16. Juli 2008

Kurioses, kurz kommentiert: Keine Wiwis nach China. Aber viele chinesische Studis in Deutschland. Nebst einer Anmerkung über den häßlichen Deutschen

Den fast 250.000 ausländischen Studieren in Deutschland stehen etwa 76.000 deutsche Studenten im Ausland gegenüber. Auch sie studieren hauptsächlich Wirtschaftswissenschaften, allerdings nicht in China.

Cara Warmuth gestern in der FAZ über deutsche Studenten im Ausland. Tja, wie kommt das denn wohl, daß das kommunistische China nicht das Mekka der Wiwi- Studis ist??

Sieht man von diesem kuriosen Satz ab, dann ist der Artikel aber ganz informativ. Man erfährt allerlei, das auf den ersten Blick erstaunen mag:
  • Nach den USA und dem UK ist Deutschland das Land mit der drittgrößten absoluten Zahl ausländischer Studenten.

  • Mehr noch: Wenn die Angaben in dem Artikel stimmen, dann studieren in Deutschland mit 12 Prozent Anteil an allen Studierenden sogar prozentual viermal so viele Ausländer wie in den traditionellen Zielländern für Studierende aus aller Welt, USA und UK.

  • Das Land, aus dem die mit Abstand meisten Studierenden kommen, ist China mit mehr als 25.000. An zweiter Stelle liegen die Osteuropäer, die aber zusammengenommen nur rund 12.000 sind.

  • Von außerhalb Asien plus Osteuropa kommen - siehe diese Tortengraphik in der FAZ - nur bemerkenswert wenige Studierende, nämlich zusammengenommen gerade mal ein Drittel. Vom gesamten amerikanischen Kontinent sind es gar nur sechs Prozent.


  • Wie kommt's? Über die Ursachen für den starken Zustrom nach Deutschland aus China und Osteuropa und das vergleichsweise geringe Interesse vor allem aus Amerika enthält der Artikel leider keine Informationen; vielleicht fehlt es auch an einschlägigen Befragungen und Analysen.

    Also mag ein wenig Spekulieren erlaubt sein.
  • Zwei Drittel der Ausländer, die es zum Studieren nach Deutschland zieht, kommen aus vergleichsweise armen Gegenden der Welt. Ob nicht ein wesentliches Attraktivum nicht so sehr die Qualität der deutschen Unis ist, als vielmehr der Umstand, daß hier das Studieren nichts oder - im internationalen Vergleich - lächerlich wenig kostet?

  • Bei den Osteuropäern dürfte hinzukommen, daß für sie Deutschland sozusagen vor der Haustür liegt.

  • Eine weitere Rolle könnte spielen, daß - ein nicht zu unterschätzender Faktor - die deutsche Sprache in Ost- und Südosteuropa trotz vier Jahrzehnten Kommunismus ihre Bedeutung und Verbreitung nie ganz verloren hat. Vor allem dort, wo einmal Österreich- Ungarn gewesen war; aber auch auf dem Baltikum und in Teilen Polens.

  • Und dann - erlauben Sie mir auch noch diese Spekulation - dürfte noch ein Faktor eine Rolle spielen, der nicht nur mit dem Studieren, sondern überhaupt mit dem Leben in Deutschland zu tun hat: Deutschland ist, zumal die deutschen Studenten sind ausgesprochen ausländerfreundlich.

  • Ich kann mich inneruniversitär an keinen einzigen Vorfall erinnern, der auch nur einen Anflug von Ausländerfeindlichkeit oder gar Rassismus hätte erkennen lassen. Ganz im Gegenteil, deutsche Studierende sind Ausländern gegenüber - nach meiner Beobachtung; objektive Daten dazu kenne ich nicht - sogar ganz besonders herzlich und aufgeschlossen.

    Und in der Bevölkerung ist es ja ganz überwiegend nicht anders. Ich ahne, daß ich mit dieser Feststellung nicht nur Zustimmung finden werde: Aber so wenig Xenophobie, so wenig Vorbehalte gegen Ausländer wie in Deutschland dürfte es in wenigen Ländern der Welt geben.

    Just deshalb - weil das so selten ist, weil es so wenig den allgemeinen Verhältnissen entspricht - erregen ja ausländerfeindliche Vorfälle in Deutschland ein solches Aufsehen wie kaum in einem anderen Land.



    Sie haben Recht, lieber Leser, wenn sie jetzt mit leisem Kopfschütteln denken: Vom Aufhänger abgesehen ist dies eigentlich kein Artikel aus der Kategorie "Kurioses, kurz kommentiert".

    Sie haben Recht. Oder vielleicht doch wieder nicht ganz. Denn ist es nicht kurios, daß ausgerechnet wir, ein Musterland, was Offenheit und Freundlichkeit gegenüber Ausländern angeht, uns über Fremdenfeindlichkeit, über Rassismus solche Sorgen machen?

    Ich fürchte fast, da fallen wir, die wir uns - sehr zu Recht, nach den Erfahrungen des Nazismus und des Kommunismus - so sehr darum bemühen, Fremdstereotype zu vermeiden, ein wenig dem Autostereotyp vom häßlichen Deutschen zum Opfer.



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