14. Juli 2008

Marginalie zum 14 Juillet: "Wegen mangelnder Assimilation". Wie eine Muslima nicht Französin werden durfte

Pünktlich zum französischen Nationalfeiertag ist eine Entscheidung rechtskräftig geworden, die bezeichnend für Frankreich und die interessant für uns Deutsche ist.

Bezeichnend für Frankreich ist sie, weil sie zeigt, wie rigoros man dort darauf achtet, daß nur Franzose werden darf, wer die Prinzipien der französischen Verfassung respektiert. Interessant für uns ist sie angesichts der neu entflammten Diskussion über die Gewährung der deutschen Staatsangehörigkeit.

Es handelt sich um den Fall einer Marokkanerin, Mme M., die einen Franzosen (offenbar ebenfalls nordafrikanischer Herkunft) geheiratet hatte. Sie stellte daraufhin einen Antrag auf Einbürgerung.

Dieser wurde abgelehnt; und zwar "pour défaut d'assimilation", wegen mangelnder Assimilation. Diesen Mangel konstatierten die Behörden, weil die Frau zu den Terminen in einer Burka erschienen war.

Das Ehepaar rief daraufhin den Conseil d'État an, der in bestimmten Bereichen eine ähnliche Funktion hat wie unser Bundesverfassungsgericht. Dieser bestätigte vorgestern die Entscheidung der Behörden. Begründung: Die "pratique radicale de la religion", das radikale Praktizieren der Religion, sei "incompatible avec les valeurs essentielles de la communauté française", unvereinbar mit den Grundwerten der französischen Gemeinschaft.

Bemerkenswert ist nicht nur diese Entscheidung, sondern auch die Einhelligkeit, mit der sie in Frankreich begrüßt wurde.

Die Hochschulministerin Valérie Pécresse von der liberalkonservativen Regierungspartei UMP erklärte die Verweigerung der Staatsbürgerschaft für richtig, weil "cette femme n'avait pas de vie indépendante en dehors des déplacements qu'elle faisait accompagnée de son mari"; weil diese Frau kein unabhängiges Leben außerhalb der Gänge hätte, die sie in Begleitung ihres Mannes tut.

Und gestern schloß sich der Generalsekretär der Sozialistischen Partei, François Hollande an: Die Entscheidung sei "une bonne application de la loi", eine gute Anwendung des Gesetzes, wonach bei einer Einbürgerung zu berücksichtigen sei, "ce qu'est l'assimilation ou le défaut d'assimilation", wie es mit der Assimilation oder mangelnder Assimilation bestellt sei.



Frankreich gilt als besonders liberal in seinem Staatsbürgerschaftsrecht, weil dort das jus soli und nicht das jus sanguinis gilt, weil also (grundsätzlich) Franzose ist, wer in Frankreich geboren ist; unabhängig von seiner Abstammung. Übersehen wird, wie der jeztige Fall zeigt, daß dieses Recht in Frankreich aber zugleich besonders rigoros ist: Es verlangt, daß nur eingebürgert werden darf, wer assimiliert ist.

In Deutschland hingegen wird schon der Begriff der Assimilation nachgerade wie ein Tabu vermieden. Man zieht den verwaschenen Begriff "Integration" vor, unter dem sich jeder denken kann, was er mag. Ganz so, als sei es verwerflich, von jemandem, der Deutscher werden will, zu erwarten, daß er sich erst einmal assimiliert hat. (Siehe dazu die sehr kontroverse Diskussion in "Zettels kleinem Zimmer").

Was wohl würde in Deutschland an Reaktionen ausgelöst werden, wenn in einer amtlichen Entscheidung stünde, jemand könne nicht Deutscher werden, weil er nicht assimiliert sei?

In Frankreich schreibt etwas Entsprechendes der Verfassungsrat, und die Politik, von rechts bis links, klatscht Beifall.



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