5. März 2007

Gedanken zu Frankreich (6): Die Lage sieben Wochen vor den Présidentielles

Umfangreiche Informationen über die bevorstehende Wahl des neuen franzsischen Präsidenten, die Présidentielles, findet man bei Élection-Politique; unter anderem die Umfrageergebnisse aller großer Institute.

Die für die Kandidaten gemessenen Werte weichen naturgemäß im einzelnen ab; aber die Trends sind doch weitgehend dieselben:
  • Der Rechte Sarkozy führt seit einigen Wochen vor der Linken Royal; in einigen Umfragen sehr deutlich.

  • Ungefähr im Januar hat der Liberale François Bayrou den Rechtsxtremen Jean-Marie Le Pen überholt und liegt seither auf Platz drei, mit inzwischen teilweise nah an zwanzig Prozent.

  • Le Pen hatte Ende 2006 eine Aufwärtstendenz und liegt jetzt ziemlich stabil zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Allerdings werden die Chancen von Rechtsextremen in Umfragen oft unterschätzt.

  • Andere Kandidaten spielen keine Rolle, was ihre Erfolgschancen angeht. Aber vor allem auf der Linken, wo neben der Kandidatin der Kommunistischen Partei Frankreichs, Marie-George Buffet, mehrere Trotzkisten kandidieren, summiert sich das doch zu um die zehn Prozent, die Ségolène Royal fehlen.

  • Es ist sehr unwahrscheinlich, daß ein Kandidat im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit bekommt. Im zweiten Wahlgang gibt es eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplazierten. Einer davon wird mit Sicherheit Sarkozy sein. Die zweite sehr wahrscheinlich Ségolène Royal. Käme aber Bayrou wider Erwarten in die Stichwahl, dann könnte er sowohl Sarkozy als auch Royal schlagen. Allerdings hat bisher nur ein Institut (BVA) nach einer solchen Konstellation gefragt.

  • Bayrou ist zwar ein Überraschungskandidat, der von Umfrage zu Umfrage bessere Werte erhält. Bei einer US-Wahl könnte man fast schon sicher prognostizieren, daß das einen Bandwagon Effect auslöst - immer mehr Unterstützer springen auf diesen Zug auf, und am Ende hat der Kandidat eine Mehrheit. Aber in Frankreich halte ich das nach wie vor für sehr, sehr unwahrscheinlich.



  • Ich hatte darüber gerade eine kleine Diskussion mit der sehr klugen und kundigen Gudrun Eussner, auf deren schönen Blog ich bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen möchte; nicht nur wegen der sorgfältig zusammengestellten und kommentierten politischen Informationen, sondern auch wegen der kulinarischen und kulturellen Empfehlungen zum Roussillon.

    Sie ist, was die Chancen des Liberalen François Bayrou angeht, optimistischer als ich. Ich sehe zwei Gründe, warum es Bayrou wohl nicht schaffen wird:
  • In Frankreich zerfällt die Wählerschaft tradtionell in Linke und Rechte, das Électorat de Gauche, das Électorat de Droite. Ségolène Royal müßte schon sehr viele sehr große Böcke schießen, wenn nicht viele Linke ihr doch zähneknirschend ihre Stimme geben würden.

  • Bayrous marktwirtschaftliche Orientierung ist in einem Land (noch) nicht mehrheitsfähig, in dem "liberal" immer noch als politisches Schimpfwort verwendet wird.


  • Also, leider sehe ich vorerst keinen Hinweis, daß Bayrou es schaffen könnte. Aber "der" französische Wähler ist immer für eine Überraschung gut. Ich werde die Umfragen beobachten und von Zeit zu Zeit berichten.