Die Franzosen verzeihen ihren Politikern fast alles, nur eines nicht: Intellektuelle Defizite, Mangel an Wissen. Das hat wesentlich zu dem Einbruch in den Umfragen geführt, den Ségolène Royal seit Beginn des Jahres erlebt hat.
Sie hat sich eine gaffe nach der anderen geleistet, Schnitzer nach Schnitzer. Mal wußte sie nicht, wieviele Atom-U-Boote Frankreich hat. Mal trat sie in Kanada für die Souveränität Québecs ein. Mal lobte sie in China die dortige Regierung für die Schnelligkeit ihrer Justiz.
Es gibt schon Blogs, die sich liebevoll diesen "Ségolènades" widmen. Die Redepassagen boshaft festhalten wie diese:
So jemanden können sich viele Franzosen nicht als Nachfolgerin der illustren Reihe von Präsidenten der Fünften Republik vorstellen - Intellektuelle allesamt; manche - wie de Gaulle, Giscard d'Estaing, Mitterand - herausragende Intellektuelle.
Der französische Präsident ist ein Monarch auf Zeit; so hatte de Gaulle das konzipiert. Über einen Monarchen darf man schimpfen; aber man darf ihn nicht auslachen.
François Bayrou hat diese Schwäche von Ségolène Royal gnadenlos ausgenutzt. Beispielsweise, indem er im Februar angekündigt hat, er könne als Präsident einen Premierminister aus der Linken ernennen.
Die Folge war - neben anderen Gründen - der steile Aufstieg Bayrous in den Umfragen, der als "Phänomen Bayrou" die Vermutung begründete, Bayrou könne am Ende der nächste Präsident Frankreichs werden.
Ich bin da - trotz meiner Sympathien für Bayrou - immer sehr skeptisch gewesen. Und zwar aus drei Gründen.
Zwei habe ich hier genannt: Weil Bayrou mit seiner liberalen, marktwirtschaftlichen Haltung in dem traditionell antiliberalen, etatistischen Frankreich keine Mehrheit hat. Und weil zweitens die französische Wählerschaft in aus tiefer Überzeugung linke und aus tiefer Überzeugung rechte Wähler zerfällt.
Einen dritten Grund habe ich hier erwähnt: Je mehr die Umfragewerte für Bayrou steigen, umso mehr wird sich die ganze Linke - auch die extreme - um Royal scharen. Man will es nicht riskieren, noch einmal, wie vor fünf Jahren, den sozialistischen Kandidaten schon im ersten Wahlgang zu verlieren. Das vote utile, die nützliche Stimmabgabe, wird diesmal schon im ersten Wahlgang erfolgen.
Zwischenzeitlich sah es aus, als könne Bayrou zu Royal aufholen. Aber die genannten Faktoren scheinen jetzt doch die Oberhand zu gewinnen.
Das zeigen die aktuellen Umfragen. Bei allen Instituten ist der Aufwärtstrend von Bayrou gebrochen; teilweise geht es sogar seit ein, zwei Wochen abwärts. Inzwischen liegt wieder ein deutlicher Abstand zwischen Royal und Bayrou.
Das liegt, wie Le Monde meldet, daran, daß linke Wähler sich wieder von Bayrou abkehren.
Die alten Bindungen an die Linke sind halt doch stärker als der vorübergehende Ärger über die gaffes von Ségolène. Im aktuellen "Nouvel Observateur" hat das dessen Herausgeber, Jean Daniel, treffend formuliert:
Anders gesagt: Viele Wähler der Linken hatten mit Ségolène so etwas wie einen Ehekrach. Sie waren enttäuscht von ihr, sie haben sie vermutlich auch verachtet, wegen ihrer eben für Franzosen unverzeihlichen gaffes. Sie haben geschmollt und mit Bayrou geliebäugelt.
Aber jetzt, wo es ernst wird, zerfällt Frankreich wieder in die Rechte und die Linke, so wie es immer war.
Ich war mir kurzzeitig unsicher gewesen, ob ich mit meiner Beurteilung nicht vielleicht doch falsch liege, und ob Gudrun Eussner die Lage nicht richtiger beurteilt. Im Augenblick denke ich eher wieder, daß meine Analyse doch ziemlich nah an der Wirklichkeit sein könnte.
Aber es sind ja noch gut vier Wochen. Und wie hat Arno Schmidt gesagt: "Die Welt ist groß genug, daß wir alle darin Unrecht haben können".
Sie hat sich eine gaffe nach der anderen geleistet, Schnitzer nach Schnitzer. Mal wußte sie nicht, wieviele Atom-U-Boote Frankreich hat. Mal trat sie in Kanada für die Souveränität Québecs ein. Mal lobte sie in China die dortige Regierung für die Schnelligkeit ihrer Justiz.
Es gibt schon Blogs, die sich liebevoll diesen "Ségolènades" widmen. Die Redepassagen boshaft festhalten wie diese:
"J’accélère. J’accélère l’explication, je noue le pacte, je l’explique, je monte en puissance sur une cohérence et je vais au contact du plus grand nombre possible de citoyens."
