Gestern berichtete Spiegel online: "Der designierte Verteidigungsminister Robert Gates hält es unter den gegebenen Umständen im Irak für ausgeschlossen, den Krieg zu gewinnen." Sat1 meldete unter der Überschrift "Rumsfeld- Nachfolger gibt Irak- Sieg auf" über die Aussage von Gates vor dem Verteidiungsausschuß des Senats dies: "Die USA werden seiner Ansicht nach den Krieg im Irak nicht gewinnen." Und News.ch wußte zu berichten, Gates habe "die Frage, ob die USA den Krieg im Irak gewinnen könnten, mit einem 'Nein' beantwortet".
Die Überschrift zu dieser Meldung von News.ch lautet (jedenfalls im Augenblick): "Robert Gates soll Aussenminister werden". Und so wahr wie diese Überschrift ist auch das, was die drei zitierten Medien - und viele andere, vielleicht im Gefolge von Agenda Setters wie Spiegel Online - über die Aussage von Gates vor dem Verteidigungsausschuß des US-Senats berichten.
Gestern, als diese Meldungen herumgeisterten, habe ich vergeblich versucht, im Web das Wortprotokoll der Anhörung zu finden. Inzwischen ist es zugänglich, unter anderem bei der International Herald Tribune.
Und wie zu vermuten - Gates hat keineswegs gesagt oder auch nur angedeutet oder impliziert, daß die USA den Krieg nicht gewinnen werden, daß sie ihn nicht gewinnen können, daß ein Sieg unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen ist.
Im Protokoll gibt es drei Passagen, in denen Gates zu diesem Punkt Stellung nimmt, und zwar in Beantwortung von Fragen der Senatoren Levin, McCain und Inhofe. Ich zitiere diese Passagen und füge jeweils meine Übersetzung hinzu:
Es ging also bei allen drei Dialogen um die momentane militärische Situation im Irak. Jeder, der Englisch versteht, kann das dem Protokoll entnehmen. Es wurde nicht gefragt "Can we win?" oder "Will we win?", sondern "Are we winning?"; und beim ersten Dialog wurde das sogar noch durch "currently" unterstrichen - momentan, gegenwärtig, im Augenblick also.
Folglich zog auch Senator McCain aus der bestätigenden Antwort von Gates den Schluß, daß die gegenwärtige Situation (der status quo) nicht hingenommen werden kann. Nicht hingenommen werden kann, so ist zu ergänzen, damit es nicht am Ende zu einer Niederlage kommt.
Und folglich stimmte Gates der Aussage von General Pace zu, man sei nicht am Gewinnen, aber auch nicht am Verlieren.
Auch aus dem übrigen Protokoll der Anhörung geht zweifelsfrei hervor, daß Gates es keineswegs für ausgeschlossen hält, den Krieg zu gewinnen. Ich empfehle allen, die die Zeit dafür aufbringen können, dieses Protokoll zu lesen. (Das Blättern geht schneller, wenn man die Version in 3 Spalten wählt oder gleich die Druckversion). Hier als Kostprobe ein Abschnitt aus Gates' einleitender Stellungnahme:
Man vergleiche das mit den eingangs formulierten Meldungen (und vielen seither; gerade eben hat die Tagesschau wieder gemeldet, laut Gates "sei der Irak-Krieg nicht zu gewinnen") - und man weiß, was man von diesen Medien zu halten hat.
Mit anderen Worten, da hat es gestern mal wieder laut gequakt. Freilich quakt es diesmal - anders als bei den Enten, die ich kürzlich ein wenig geröstet habe - nicht nur aus Hamburg. Sondern es war ein Gequake allüberall zu vernehmen. Jedenfalls im Alten Europa.
Es geht hier natürlich auch um ein Problem des Übersetzens:
Die entscheidende Formulierung lautet We are currently not winning in Iraq.
Also, grammatisch, Present Progressive. Das bedeutet jedenfalls nicht die Vorhersage, daß der Krieg verloren gehen werde, oder gar die kategorische Behauptung, er könne nicht mehr gewonnen werden; so, wie das von den zitierten Medien wiedergegeben wurde. Gates hat eben nicht gesagt We will not win in Iraq oder We cannot win in Iraq.
Ich habe übersetzt, daß "wir im Augenblick nicht siegreich sind", daß - bei dem anderen Zitat - "wir nicht dabei sind, zu gewinnen". Man könnte auch übersetzen: "wir gegenwärtig nicht auf der Siegesstraße sind" oder "der Krieg nicht in Richtung Sieg läuft"; dergleichen.
You are winning oder you are losing - das sagt der Boxtrainer seinem Schützling zwischen den Runden. Er beschreibt damit die Punktewertung, so wie sie im Augenblick ist. Die aktuelle Situation, den momentanen Trend.
