

Da wird festgelegt, daß der Staat die Würde des Menschen nicht antasten darf. Daß jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. Daß er das Recht auf Leben, Unversehrtheit, Freiheit hat. Daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Daß niemand benachteiligt werden darf.

Und so fort. Die Menschenrechte sind Rechte, die der Mensch gegen seine Obrigkeit hat.



Was die UNO-Bürokratie aber versucht, das ist eine Umfunktionierung der Menschenrechte: Statt daß sie den Einzelnen gegen den Staat schützen, sollen sie den Staat zwingen, Fürsorge gegenüber dem Einzelnen walten zu lassen. Und zwar Fürsorge im Sinn der Gleichmacherei, des inclusive.

Es ist nichts anders, als Freiheitsrechte zu mißbrauchen, um den Sozialismus durchzusetzen.