"Ich beschleunige. Ich beschleunige die Erklärung, ich knüpfe den Pakt, ich erkläre ihn, meine Stärke nimmt zu aufgrund einer Übereinstimmung, und ich gehe zum Kontakt mit der größten möglichen Anzahl von Bürgern".
So jemanden können sich viele Franzosen nicht als Nachfolgerin der illustren Reihe von Präsidenten der Fünften Republik vorstellen - Intellektuelle allesamt; manche - wie de Gaulle, Giscard d'Estaing, Mitterand - herausragende Intellektuelle.
Der französische Präsident ist ein Monarch auf Zeit; so hatte de Gaulle das konzipiert. Über einen Monarchen darf man schimpfen; aber man darf ihn nicht auslachen.
François Bayrou hat diese Schwäche von Ségolène Royal gnadenlos ausgenutzt. Beispielsweise, indem er im Februar angekündigt hat, er könne als Präsident einen Premierminister aus der Linken ernennen.
Die Folge war - neben anderen Gründen - der steile Aufstieg Bayrous in den Umfragen, der als "Phänomen Bayrou" die Vermutung begründete, Bayrou könne am Ende der nächste Präsident Frankreichs werden.
Ich bin da - trotz meiner Sympathien für Bayrou - immer sehr skeptisch gewesen. Und zwar aus drei Gründen.
Zwei habe ich hier genannt: Weil Bayrou mit seiner liberalen, marktwirtschaftlichen Haltung in dem traditionell antiliberalen, etatistischen Frankreich keine Mehrheit hat. Und weil zweitens die französische Wählerschaft in aus tiefer Überzeugung linke und aus tiefer Überzeugung rechte Wähler zerfällt.
Einen dritten Grund habe ich hier erwähnt: Je mehr die Umfragewerte für Bayrou steigen, umso mehr wird sich die ganze Linke - auch die extreme - um Royal scharen. Man will es nicht riskieren, noch einmal, wie vor fünf Jahren, den sozialistischen Kandidaten schon im ersten Wahlgang zu verlieren. Das vote utile, die nützliche Stimmabgabe, wird diesmal schon im ersten Wahlgang erfolgen.
Zwischenzeitlich sah es aus, als könne Bayrou zu Royal aufholen. Aber die genannten Faktoren scheinen jetzt doch die Oberhand zu gewinnen.
Das zeigen die aktuellen Umfragen. Bei allen Instituten ist der Aufwärtstrend von Bayrou gebrochen; teilweise geht es sogar seit ein, zwei Wochen abwärts. Inzwischen liegt wieder ein deutlicher Abstand zwischen Royal und Bayrou.
Das liegt, wie Le Monde meldet, daran, daß linke Wähler sich wieder von Bayrou abkehren.
Die alten Bindungen an die Linke sind halt doch stärker als der vorübergehende Ärger über die gaffes von Ségolène. Im aktuellen "Nouvel Observateur" hat das dessen Herausgeber, Jean Daniel, treffend formuliert:
Dialogue avec un ami : "Mais, à la fin des fins, as-tu toujours la tripe à gauche?" Réponse: "Oui, et j'en ai la confirmation. Dès que, comme cette semaine, les sondages indiquent un recul menaçant de la gauche, je m'alarme. Je cesse alors et aussitôt de faire la psychanalyse de Ségolène Royal." Ce patriotisme de parti existe donc encore : quand on est de gauche, on vote à gauche et c'est tout. C'est mon cas.
Gespräch mit einem Freund: "Aber letztendlich bist du nach deinem Bauchgefühl immer noch ein Linker?" Antwort: "Ja, und ich habe die Bestätigung dafür. Sobald, wie diese Woche, die Umfragen einen Rückgang anzeigen, der die Linke bedroht, schrillen bei mir die Alarmglocken. Dann höre ich im selben Moment auf, mich um die Psychoanalyse von Ségolène Royal zu kümmern." Diesen Partei- Patriotismus gibt es also immer noch: Wenn man ein Linker ist, dann wählt man links, und das war's. So geht es mir.
Anders gesagt: Viele Wähler der Linken hatten mit Ségolène so etwas wie einen Ehekrach. Sie waren enttäuscht von ihr, sie haben sie vermutlich auch verachtet, wegen ihrer eben für Franzosen unverzeihlichen gaffes. Sie haben geschmollt und mit Bayrou geliebäugelt.
Aber jetzt, wo es ernst wird, zerfällt Frankreich wieder in die Rechte und die Linke, so wie es immer war.
Ich war mir kurzzeitig unsicher gewesen, ob ich mit meiner Beurteilung nicht vielleicht doch falsch liege, und ob Gudrun Eussner die Lage nicht richtiger beurteilt. Im Augenblick denke ich eher wieder, daß meine Analyse doch ziemlich nah an der Wirklichkeit sein könnte.
Aber es sind ja noch gut vier Wochen. Und wie hat Arno Schmidt gesagt: "Die Welt ist groß genug, daß wir alle darin Unrecht haben können".