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22. Februar 2008

Marginalie: "Zettels Raum" wird in China blockiert

Die Diskussion darüber, warum "Zettels Raum" in den Neuen Ländern weniger Leser hat als in Westdeutschland, hat mich veranlaßt, mir überhaupt einmal anzusehen, woher die Leser kommen. Dabei ist mir aufgefallen, daß - in dem Zeitraum, seitdem das aufgezeichnet wird - Besucher aus allen größeren Ländern kamen, aber kein einziger aus China.

Ich habe daraufhin bei WebSitePulse getestet, ob ZR für China blockiert ist. Ergebnis: Von Shanghai und von Peking aus ist ZR laut Testergebnis nicht erreichbar; von Hongkong aus ist der Blog nicht blockiert.

Ein interessantes Ergebnis, finde ich. Interessant vielleicht auch für andere Blogger aus der Blogokugelzone, die einmal nachsehen wollen, für wie gefährlich die Chinesen sie halten.



Ist es die liberale, gegen jeden Totalitarismus gerichtete Haltung, für ZR die hinter die Great Firewall verbannt wurde, hinter das Golden Shield? Vielleicht. Dann müßte es eigentlich auch die anderen größeren Blogs aus der liberalen Blogokugelzone getroffen haben.

Es könnte aber auch sein, daß es einen spezifischeren Grund gibt: Ich habe hier im Dezember 2006, im Januar 2007 und noch einmal im März 2007 über den Tod des deutschen Studenten Bernhard Wilden in Peking berichtet.

Sollte das die Ursache für die Blockierung sein, dann wäre das nicht uninteressant im Hinblick darauf, wie die chinesischen Behörden diesen Tod einordnen.

Damals haben die großen Zeitungen von dem Fall kaum Kenntnis genommen. Jetzt, nach mehr als einem Jahr, hat es doch noch zwei Berichte gegeben; in der "Welt am Sonntag" und in der "Berliner Morgenpost". Diesen beiden Artikel allerdings sind, laut Test, von China aus abrufbar.

Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.

11. März 2007

Rückblick: Tod in Peking, Besuch aus China

Vorgestern, am 9. März um 2.06 Uhr habe ich einen Beitrag gepostet, der sich unter anderem mit dem Tod Bernhard Wildens in Peking beschäftigt.

Keine Stunde später hatte "Zettels Raum" Besuch aus China. Mein Referer notierte:
"9 März 02:42 Chinanet, China".
Zufall? Vielleicht. Allerdings findet "Zettels Raum", seit ich um die Jahreswende über den Tod Bernhard Wildens berichtet habe, ein bemerkenswertes Interesse in China.

Von knapp zehntausend Seitenaufrufen seit dem 1. Januar kamen immerhin 51 aus China - mehr als zum Beispiel aus Polen (33) und den Niederlanden (28). Im ganzen Jahr 2006 hatte es nur 8 Besucher aus China gegeben; alle erst im Dezember.



Mir war der prompte Besuch aus China aufgefallen, nachdem ich vorgestern den Artikel publiziert hatte, und ich habe mir vorgenommen, das ein bißchen im Auge zu behalten.

Heute nun habe ich in dem lesenswerten ChrisMs Blog einen schon ein paar Tage zurückliegenden Beitrag gelesen, der zu der interessanten Site Great Firewall of China führt.

Der Server steht, so heißt es, in China - und deshalb kann man über diese Site testen, ob eine beliebige URL in China gesperrt ist oder frei zugänglich.

Natürlich habe ich das gleich für "Zettels Raum" gemacht. Ergebnis: Frei zugänglich.

Daraus schließe ich, daß die Besucher aus China nicht - jedenfalls nicht alle - von der Firma Guck und Horch sind.

9. März 2007

Tod in Peking, Tod in London, Tod in Moskau: Über den Modus Operandi kommunistischer und postkommunistischer Geheimdienste

Um die Jahreswende habe ich hier mehrfach über den mysteriösen Tod des deutschen Studenten Bernhard Wilden in Peking berichtet, der zerschmettert am Fuß eines Hochhauses im Universitätsviertel aufgefunden worden war.

Es gab nicht die geringsten Hinweise auf einen Selbstmord, keinen Abschiedsbrief. Aber Bernhard Wilden, der sehr wahrscheinlich Kontakte zu verbotenen katholischen "Hauskirchen" gehabt hatte, hatte sich in der Zeit vor seinem Tod vom Geheimdienst verfolgt gefühlt und sah sich wenige Tage davor so bedroht, daß er nach Deutschland zurückzukehren versuchte. Einzelheiten hat die Mutter Bernhard Wildens hier zusammengestellt; ich empfehle sehr, das zu lesen.



Nun gibt es einen aktuellen Anlaß, dieses Thema noch einmal aufzugreifen: Der ebenso mysteriöse Tod des Journalisten Iwan Safronow in Moskau, über den gestern der Economist und die St. Petersburg Times weitere Einzelheiten berichtet haben.

