Im Wahlkampf wurde mir heftig vorgehalten, ich würde etwas herbeireden, wenn ich vor einer möglichen Kooperation von SPD, Linken und Grünen gewarnt habe. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass man den Sozialdemokraten in diesem Punkt nicht trauen kann. Die SPD war bereit, aus purem Machtwillen Wahlversprechen zu brechen. (...) Dass nicht alle in der hessischen SPD Macht über Glaubwürdigkeit stellen, war ein wichtiges Signal für die Demokratie und für Frau Ypsilanti.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit "Spiegel Online".
Kommentar: Daß nicht alle in der hessischen SPD Macht über Glaubwürdigkeit stellen, ist nicht nur ein Signal für die Demokratie und für Frau Ypsilanti. Es ist auch ein Segen für die SPD.
In "Panorama" entwarf gestern Christoph Lütgert ein pessimistisches, also realistisches Bild von der SPD, die sich in der größten Krise befinde, die er, Lütgert, jemals erlebt habe.
In der Tat. Auftrat in der Sendung auch der unvermeidliche Franz Walter, der allen Ernstes der SPD empfiehlt, sich auf die "Neue Mitte" zu beschränken und das linke Spektrum für eine "intakte, kampagnenstarke, gut geführte, populistisch raffinierte Linkspartei" freizugeben, mit der sie dann koalieren soll. Ein Rezept also für den Selbstmord der SPD. Es klang nicht so, als würde Walter ihr eine Träne nachweinen.
Anders, als Franz Walter es uns mit seiner Eloge auf die Kommunisten glauben machen will, hat die SPD aber nicht das Problem, daß sie ihre traditionellen Wähler zwangsläufig verliert, wenn sie die Partei der neuen Mitte sein möchte. Sie war immer gerade dadurch stark, daß sie beide Schichten angesprochen hat, und zwar erfolgreich. Exakt das war das Erfolgsrezept von Willy Brandt und Helmut Schmidt gewesen. Die neue Mittelschicht ist ja nicht erst nach der Jahrtausendwende aus dem Nichts entstanden.
Erfolgreich war die SPD als eine linke Volkspartei bis zum Jahr 2003, genauer bis zum 14. März 2003. An diesem Tag verkündete Gerhard Schröder die Agenda 2010 und zwang damit seiner Partei von oben einen radikalen Kurswechsel auf. Ohne vorausgehende Diskussion in den Parteigliederungen, ohne Überzeugungsarbeit. Nach Gutsherrenart; oder sagen wir: Nach Art dessen, was die Nachfolger der Gutsherren "demokratischen Zentralismus" nennen.
Das war der erste Vernichtungsschlag, der dieser Partei zugefügt wurde. Den zweiten führten gemeinsam Andrea Ypsilanti und Kurt Beck. Auf den Vertrauensbruch durch Schröder folgte der Wortbruch durch Beck/Ypsilanti.
Schröder machte klar, daß ihm die Meinung in seiner Partei schnuppe ist. Beck und Ypsilanti machten den Wählern klar, daß ihnen die Versprechen schnuppe sind, die sie im Wahlkampf gegeben haben.
Der eine trieb diejenigen aus der Partei, die in der SPD die Schutzmacht des Kleinen Mannes sahen. Die beiden anderen führten dieses Werk auf der anderen Seite zu Ende, indem sie diejenigen vertrieben, die in der SPD immer noch die Partei Kurt Schumachers, Willy Brandts und Helmut Schmidts gesehen hatten, also eine Partei politischen Anstands.
Was hilft der SPD noch? Ehrlichkeit. Die Wiederentdeckung der innerparteilichen Demokratie. Das Einhalten von Versprechen.
Nicht ein ehrlicher Mann wie Wolfang Clement, der das Desaster in Hessen hatte verhindern wollen, dürfte aus der SPD ausgeschlossen werden (der Schiedsspruch wurde aufgeschoben), sondern die SPD sollte sich von einem Mann nichts mehr sagen lassen, der die politische Lüge propagiert. Genau die Haltung, die dieser Franz Walter vertritt, ist es, die die SPD in ihre jetzige Lage gebracht hat.
Dank schuldet die SPD der mutigen und integren Dagmar Metzger. Wenn es jemanden gibt, der die SPD noch retten kann, dann sind es Parteimitglieder wie Dagmar Metzger.
Matthias Platzeck, der sich in der DDR der Dikatur nicht beugte, hätte vielleicht die SPD, die Schröder in Trümmern hinterlassen hatte, wieder auf einen besseren Weg führen können. Er hätte vielleicht das nachholen können, was Schröder versäumt hatte: Die SPD von der Richtigkeit dessen zu überzeugen, was Schröder ihr oktroyiert hatte.
