6. September 2012

Marginalie: "Spiegel-Online" vor Ort auf dem Parteitag der Demokraten. Vom Leiden des Journalisten. Blogger, du hast es besser

In "Spiegel-Online" kann man heute eine rührende, Mitleid erheischende Geschichte lesen. Sie handelten vom Leid der beiden Journalisten Sebastian Fischer und Marc Pitzke, die sich nach Charlotte, North Carolina, aufgemacht hatten, um von der National Convention der Demokraten zu berichten.

Auszüge aus ihrer Leidensgeschichte:
Das SPIEGEL-ONLINE-Team ist in Rock Hill in, ja, South Carolina, untergebracht, irgendwo auf dem Lande, eine Autostunde südlich (unter normalen Verkehrs­bedigungen). (...)

Und ach, das Essen.(...) Die Gänge der Time Warner Cable Arena sind verstopft, weil Hunderte mal eben eine Dreiviertelstunde für Hot Dogs oder Hamburger anstehen. (...) Nur verkaufen will die Delikatessen letztlich offenbar keiner. (...)

Drinnen dauert es eine gute Stunde, bis man seinen Sitzplatz gefunden hat. Unsere Pressebox: hintenrum, durchs Treppenhaus A1 nach oben, dann wieder drei Ebenen nach unten. Wir enden hoch oben, schräg hinter der Bühne, im akustischen Windschatten der Lautsprecher. "Nosebleed section" sagen die Amerikaner zu solchen Plätzen, so hoch oben und in dünner Luft, dass man Nasenbluten bekommt.
Da sitzen nun, der Pitzke und der Fischer, vom Nasenbluten bedroht, auf ihren miesen Plätzen. Und was erleben sie?

Sie erleben exakt das, was man ebenso bei CNN verfolgen kann: Sie hören die Delegierten jubeln, sie sehen - freilich aus der Ferne ihres Storchennests von schräg oben - die Redner. Und hören sie vielleicht sogar, die Redner; wenn sie Glück haben, in dem akustischen Windschatten, in dem sie hocken.

Sie wissen nicht mehr als der gemeine CNN-Gucker. Nein, weniger. Denn der sitzt ja immer in der ersten Reihe.

Das gilt jedenfalls, was das Geschehen in der Arena angeht. Sie werden einwenden: Ja, aber der Hintergrund! Vor Ort, das spricht man doch mit Delegierten, da bekommt man Informationen "unter drei"; also unter der Vereinbarung, die Quelle nicht offenzulegen.

Ja, schon. Im Prinzip. Aber die Qualität der politischen Kontakte von Marc Pitzke und Sebastian Fischer dürfte ihrem Rang in der Hierarchie der Journalisten entsprechen; ausgedrückt in ihrer Plazierung in den Höhen des Nasenblutens.

Wer wirklich Hintergründe erfahren will, der liest die Washington Post und die New York Times; der verfolgt nicht nur die Sendungen von CNN, sondern er liest auch das, was CNN auf seiner amerikanischen Website anbietet (es gibt auch eine internationale). Der liest den Economist und Time Magazine.

In der Washington Post zum Beispiel finden Sie heute nicht nur detaillierte Berichte, sondern auch Kommentare aus allen politischen Blickwinkeln; verfaßt von ganz Linken über moderates bis zu ganz Konservativen.

Wer das verfolgt, der ist zwangsläufig besser informiert als Fischer und Pitzke.



Ich spreche natürlich vom Blogger. In aller Bescheidenheit möchte ich in Anspruch nehmen, daß Sie in ZR zuverlässiger über diesen Wahlkampf informiert werden als von "Spiegel-Online"; ob in der Serie US-Präsidentschaftswahlen 2012, ob in den Marginalien der letzten Tage. (Es war eine Reihe von Kurzbeiträgen und deshalb nicht in die Serie einbezogen).

Der Blogger hat Zugang zu denselben Quellen wie Marc Pitzke und Sebastian Fischer; aber bequemer. Er hat ihn, an seinem Rechner sitzend. Ohne sich eine Stunde lang zum Parteitag quälen zu müssen, für mieses Essen anzustehen und dann auch noch mit den schlechtesten Plätzen abgespeist zu werden.
Zettel



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