30. Dezember 2006

Rückblick: Diktaturen morden

Kürzlich habe ich hier über den mysteriösen Tod eines deutschen Studenten in Peking berichtet. Ein ausführlicher Artikel, der die bisher bekannten Einzelheiten schildert, ist heute unter dem Titel "Warum sollte er sich umbringen?" im Kölner Stadtanzeiger erschienen.

Bernhard Wilden war ein gläubiger Katholik; für einen Selbstmord gibt es keinerlei Indizien. Der Pfarrer der katholischen Gemeinde in Peking, zu dem Bernhard Wilden Kontakt hatte, sagte seinem Vater, daß er einen Selbstmord für ausgeschlossen halte.

Einen Tag vor seinem Tod rief er seine Eltern an und bat darum, ihn aus Peking abzuholen. Er fühle sich bedroht. Seine Mutter riet ihm, sofort nach Deutschland zu fliegen; ein Flugticket für einen Notfall hatte er. Dann kam eine Mail von ihm: Er könne das Ticket nicht mehr finden.

Mehrere Mails gingen hin und her, und in seiner letzten schrieb Bernhard Wilden: "Ich glaube, dass ich schon seit vielen Jahren beobachtet werde, was durch eine Kette von Ereignissen immer weiter verstärkt wurde, so dass jetzt ein Heer von Geheimdienstmitarbeitern um mich herum ist." Auf weitere Mails seiner Eltern gibt es keine Antwort mehr.

Sein Körper wurde vor einem Hochhaus im Universitätsbezirk Haidian aufgefunden. Der Obduktionsbericht nennt als Todesursache "Sturz aus großer Höhe".

Sein Vater konnte das Studentenzimmer in Augenschein nehmen. Es sah alles unverändert aus, aber das Flugticket, das Bernhard Wilden immer in seinem Paß hatte, war verschwunden. Ebenso die Tagebücher, die er regelmäßig führte.