28. September 2012

Marginalie: Sind Sie ein Obama-Fan? Wollen Sie Mitt Romney als Präsidenten? Hier finden Sie die jeweiligen erfreulichen Informationen. Stand des Wahlkampfs

Am 6. November wählen die Amerikaner ihren neuen Präsidenten, der vielleicht - beim gegenwärtigen Stand des Wahlkampfs kann man sagen: wahrscheinlich - der alte sein wird. Aber noch ist die Schlacht für Mitt Romney nicht ganz verloren.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und zur Hoffnung der Anhänger des einen wie des anderen Kandidaten hat sich Mark Josef Stern, Praktikant beim Internet-Magazin Slate, etwas Hübsches einfallen lassen: Seit einer Woche veröffentlicht er (fast) täglich das Neueste, das die Anhänger Obamas hoffen läßt. Und das Neueste, das die Anhänger Romneys hoffen läßt. Titel der Serie: A ray of hope, ein Hoffnungsstrahl.

Gestern beispielsweise gab es für Anhänger Obamas diesen Hoffnungsstrahl: Sieben von zehn Amerikanern rechnen damit, daß der Affordable Care Act (Obamas Gesundheitsreform, oft Obamacare genannt) in Kraft treten wird - ob sie nun dafür oder dagegen sind.

Mitt Romney hat nun aber angekündigt, das Gesetz sofort nach seinem Amtsantritt zu kassieren; jedenfalls das meiste davon. Das Umfrageergebnis spricht also dafür, daß die Mehrheit der Amerikaner nicht mehr an einen Präsidenten Romney glaubt.

Die Umfrage zeigt den Realismus der meisten Amerikaner. Denn wenn es nach ihnen ginge, dann würden 49 Prozent das Gesetz komplett wieder abschaffen; 44 Prozent sind dafür, es beizubehalten.

Das Fazit von Mark Josef Stern:
In spite of its divisiveness, the health care issue has taken a back seat on the campaign trail, and it’s looking like an increasingly settled issue. To Obama, this might also look like an increasingly settled election.

Trotz der gegensätzlichen Fronten führt das Thema Krankenversicherung im Wahlkampf nur ein Schattendasein; es sieht immer mehr nach einer Sache aus, die abgehakt ist. Für Obama dürfte es immer mehr danach aussehen, daß auch die Wahl abgehakt ist.



Und der Hoffnungsstrahl für Mitt Romney? Er scheint mir etwas weniger hell zu leuchten als der für Obama:

2008 hat Obama unter anderem deshalb gewonnen, weil es seiner Wahlkampf­organisation besser gelang, die eigenen Wähler zu mobilisieren. Hier holten die Republikaner (GOP) jetzt auf. Die New York Times hatte dazu vorgestern einen ausführlichen Artikel.

Dieser Teil des Wahlkampfs wird von der Parteizentrale der GOP koordiniert, nicht dem Team Romneys. Bezahlte Helfer, vor allem aber Freiwillige suchen potentielle Wähler der GOP auf und suchen sie zu motivieren, auch wirklich wählen zu gehen. Bis jetzt hat es bereits mehr als 30 Millionen solche Kontakte gegeben - mehr als während des gesamten Wahlkampfs 2004 und 2008.

Wie systematisch man dabei vorgeht, zeigt das folgende Beispiel: In Colorado, Florida und North Carolina lassen sich Romneys Helfer jeden Abend vom Wahlamt die Daten derer geben, die Unterlagen für die Briefwahl beantragt haben. (Das Amt ist dazu verpflichtet, sie herauszugeben). Die Daten werden dann nach bestimmten Kriterien auf Wähler hin durchforstet, die vermutlich die GOP wählen werden; diese erhalten Material zugeschickt, das sie dazu motivieren soll, auch wirklich zu wählen.



Ob das Romney noch retten kann, ist freilich mehr als ungewiß. Zunächst hatte es danach ausgesehen, daß Obamas convention bounce, der "Hüpfer" in den Umfragen, nach dem Parteitag, vorbei sei. Mitte vergangener Woche lagen die beiden Kandidaten gleichauf; mit sogar leichten Vorteilen für Romney (siehe "Spiegel-Online" über Romney - die Desinformation geht weiter; 20. 9. 2012).

Inzwischen aber ist das, was "Spiegel-Online" damals fälschlich berichtet hatte, tatsächlich eingetreten: Seit dem Wochenende öffnet sich die Schere wieder zugunsten Obamas. Sie können das sehr schön beim daily tracking von Gallup sehen. (Zu der Methode des daily tracking siehe hier). Im mathematischen Modell von Nate Silver ist die Wahrscheinlichkeit eines Siegs von Obama auf den bisherigen Rekordwert von 83,9 Prozent angestiegen.

Am kommenden Mittwoch findet die erste von vier TV-Debatten statt; drei zwischen Obama und Romney, die vierte zwischen ihren running mates Ryan und Biden. Am Mittwoch wird es in der Universität von Denver, Colorado zwischen Romney und Obama um innenpolitische Themen gehen. Moderieren wird einer der angesehensten US-Journalisten, der 78jährige, für seine Fairness bekannte Jim Lehrer.

Romney bereitet sich seit Wochen auf diese Duelle vor. Vielleicht gelingt es ihm, am Mittwoch mit einem überzeugenden Auftritt den gegenwärtigen Trend umzukehren.

Viel Zeit bleibt nicht mehr; denn es besteht jetzt die Gefahr, daß sich ein momentum zugunsten von Obama entwickelt - der Erfolg, der den Erfolg heckt. Gilt der Präsident erst einmal als der wahrscheinliche Sieger, dann beflügelt das sein Team, zieht Unentschlossene an und motiviert nicht zuletzt Spender, Obamas Wahlkampf zu unterstützen.
Zettel



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