21. Juli 2008

Marginalie: Wie die Amerikanische Physikalische Gesellschaft mit einem Klimaskeptiker verfuhr

Es geht nur um eine kurze Notiz in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift. Aber was im American Thinker Marc Sheppard am Samstag beschrieben hat, ist doch ein kleiner Skandal.

Jedenfalls wirft der Vorgang ein Schlaglicht auf die Art, wie in der Scientific Community mit Autoren umgegegangen wird - oder sagen wir vorsichtiger: umgegangen werden kann -, die eine "klimaskeptische" Position einnehmen. Womit bekanntlich nicht gemeint ist, daß sie dem Klima skeptisch gegenüberstehen, sondern daß sie Zweifel an der Standard- Story von der vom Menschen verursachten, auf einem Treibhauseffekt basierenden globalen Erwärmung artikulieren.



Was mich angeht - ich bin kein Klimaskeptiker in diesem Sinn. Ich verstehe nichts von Klimaforschung und sehe mich außerstande, in Bezug auf ein so hochspezialisiertes, interdisziplinäres und mit komplexen mathematischen Modellen arbeitendes Forschungsgebiet eine Meinung zu haben.

Also bin ich kein Klimaskeptiker, sondern ein Klimagnostiker: Ich traue mir kein Urteil darüber zu, ob sich das Klima gegenwärtig erwärmt (wofür wohl viel spricht), ob es sich künftig erwärmen wird (was die meisten Modelle vorhersagen; vielleicht stimmen sie, vielleicht nicht) und wenn ja, wieweit dafür ein menschengemachter Treibhauseffekt ursächlich ist.

Das alles weiß ich nicht. Ich weiß aber so ungefähr, wie Wissenschaft funktioniert. Nämlich unter anderem so, daß es zu bestimmten Themen häufig das gibt, was man "das Standardmodell", "conventional wisdom", "a widely held view", die "herrschende Auffassung" und dergleichen nennt - eine Auffassung, die von der Mehrheit der Fachleute zu einem bestimmten Zeitpunkt geteilt wird.

Manchmal erhärtet sich diese wissenschaftliche Position im Lauf der Forschung so, daß sie nah an Gewißheit heranreicht; wie zum Beispiel bei der Darwin'schen Evolutionstheorie. Manchmal erweist sie sich als irrig, wie beim Äther, dessen Existenz bis zum Experiment von Michelson und Morley im Jahr 1887 als sicher galt. Am Häufigsten ist es, daß ein solches Standard- Modell in seinem Kern Bestand hat, aber modifiziert und differenziert wird, wie etwa das Atommodell von Niels Bohr.

Welches dieser möglichen Schicksale einem Standard- Modell, einer herrschenden Meinung widerfährt, das ist trivialerweise offen. Es entscheidet sich erst im weiteren Forschungsprozeß.

Folglich gehört es es zu dessen Grundregeln, daß diejenigen, die der herrschenden Meinung skeptisch gegenüberstehen, dieselbe Stimme, gleiche Publikationsmöglichkeiten, dasselbe Anrecht auf vorurteilsfreie Diskussion ihrer Argumente haben wie seine Anhänger. Nur so kann ja herausgefunden werden, wie es mit der Richtigkeit dieses Modells, dieser Meinung bestellt ist.

Das gilt für Fachwissenschaftler; aber es gilt auch für Laien, die sich in die betreffende Materie eingearbeitet haben und die sich ein Urteil zutrauen. Es gilt zum Beispiel für Al Gore, der kein Klimatologe ist, der aber das Recht hat, daß seine Meinung zur globalen Erwärmung ernstgenommen wird. Ebenso gilt es für einen seiner Antipoden, den britischen Viscount Christopher Monckton of Brenchley.



Soweit eine kleine Erinnerung an das, was eigentlich so selbstverständlich sein sollte, daß es überflüssig sein müßte, daran zu erinnern.

So ist es aber nicht.

Vergangenes Jahr war hier zu lesen, wie das Umwelt- Bundesamt mit der Meinung von Klimaskeptikern verfährt: Nämlich so, wie die römische Inquisition mit dem Galileo Galilei verfahren ist; wenn auch vorläufig ohne deren Machtmittel.

Und jetzt also der Fall in den USA, über den Marc Sheppard berichtet. Es geht um einen Aufsatz im Forum on Physics and Society, einer Internet- Zeitschrift, die von der American Physical Society (APS) herausgegeben wird, der wissenschaftlichen Vereinigung amerikanischer (und vieler internationaler) Physiker.

Die Herausgeber dieser Zeitschrift hatten Autoren eingeladen, ihre Thesen zur globalen Erwärmung in jeweils einem Aufsatz zusammenzufassen; auf der einen Seite die Anhänger des Standard- Modells David Hafemeister und Peter Schwartz und auf der anderen Seite den Klimaskeptiker Christopher Monckton of Brenchley. Wie gesagt, kein Klimaforscher; er hat Altphilologie und Jurnalistik studiert. In der Klimadebatte spielt er, jedenfalls im UK, eine ähnliche Rolle wie Al Gore, nur eben auf der anderen Seite.

Bevor Sie weiterlesen, möchte ich Ihnen vorschlagen, auf diese WebSite zu gehen. Dort finden Sie den Artikel, um den es geht. Und ganz zu Beginn finden Sie das Skandalöse, nämlich einen redaktionellen Vorspann, rot gedruckt:
The following article has not undergone any scientific peer review. Its conclusions are in disagreement with the overwhelming opinion of the world scientific community. The Council of the American Physical Society disagrees with this article's conclusions.

Der folgende Artikel ist nicht von Experten begutachtet worden. Seine Schlußfolgerungen stehen im Widerspruch zu der überwältigenden Meinung der weltweiten Gemeinschaft der Wissenschaftler. Der Beirat der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft stimmt mit den Folgerungen dieses Artikels nicht überein.
Da haben wir ihn, den Skandal.

Es steht einer Zeitschrift frei, einen eingereichten oder eingeladenen Artikel einem wissenschaftlichen Begutachtungsverfahren zu unterziehen und ihn dann, wenn die Gutachten negativ ausfallen, abzulehnen. Sie kann selbstverständlich auch dann, wenn sie einen Artikel als kontrovers einstuft, einen Beitrag anderer Autoren hinzusetzen, der die Gegenmeinung vertritt. Der Leser kann sich dann frei seine Meinung bilden.

Aber einen Artikel zur Publikation anzunehmen und dann ex kathedra in einem Vorspann ein negatives Urteil zu fällen - das ist nicht nur völlig unüblich, sondern es ist inakzeptabel. Zumal, so berichtet Marc Sheppard, dieser Vorspann erst nach einigen Tagen dem Artikel vorangestellt wurde. Da dürfte also ein Hintergrund aufklärungsbedürftig sein.

Und zumal Monckton vehement bestreitet, daß sein Manuskript nicht begutachtet worden sei. Er habe ein ausführliches Gutachten von einem Physiker erhalten, dessen Kritik und Verbesserungsvorschläge er bei der Revision des Manuskripts Punkt für Punkt berücksichtigt habe.

Der Brief Moncktons, in dem das steht, ist am Ende des Artikels von Sheppard zu finden. Darin stellt Monckton auch die sehr berechtigten Fragen, wer auf welcher Sitzung des Beirats der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft das vernichtende Verdikt über seinen Artikel gefällt habe und welche von dessen Schlußfolgerungen denn eigentlich von diesem Beirat zurückgewiesen würden.



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