In der St. Petersburg Times schreibt Simon Saradzhyan, daß Safronow - Redakteur im Verteidigungs- Ressort der Zeitung Kommersant - an einem Artikel gearbeitet habe, in dem es um russische Waffenverkäufe gegangen sei: Von "Iskander" Boden- Boden- Raketen und SU-30- Jägern an Syrien und von S-300- Luftverteidigungssystemen an den Iran. Die Möglichkeit solcher Lieferungen ist politisch hochbrisant, weil sie gegen Israel eingesetzt werden können.

Wie die "St. Petersburg Times" weiter berichtet, hat Safronow am 27. Februar Kollegen berichtet, daß er eine Warnung erhalten habe - eine Untersuchung seines geplanten Artikels "stehe vor dem Abschluß". Von wem die Warnung gekommen war, sagte er nicht. Man habe ihn jedenfalls davor gewarnt, den Artikel zu publizieren. Er habe sich aber entschlossen, das dennoch zu tun.

Drei Tage später wurde er zerschmettert im Treppenhaus des Hochhauses aufgefunden, in dem er wohnte, in der Uliza Nischegorodskaya.

Wie beim Tod von Bernhard Wilden gibt es keinerlei Hinweise auf einen geplanten Selbstmord. Safronows Familie, seine Freunde, seine Kollegen beschreiben ihn als einen Menschen mit einem breiten Lachen und voller Humor, der keinen Grund hatte, sich das Leben zu nehmen. So, wie Bernhard Wilden als ein gläubiger Katholik beschrieben wird, der mit Erfolg seinem Studium nachging.

Und der Economist berichtet, daß Safronow kurz vor seinem Tod Orangen eingekauft hatte; so, wie Bernhard Wilden vor am Tag vor seinem Tod nichts getan hat, was auf einen geplanten Selbstmord hinweisen würde.



Rußland sei das "zweittödlichste Land für Journalisten" nach dem Irak, zitiert der Economist eine Untersuchung des International News Safety Institute. Was Rußland mit dem Irak und Kolumbien gemeinsam habe, das seien Korruption, Gesetzlosigkeit und eine Kultur der Straflosigkeit für Killer. Kaum einer der 88 Todesfälle von russischen Journalisten allein im vergangenen Jahrzehnt sei auch nur untersucht worden.

Weiter zitiert der Economist Evgenia Albats, Autorin eines Buchs über den KGB, die schreibt, daß der FSB - Nachfolger des KGB - unter Putin eine riesige Macht erlangt und eine Atmosphäre der Angst erzeugt habe. Putin, meint sie, mag nicht persönlich für den Tod der Journalisten verantwortlich sein. Aber er hat die Bedingungen dafür geschaffen, daß sie möglich wurden.



Ende letzten Jahres erschien in der "National Review" ein Artikel von Ion Mihai Pacepa mit dem Titel "The Kremlin’s Killing Ways. A long tradition continues", der damals nicht die verdiente Beachtung gefunden hat.

Pacepa ist ein Insider. Er war zu Zeiten des Sowjet- Regimes einer der höchsten Geheimdienstler in Rumänien; der höchstrangige Geheimdienstler aus dem Sowjet- Imperium, der jemals in den Westen überlief. Er tat das, als er nicht bereit gewesen war, einen Mordauftrag auszuführen, nämlich den Direktor von "Radio Free Europe", Noel Bernard, mittels einer radioaktiven Substanz zu ermorden. Mit derselben Methode also, schreibt Pacepa, mit der der rumänischen Kommunist Gheorghe Gheorghiu- Dej umgebracht wurde, der plötzlich unter denselben Symptomen gestorben war wie Litwinenko.

Pacepa beschreibt im Detail die Politik der Sowjets, ihnen gefährliche ausländische Staatsmänner durch Mord aus der Welt zu schaffen - seit Stalin, der Trotzki ermorden ließ. Er sieht die jetzigen Todesfälle wie den Litwinenkos als Fortsetzung dieser Politik; bis in die Einzelheiten der Methoden hinein. Denn die Zuführung radioaktiver Substanzen, um eine schnelle Form des Krebstodes auszulösen, sei schon vom KGB systematisch eingesetzt worden.



Zurück zum Tod Bernhard Wildens. Der Modus Operandi war derselbe wie bei Safronow. Die Umstände sind ähnlich gewesen - jemand ist unliebsam für ein Regime; er hat kein Motiv für einen Selbstmord; er fühlt sich bedroht; er stürzt aus einem Hochhaus.

Der Versuch also, so scheint es, einen Selbstmord vorzutäuschen. Genauso, wie der Tod Litwinenkos mit denselben Mitteln herbeigeführt worden war wie der Mord an Gheorghe Gheorghiu-Dej.

Parallelen können natürlich zufällig sein, Analogien in die Irre führen. Nur: Wären solche Analogien, solche Parallelen es nicht wert, daß die deutschen Medien, daß auch die deutschen Behörden sich endlich des Todes von Bernhard Wilden annehmen?

