8. Juli 2008

Zettels Meckerecke: Nur ein Pferdefuß? Nein, ein Skandal! Noch einmal zur Änderung des Personenstandsgesetzes

Als ich am Montag einen Artikel über die zum ersten Januar 2009 in Kraft tretende Änderung des Personenstandsgesetzes schrieb, hatte ich einen Verdacht. Einen leisen Verdacht, und deshalb habe ich ihn am Ende des Artikels nur in Form von Fragen formuliert.

Dieser Verdacht war gewesen: "Ob die jetzige Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung nicht die Gefahr in sich birgt, daß Moslems ganz auf die standesamtliche Trauung verzichten?"

Für die Diskussion zu diesem Beitrag in "Zettels kleinem Zimmer" hat Kallias gründlicher recherchiert, als ich es für den Artikel getan hatte. Er ist dabei auf etwas gestoßen, das die Sache nun in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt. Das Wort "Skandal" für das, was er gefunden hat, scheint mir nicht übertrieben zu sein.

Die Recherche von Kallias hat ergeben, daß mein Verdacht am Montag nicht nur allzu begründet gewesen war, sondern daß just hier offenbar ein wesentliches Motiv für die Gesetzesänderung in diesem Punkt liegt.



Zur Erinnerung: Nach dem Personenstandsgesetz in seiner noch gültigen Fassung begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer "eine kirchliche Trauung oder die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, ohne daß zuvor die Verlobten vor dem Standesamt erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen". Dies gilt für die Mitglieder aller Religionsgemeinschaften.

Diese Vorschrift nun sollte nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung - man kann das und das Weitere ausführlich in dem Beitrag von Kallias und ganz ausführlich in der Bundestags- Drucksache 16/1831 nachlesen - mit der folgenden Begründung gestrichen werden:
Die ursprünglich zur Durchsetzung der 1876 eingeführten obligatorischen Zivilehe und zur Sicherung ihres zeitlichen Vorrangs gegenüber der kirchlichen Trauung mit einer Strafvorschrift (heute: Ordnungswidrigkeit) versehene Regelung hat heute – zumindest im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen – keine praktische Bedeutung mehr.
Dagegen wandte sich der Bundesrat in seiner Sitzung am 14. Oktober 2005. Er verlangte die Beibehaltung der Ordnungswidrigkeit (jetzt als Bestandteil des Paragraphen 70), und zwar mit dieser Begründung:
Die Sicherung des zeitlichen Vorrangs der obligatorischen Zivilehe sollte auch weiterhin im Personenstandsrecht zum Ausdruck kommen, auch wenn die Vorschrift gegenwärtig keine große praktische Bedeutung haben mag. Zwar ist im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht zu erwarten, dass sie eine solche wieder erlangen könnte. Entsprechendes kann jedoch für die – tendenziell an Bedeutung gewinnenden – anderen zwischenzeitlich in Deutschland verbreiteten Religionsgemeinschaften nicht festgestellt werden.
Mit anderen Wochen: Auch ohne eine strafbewehrte gesetzliche Regelung werden die beiden großen kirchlichen Kirchen wie bisher die kirchliche erst nach der standesamtlichen Trauung vollziehen. Von den Moslems ist das aber nicht zu erwarten, wenn es keine entsprechende rechtliche Regelung mehr gibt.

Genau das war der Verdacht gewesen, den ich in dem Beitrag vom Montag leise artikuliert hatte.

Wie reagierte nun die Bundesregierung auf den Einwand des Bundesrats? Sie wies ihn mit der folgenden "Gegenäußerung" zurück:
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass "andere in Deutschland vertretene Religionsgemeinschaften" trotz wiederholten Hinweises durch verschiedene deutsche Stellen nicht dazu bewegt werden konnten, ihre Eheschließungspraxis nach den §§ 67, 67a PStG auszurichten. Es sollte daher bei dem Wegfall der im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht erforderlichen und sonst offenbar wirkungslosen Vorschrift verbleiben.
Als jemand, dem die deutsche Sprache am Herzen liegt, hätte ich diesen Absatz vielleicht für eine "Meckerecke" über die Nichtbeherrschung der deutschen Sprache durch Ministerialbeamte verwenden können; denn statt "verbleiben" hätte es offensichtlich "bleiben" heißen müssen.

Aber nun tritt dieses Motiv bei mir doch zurück hinter der, tja, wie soll ich sagen, Fassungslosigkeit über eine solche Begründung.

Es gibt, so wird da ja gesagt, eine Bevölkerungsgruppe, die sich nicht an eine rechtliche Vorschrift hält. Und das ist für die Bundesregierung ein Grund dafür, nicht etwa das Gesetz gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe durchzusetzen - sondern die betreffende Bestimmung dann eben zu streichen.



Ich halte das für einen Skandal erstens unter allgemein rechtspolitischen Gesichtpunkten.

Wenn Neonazis nicht dazu "bewegt werden können", sich an das Verbot der Verwendung nationalsozialistischer Symbole zu halten - was sollte man dann, folgt man der Logik dieser Begründung, tun? Das Verbot eben aufheben.

Man kann in dieser Begründung geradezu eine Einladung an alle sehen, denen ein Gesetz nicht gefällt, sich eben nicht zu dessen "Einhaltung bewegen" zu lassen.

Raucher, laßt euch nicht dazu bewegen, das Rauchen in Restaurants einzustellen. Steuerzahler, laßt euch nicht dazu bewegen, ehrlich eure Einkünfte anzugeben. Autofahrer, laßt euch nicht dazu bewegen, Begrenzungen der Geschwindigkeit zu beachten. Die Regierung wird dann dem Bundestag empfehlen, die betreffenden gesetzlichen Regelungen aufzuheben. Und dort, wo die Länder zuständig sind, werden deren Regierungen gewiß dem Beispiel des Bundes folgen.

Zweitens scheint sich nun auch auf einer konkreteren Ebene der Verdacht zu bestätigen, den ich am Montag hatte. Wenn die Bundesregierung nicht nur überhaupt, sondern explizit mit dieser Begründung dafür eingetreten ist, das Verbot der religiösen Voraustrauung zu streichen, dann hat sie in diesem Punkt auf ihre Jurisdiktion zugunsten moslemischen Rechts verzichtet, zugunsten der Scharia also.



Mit Dank an Kallias. Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.