9. September 2012

Zitat des Tages: "Es war ein Fehler, Griechenland aufzunehmen". Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing zur Krise Europas

Schmidt: Als der Vertrag von Maastricht 1992 unterzeichnet wurde, hatte die EU zwölf Mitgliedstaaten. Und diese zwölf haben den Fehler gemacht, jedermann in Europa zum Beitritt einzuladen, auch zur gemeinsamen Währung. (...)

Giscard: Ganz ehrlich, es war ein Fehler, Griechenland aufzunehmen. Griechenland war einfach nicht reif. Griechenland ist im Grunde ein orientalisches Land. (...)

Giscard: Ich hoffe, dass wir so schnell keine weiteren Mitglieder aufnehmen werden – vielleicht mit einer Ausnahme: Polen.
Kernsätze eines Gesprächs, das die "Spiegel-Redakteure" Romain Leick und Georg Mascolo mit Helmut Schmidt und Valérie Giscard d'Estaing führten; zu lesen im "Spiegel" der kommenden Woche (37/2012 vom 10. 9. 2012, S. 106 - 110).

Kommentar: Bemerkenswerte Einsichten von zwei großen Elder Statesmen. Giscard bescheinigt Schmidt, daß dieser bereits skeptisch gewesen sei, als Griechenland 1981 in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen wurde. Schmidt sei damals weiser gewesen als er selbst.

Dies ist ein Nebenaspekt - aber ja kein unwichtiger - der jetzigen Krise: Es ist vorbei mit der Erweiterungs-Euphorie. Vom Beitritt der Türkei spricht kaum noch jemand; immerhin ja noch etwas mehr als Griechenland "im Grunde ein orientalisches Land".

Eine weitere interessante Bemerkung Giscards zum Vertrag von Maastricht:
Das Problem war nicht der Text des Vertrags, sondern dessen Nichtanwendung. Das ist eine kuriose Tatsache. Die Europäische Kommission, die die Einhaltung überwachen sollte, hat es lange nicht getan und keine Sanktionen verhängt. Das befreite die Regierungen von jedem Risiko.
Es ist daran zu erinnern, daß die Kommission sich freilich nicht aus eigenem Antrieb so verhielt, sondern aufgrund massiven Drucks der Regierung Schröder; genauer: des Kanzlers Schröder, gegen den Widerstand seines Finanzministers Eichel (siehe Gerhard Schröder lacht. Er hat die Eurokrise nicht verstanden, nicht seine eigene fatale Rolle; ZR vom 22. 7. 2012).

An der Fehlentwicklung, die in die jetzige Krise geführt hat, waren viele Entscheidungen vieler Politiker beteiligt. Helmut Kohl war in seinem gutwilligen Europa-Eifer blind gewesen für die Gefahren. Aber keiner der Verantwortlichen hat so wie der Kanzler Schröder durch seine Bereitschaft zum ostentativen und bewußten Vertragsbruch die Weichen für den Weg in Krise gestellt.
Zettel



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