4. Januar 2007

Rückblick: Diktaturen morden

Der mysteriöse Tod des deutschen Studenten Bernhard Wilden in Peking, über den hier am 25. Dezember berichtet wurde, scheint jetzt doch noch öffentliche Beachtung zu finden.

Nachdem zunächst der Kölner Stadtanzeiger am 30. Dezember ausführlich berichtet hatte (siehe auch meinen Kommentar dazu), hat heute der katholische Nachrichtendienst kath.net eine detaillierte Meldung gebracht.

Weiter ist auf einen längeren Bericht des chinakritischen Nachrichtendiensts China intern hinzuweisen. Er gilt als Falun Gong nahestehend und ist insofern sicher nicht unparteilich. Dennoch enthält der Artikel meines Erachtens interessante Informationen über die möglichen Hintergrunde und überhaupt über die Macht und die Vorgehensweisen der chinesischen Geheimdienste.

Wer sich für diesen Fall interessiert, findet aktuelle Information in dem Forum Infotalk, das von der Mutter Bernhard Wildens betrieben wird.



In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den Beitrag "Mord am Fließband" in B.L.O.G. aufmerksam machen, der sich mit der jüngsten Hinrichtungswelle in China beschäftigt.

Insgesamt scheinen die chinesischen Kommunisten gegenwärtig wieder brutaler gegen Andersdenkende vorzugehen. Dazu paßt diese Meldung von China Aid über Vorgehen gegen Christen in den Tagen vor Weihnachten. Auch diese Meldung muß sicherlich kritisch gelesen werden. Aber ein Zusammenhang mit dem Tod von Bernhard Wilden ist wohl leider nicht auszuschließen.

30. Dezember 2006

Rückblick: Diktaturen morden

Kürzlich habe ich hier über den mysteriösen Tod eines deutschen Studenten in Peking berichtet. Ein ausführlicher Artikel, der die bisher bekannten Einzelheiten schildert, ist heute unter dem Titel "Warum sollte er sich umbringen?" im Kölner Stadtanzeiger erschienen.

Bernhard Wilden war ein gläubiger Katholik; für einen Selbstmord gibt es keinerlei Indizien. Der Pfarrer der katholischen Gemeinde in Peking, zu dem Bernhard Wilden Kontakt hatte, sagte seinem Vater, daß er einen Selbstmord für ausgeschlossen halte.

Einen Tag vor seinem Tod rief er seine Eltern an und bat darum, ihn aus Peking abzuholen. Er fühle sich bedroht. Seine Mutter riet ihm, sofort nach Deutschland zu fliegen; ein Flugticket für einen Notfall hatte er. Dann kam eine Mail von ihm: Er könne das Ticket nicht mehr finden.

Mehrere Mails gingen hin und her, und in seiner letzten schrieb Bernhard Wilden: "Ich glaube, dass ich schon seit vielen Jahren beobachtet werde, was durch eine Kette von Ereignissen immer weiter verstärkt wurde, so dass jetzt ein Heer von Geheimdienstmitarbeitern um mich herum ist." Auf weitere Mails seiner Eltern gibt es keine Antwort mehr.

Sein Körper wurde vor einem Hochhaus im Universitätsbezirk Haidian aufgefunden. Der Obduktionsbericht nennt als Todesursache "Sturz aus großer Höhe".

Sein Vater konnte das Studentenzimmer in Augenschein nehmen. Es sah alles unverändert aus, aber das Flugticket, das Bernhard Wilden immer in seinem Paß hatte, war verschwunden. Ebenso die Tagebücher, die er regelmäßig führte.

25. Dezember 2006

Diktaturen morden

Diktaturen morden. Ja, natürlich. Hitler hat Millionen ermordet, Stalin hat Millionen ermordet, Pol Polt. Mao war vermutlich der größte Massenmörder des Zwanzigsten Jahrhunderts. Der einzige dieser Mörder, der immer noch verehrt wird.

Man kann das nüchtern zur Kenntnis nehmen. So sind sie halt, die barbarischen Diktaturen.



Von der Nüchternheit bleibt nichts, wenn man von einem einzelnen Schicksal erfährt. Hier ist zu lesen, wie ein Deutscher, der in Peking studierte, ohne sich der Diktatur unterzuordnen, vorgestern zu Tode kam.

Ich habe Bernhard Wilden nicht persönlich gekannt. Ich wußte aber viel über ihn. Er war ein ungemein intelligenter Mensch, der sich zum Beispiel das Chinesische selbst beigebracht hatte. Er war ein überzeugter Katholik, und er hat jahrelang in China studiert. Er war einer von denen, von denen man Bedeutendes erwarten konnte. Er glaubte an die Macht des Wortes, des persönlichen Einstehens für seine Überzeugung.

Wahrscheinlich war er auch naiv. Er hat die Brutalität der Diktatur, in der er lebte und von deren Veränderbarkeit er wahrscheinlich überzeugt war, unterschätzt.

Naiv, ja. Auch die Geschwister Scholl waren naiv.