Er ahnte wohl, als er das Handtuch warf, was für eine Aufgabe das geworden wäre.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit "Spiegel Online".
Kommentar: Daß nicht alle in der hessischen SPD Macht über Glaubwürdigkeit stellen, ist nicht nur ein Signal für die Demokratie und für Frau Ypsilanti. Es ist auch ein Segen für die SPD.
In "Panorama" entwarf gestern Christoph Lütgert ein pessimistisches, also realistisches Bild von der SPD, die sich in der größten Krise befinde, die er, Lütgert, jemals erlebt habe.
In der Tat. Auftrat in der Sendung auch der unvermeidliche Franz Walter, der allen Ernstes der SPD empfiehlt, sich auf die "Neue Mitte" zu beschränken und das linke Spektrum für eine "intakte, kampagnenstarke, gut geführte, populistisch raffinierte Linkspartei" freizugeben, mit der sie dann koalieren soll. Ein Rezept also für den Selbstmord der SPD. Es klang nicht so, als würde Walter ihr eine Träne nachweinen.
Anders, als Franz Walter es uns mit seiner Eloge auf die Kommunisten glauben machen will, hat die SPD aber nicht das Problem, daß sie ihre traditionellen Wähler zwangsläufig verliert, wenn sie die Partei der neuen Mitte sein möchte. Sie war immer gerade dadurch stark, daß sie beide Schichten angesprochen hat, und zwar erfolgreich. Exakt das war das Erfolgsrezept von Willy Brandt und Helmut Schmidt gewesen. Die neue Mittelschicht ist ja nicht erst nach der Jahrtausendwende aus dem Nichts entstanden.
Erfolgreich war die SPD als eine linke Volkspartei bis zum Jahr 2003, genauer bis zum 14. März 2003. An diesem Tag verkündete Gerhard Schröder die Agenda 2010 und zwang damit seiner Partei von oben einen radikalen Kurswechsel auf. Ohne vorausgehende Diskussion in den Parteigliederungen, ohne Überzeugungsarbeit. Nach Gutsherrenart; oder sagen wir: Nach Art dessen, was die Nachfolger der Gutsherren "demokratischen Zentralismus" nennen.
Das war der erste Vernichtungsschlag, der dieser Partei zugefügt wurde. Den zweiten führten gemeinsam Andrea Ypsilanti und Kurt Beck. Auf den Vertrauensbruch durch Schröder folgte der Wortbruch durch Beck/Ypsilanti.
Schröder machte klar, daß ihm die Meinung in seiner Partei schnuppe ist. Beck und Ypsilanti machten den Wählern klar, daß ihnen die Versprechen schnuppe sind, die sie im Wahlkampf gegeben haben.
Der eine trieb diejenigen aus der Partei, die in der SPD die Schutzmacht des Kleinen Mannes sahen. Die beiden anderen führten dieses Werk auf der anderen Seite zu Ende, indem sie diejenigen vertrieben, die in der SPD immer noch die Partei Kurt Schumachers, Willy Brandts und Helmut Schmidts gesehen hatten, also eine Partei politischen Anstands.
Was hilft der SPD noch? Ehrlichkeit. Die Wiederentdeckung der innerparteilichen Demokratie. Das Einhalten von Versprechen.
Nicht ein ehrlicher Mann wie Wolfang Clement, der das Desaster in Hessen hatte verhindern wollen, dürfte aus der SPD ausgeschlossen werden (der Schiedsspruch wurde aufgeschoben), sondern die SPD sollte sich von einem Mann nichts mehr sagen lassen, der die politische Lüge propagiert. Genau die Haltung, die dieser Franz Walter vertritt, ist es, die die SPD in ihre jetzige Lage gebracht hat.
Dank schuldet die SPD der mutigen und integren Dagmar Metzger. Wenn es jemanden gibt, der die SPD noch retten kann, dann sind es Parteimitglieder wie Dagmar Metzger.
Matthias Platzeck, der sich in der DDR der Dikatur nicht beugte, hätte vielleicht die SPD, die Schröder in Trümmern hinterlassen hatte, wieder auf einen besseren Weg führen können. Er hätte vielleicht das nachholen können, was Schröder versäumt hatte: Die SPD von der Richtigkeit dessen zu überzeugen, was Schröder ihr oktroyiert hatte.
Er ahnte wohl, als er das Handtuch warf, was für eine Aufgabe das geworden wäre.
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