Er sagt dem Boxer aber damit natürlich nicht: Du wirst gewinnen. Oder: Du wirst verlieren. Oder gar: Du kannst nicht gewinnen.
Er teilt ihm mit, wie die Dinge stehen, damit er sich darauf einrichten kann: Er ist auf der Verliererstraße, also muß er sich anstrengen, eine bessere Taktik versuchen.
Genau das hat Gates mit seiner Äußerung in Bezug auf den Irak-Krieg ausgedrückt.
Daß Medien - aus einem unverantwortlichen Journalismus heraus und/oder aufgrund mangelnder Kenntnis des Englischen - ihm das Wort im Mund herumdrehen und ihm zuschreiben würden, er hätte den Krieg für nicht gewinnbar erklärt - das hätte er vielleicht antizipieren können.
Vielleicht übersteigt dieses Maß an Chuzpe, oder auch dieses Ausmaß sprachlicher Unfähigkeit, aber auch das, was sich selbst ein alter Fahrensmann aus der CIA ausmalen konnte.
Die Überschrift zu dieser Meldung von News.ch lautet (jedenfalls im Augenblick): "Robert Gates soll Aussenminister werden". Und so wahr wie diese Überschrift ist auch das, was die drei zitierten Medien - und viele andere, vielleicht im Gefolge von Agenda Setters wie Spiegel Online - über die Aussage von Gates vor dem Verteidigungsausschuß des US-Senats berichten.
Gestern, als diese Meldungen herumgeisterten, habe ich vergeblich versucht, im Web das Wortprotokoll der Anhörung zu finden. Inzwischen ist es zugänglich, unter anderem bei der International Herald Tribune.
Und wie zu vermuten - Gates hat keineswegs gesagt oder auch nur angedeutet oder impliziert, daß die USA den Krieg nicht gewinnen werden, daß sie ihn nicht gewinnen können, daß ein Sieg unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen ist.
Im Protokoll gibt es drei Passagen, in denen Gates zu diesem Punkt Stellung nimmt, und zwar in Beantwortung von Fragen der Senatoren Levin, McCain und Inhofe. Ich zitiere diese Passagen und füge jeweils meine Übersetzung hinzu:
LEVIN: (...) Mr. Gates, do you believe that we are currently winning in Iraq?
GATES: No, sir.
LEVIN: (...) Herr Gates, glauben Sie, daß wir im Augenblick im Irak siegreich sind?
GATES: Nein, Sir.
MCCAIN: (...) I'd like to follow on just what Senator Levin said. We are not winning the war in Iraq. Is that correct?
GATES: That is my view, yes, sir.
MCCAIN: And therefore, the status quo is not acceptable?
GATES: That is correct, sir.
MCCAIN: (...) Ich möchte gern an das anknüpfen, was Senator Levin gesagt hat. Wir sind nicht dabei, den Krieg im Irak zu gewinnen. Stimmt das?
GATES: Das ist meine Sicht, ja, Sir.
MCCAIN: Und deshalb kann der jetzige Zustand nicht hingenommen werden?
GATES: Das stimmt, Sir.
INHOFE: (...) ... you were asked the question, "Are we winning in Iraq?" General Pace was asked that question yesterday. He said, no, we're not winning, but we're not losing. Do you agree with General Pace?
GATES: Yes, sir, at this point.
INHOFE: (...) ... Ihnen wurde die Frage gestellt: "Sind wir dabei, im Irak zu gewinnen?" Dem General Pace wurde gestern diese Frage gestellt. Er sagte, nein, wir sind nicht dabei, zu gewinnen, aber wir sind auch nicht dabei, zu verlieren. Stimmen Sie mit General Pace überein?
GATES: Ja, Sir, im Augenblick.
Es ging also bei allen drei Dialogen um die momentane militärische Situation im Irak. Jeder, der Englisch versteht, kann das dem Protokoll entnehmen. Es wurde nicht gefragt "Can we win?" oder "Will we win?", sondern "Are we winning?"; und beim ersten Dialog wurde das sogar noch durch "currently" unterstrichen - momentan, gegenwärtig, im Augenblick also.
Folglich zog auch Senator McCain aus der bestätigenden Antwort von Gates den Schluß, daß die gegenwärtige Situation (der status quo) nicht hingenommen werden kann. Nicht hingenommen werden kann, so ist zu ergänzen, damit es nicht am Ende zu einer Niederlage kommt.
Und folglich stimmte Gates der Aussage von General Pace zu, man sei nicht am Gewinnen, aber auch nicht am Verlieren.
