11. Dezember 2006

Randbemerkung: Zwei Tyrannen und ein Todesfall

Einer der beiden großen Diktatoren Lateinamerikas im Zwanzigsten Jahrhundert ist tot. Der andere, dessen achtzigster Geburtstag im August gefeiert wurde, ist, soviel man weiß, auf den Tod krank.

Dem einen, der jetzt gestorben ist, fielen - so heißt es in der Welt -, 3197 Menschen zum Opfer, die in seinen Gefängnissen gefoltert und ermordet wurden; dazu schätzungsweise 1000 "Verschwundene". Die Opfer des anderen wurden vom Boston Globe am Anfang dieses Jahres auf 9240 Menschen geschätzt, die hingerichtet wurden und in Gefängnissen als politische Häftlinge umkamen.

Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von in cubanischen Gefängnissen Gefolterten wie zum Beispiel der Dichter Armando Valladares, der nach seiner auf amerikanischen Druck hin erfolgten Freilassung US-Amerikaner wurde und zeitweilig die USA-Delegation bei der UN- Kommission für Menschenrechte leitete. Er hatte wegen seiner Opposition zu Castros Regime 22 Jahre in cubanischen Gefängnissen gesessen; unter nachgerade unfaßbarem Leiden. Ich empfehle sehr die Lektüre seines Berichts.

Hinzu kommen mehr als 70000 Menschen, die bei dem Versuch, der cubanischen Diktatur zu entkommen, ums Leben kamen; die sogenannten "balseros" auf ihren Flößen, die sie nach Florida bringen sollten.



Zu Pinochet erscheinen jetzt die Nachrufe. Sie gehen so harsch mit ihm ins Gericht, wie er es verdient hat.

"Heute ist der chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet im Kreise seiner Familie gestorben. Seinen tausenden Opfern war dies nicht vergönnt: Viele starben durch Folter und landeten im Meer. Für Chile ist der Tod des Greises die Befreiung von einem 33-jährigen Alptraum", schreibt Carsten Volkrey in Spiegel-Online, dem man hier einmal zustimmen kann. "Tausende wurden während seiner Diktatur ermordet, verschleppt und gefoltert. Der Diktator selbst aber wurde für die Menschenrechtsverletzungen unter seiner Verantwortung nie bestraft", hieß es in der ARD-Tagesschau.

Daß Castro für seine Verbrechen noch zur Verantwortung gezogen wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Nur, seltsam, während es weltweit bedauert wird, daß Pinochet straflos ausging, hört man kaum eine Stimme, die die Bestrafung Castros fordert.

Nun gut, man ist seiner ja nicht habhaft. Insofern mag eine solche Forderung sich dadurch erledigen, daß sie nicht realisierbar ist.

Aber wer würde überhaupt wollen, daß Castro für das, was er den Cubanern angetan hat, zur Verantwortung gezogen wird? Wieviele der Journalisten, die jetzt zu Recht den toten Pinochet verdammen, legen dieselben Maßstäbe an den sterbenden Castro an?

Warten wir die Nachrufe ab, in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten.