10. März 2007

Zettels Meckerecke: Gerhard Schröder - einer unserer Besten?

Als hätte ich's geahnt, als ich die Kürung des leisen, noblen Michael Naumann zum SPD-Spitzenkandidaten in Hamburg mit "Michael Naumanns bollernder, krachender Sound" betitelte.

Denn kaum hatte es ihn die Politik verschlagen, in die richtige Parteipolitik, was ja etwas Anderes ist, als im Kabinett Lobbyarbeit für Kultur zu machen - kaum also war aus dem distinguierten, weltläufigen Zeit- Herausgeber der kommende Wahlkämpfer geworden, da landete er auch schon seinen ersten Scoop, der frischgebackene Politiker. Schon bollert's und kracht's.

Im gestrigen Hamburger Abendblatt stand es, die Agenturen meldeten es ähnlich:
Der designierte Spitzenkandidat der Hamburger SPD, Michael Naumann, will mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Wahlkampf 2008 gegen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ziehen. "Ich halte Gerhard Schröder für einen der besten Wahlkämpfer, den die Bundesrepublik je erlebt hat", sagte Naumann bei seiner Vorstellung in der SPD-Zentrale. Er stehe zur Politik des Altkanzlers. "Ich habe das Gefühl, dass er nichts von dem zurücknehmen muss, was er angepackt hat", sagte Naumann.


Das ist Musik, da geht euch der Hut hoch. Das ist Musik, da geht dir der Bart ab.

Schröder muß nichts von dem zurücknehmen, was er angepackt hat?

Das Verhältnis zu den USA war am Ende seiner Amtszeit zerrüttet. In Polen und auf dem Baltikum war durch seine Kumpanei mit dem "lupenreinen Demokraten" wieder die Angst vor Deutschland geweckt. Durch sein undiplomatisches, polterndes Auftreten hatte Schröder Deutschlands Einfluß in der EU auf einen Tiefstand gebracht. Sein Versuch, mit Putin und Chirac einen gegen das transatlantische Bündnis gerichteten Dreibund zu etablieren, drohte Europa zu spalten.

Kein Kanzler, nicht einmal Erhard, hatte eine so hanebüchene Außenpolitik veranstaltet wie Gerhard Schröder.

Nichts davon zurückzunehmen?

Als er Kanzler geworden war, begann seine Regierung mit einer nachgerade unfaßbar dummen Wirtschaftspolitik - Gesetze gegen die "Scheinselbständigkeit", zur Ausweitung der Mitbestimmung, zur Rücknahme der zaghaften Rentenreform Kohls, zur Besteuerung und Abgabenpflicht bei geringfügiger Beschäftigung, usw. usw. Auf so gut wie jedem Feld das Gegenteil von dem, was sachlich erforderlich gewesen wäre.

Die Folge war ein Niedergang des Landes, der Schröder keine Wahl ließ, als im letzten Augenblick das Ruder herumzureißen und mit seiner "Agenda 2010" stracks das Gegenteil von dem zu verkünden, was seine Regierung zuvor betrieben hatte.

Auch das geschah freilich in Schröders Manier - alles war schlecht vorbereitet, voller handwerklicher Mängel, mittels einer Überfalltaktik seiner Partei und der Öffentlichkeit aufgenötigt.

Nichts davon zurückzunehmen?



Keine Regierung seit Bestehen der Bundesrepublik hatte eine so negative Bilanz vorzuweisen wie die Schröders. Dieser Kanzler ist der einzige Versager in der Reihe der Kanzler, mit denen die Bundesrepublik ja insgesamt ein ungeheures Glück gehabt hat. Das war am Ende so offensichtlich, daß er das Handtuch werfen mußte. Nie ist eine Regierungszeit so schmählich zu Ende gegangen wie die Schröders.

Nun hat Naumann noch etwas gesagt: "Ich halte Gerhard Schröder für einen der besten Wahlkämpfer, den die Bundesrepublik je erlebt hat". Und da hat er Recht.

Schröders Talent war und ist das Verkaufen, seit er als genialer Verkäufer in einem Gemischtwarengeschäft sein Berufsleben begann.

Er hat uns Wählern 1998 die "Neue Mitte" verkauft. Auch ich wäre fast darauf hereingefallen. Als Schröder den Jost Stollmann und dann auch eben jenen Michael Naumann in sein Wahlkampfteam aufgenommen hatte, als Stollmann im "Spiegel"- Interview seine neoliberalen Auffassungen dargelegt hatte, war ich nah daran, eine Stimme für die SPD zu erwägen.

Kaum war die Wahl gewonnen, da wurde Stollmann in die Wüste geschickt, und an Stelle der Neuen Mitte regierte die Alte Linke. Einer der besten Wahlkämpfer hatte die Wähler hereingelegt.

2002 hat er, einer der besten Wahlkämpfer, sich in lächerlicher Weise als Kämpfer gegen die Fluten präsentiert und als Friedenskanzler; wohl wissend, daß niemand von Deutschland verlangt hatte, sich an einem Krieg gegen den Irak zu beteiligen. Nur Zurückhaltung hatte Bush erbeten, und die hatte ihm Schröder im Sommer 2002 zugesagt.

Einer der besten Wahlkämpfer schwor theatralisch, Deutschland werde etwas verweigern, was niemand von ihm erwartet oder gefordert hatte. Er hat für den Frieden soviel getan wie gegen die Fluten der Elbe. Aber er gewann die Wahl - einer der besten Wahlkämpfer halt.



Einer der besten Wahlkämpfer hat es dann 2005 fertiggebracht, dem honorigen Professor Kirchhof das Wort im Mund herumzudrehen, die Auswirkungen seines Steuermodells ins Gegenteil zu verdrehen, den Mann als den "Professor aus Heidelberg" lächerlich zu machen. Fast hätte er Erfolg gehabt, einer der besten Wahlkämpfer.

Nur nicht ganz. Also hat er am Wahlabend eine nachgerade abstoßende Show abgezogen, einer der besten Wahlkämpfer. Und dann hat er sich von Putins Staatskonzern anheuern lassen, der Kanzler, der nichts zurücknehmen muß.

Ein französischer Ministerpräsident, ein britischer Premier, der sofort nach Ende seiner Amtszeit bei einem ausländischen Staatskonzern, gar bei einem einer Halb- Demokratie, anheuert - das wäre eine Absurdität.

Schröder tat's. Krönung der Amtsperiode eines Kanzlers der Show und der Versprechungen, der Taktik und Unzuverlässigkeit, ohne Würde und ohne Beständigkeit.

"Keine Subschtanz" - so hat der Badener Wolfgang Schäuble diesen Kanzler einmal charakterisiert. Besser kann man es nicht sagen.



Michael Naumann und dieser Mann Seit' an Seit', das also steht den Hamburgern ins Haus. Gute Zeiten für Ole von Beust, denke ich.