Auch aus dem übrigen Protokoll der Anhörung geht zweifelsfrei hervor, daß Gates es keineswegs für ausgeschlossen hält, den Krieg zu gewinnen. Ich empfehle allen, die die Zeit dafür aufbringen können, dieses Protokoll zu lesen. (Das Blättern geht schneller, wenn man die Version in 3 Spalten wählt oder gleich die Druckversion). Hier als Kostprobe ein Abschnitt aus Gates' einleitender Stellungnahme:
Developments in Iraq over the next year or two will, I believe, shape the entire Middle East and greatly influence global geopolitics for many years to come. Our course over the next year or two will determine whether the American and Iraqi people, and the next president of the United States, will face a slowly, but steadily improving situation in Iraq and in the region, or will face the very real risk, and possible reality, of a regional conflagration. We need to work together to develop a strategy that does not leave Iraq in chaos, and that protects our long-term interests in and hopes for the region.
Die Entwicklungen im Irak in den nächsten ein bis zwei Jahren werden, glaube ich, den ganzen Mittleren Osten prägen und für viele weitere Jahre die globale Geopolitik bestimmen. Unser Kurs über die nächsten ein oder zwei Jahre wird darüber entscheiden, ob das amerikanische und das irakische Volk - und der nächste Präsident der Vereinigten Staaten - sich einer langsam, aber stetig verbessernden Situation im Irak und in der Region gegenübersehen werden, oder ob sie sich der sehr realen Gefahr eines Flächenbrands gegenübersehen werden, der möglicherweise zur Realität wird. Wir müssen zusammenarbeiten, um eine Strategie zu entwickeln, die den Irak nicht im Chaos hinterläßt und die unsere langfristigen Interessen in dieser Region und unseren Hoffnungen für sie bewahrt.
Man vergleiche das mit den eingangs formulierten Meldungen (und vielen seither; gerade eben hat die Tagesschau wieder gemeldet, laut Gates "sei der Irak-Krieg nicht zu gewinnen") - und man weiß, was man von diesen Medien zu halten hat.
Mit anderen Worten, da hat es gestern mal wieder laut gequakt. Freilich quakt es diesmal - anders als bei den Enten, die ich kürzlich ein wenig geröstet habe - nicht nur aus Hamburg. Sondern es war ein Gequake allüberall zu vernehmen. Jedenfalls im Alten Europa.
Es geht hier natürlich auch um ein Problem des Übersetzens:
Die entscheidende Formulierung lautet We are currently not winning in Iraq.
Also, grammatisch, Present Progressive. Das bedeutet jedenfalls nicht die Vorhersage, daß der Krieg verloren gehen werde, oder gar die kategorische Behauptung, er könne nicht mehr gewonnen werden; so, wie das von den zitierten Medien wiedergegeben wurde. Gates hat eben nicht gesagt We will not win in Iraq oder We cannot win in Iraq.
Ich habe übersetzt, daß "wir im Augenblick nicht siegreich sind", daß - bei dem anderen Zitat - "wir nicht dabei sind, zu gewinnen". Man könnte auch übersetzen: "wir gegenwärtig nicht auf der Siegesstraße sind" oder "der Krieg nicht in Richtung Sieg läuft"; dergleichen.
You are winning oder you are losing - das sagt der Boxtrainer seinem Schützling zwischen den Runden. Er beschreibt damit die Punktewertung, so wie sie im Augenblick ist. Die aktuelle Situation, den momentanen Trend.
Er sagt dem Boxer aber damit natürlich nicht: Du wirst gewinnen. Oder: Du wirst verlieren. Oder gar: Du kannst nicht gewinnen.
Er teilt ihm mit, wie die Dinge stehen, damit er sich darauf einrichten kann: Er ist auf der Verliererstraße, also muß er sich anstrengen, eine bessere Taktik versuchen.
Genau das hat Gates mit seiner Äußerung in Bezug auf den Irak-Krieg ausgedrückt.
Daß Medien - aus einem unverantwortlichen Journalismus heraus und/oder aufgrund mangelnder Kenntnis des Englischen - ihm das Wort im Mund herumdrehen und ihm zuschreiben würden, er hätte den Krieg für nicht gewinnbar erklärt - das hätte er vielleicht antizipieren können.
Vielleicht übersteigt dieses Maß an Chuzpe, oder auch dieses Ausmaß sprachlicher Unfähigkeit, aber auch das, was sich selbst ein alter Fahrensmann aus der CIA ausmalen konnte.
Anmerkung: Bei der Übersetzung des Dialogs mit Inhofe war mir ein Versehen unterlaufen, auf das mich zwei Kommentatoren hingewiesen haben; siehe die Kommentare. Danke! Der Text ist jetzt korrigiert.