13. September 2012

Marginalie: In Holland siegt der Rechtsliberale Mark Rutte. Schlappen für die Linkssozialisten und die Grünen. Geert Wilders fällt fast vom Stuhl

In Holland sind jetzt 97 Prozent der Stimmen ausgezählt. Die auf dieser Grundlage errechnete Sitzverteilung dürfte der endgültigen sehr nahe kommen.

Über die Lage unmittelbar vor den Wahlen und die Aussichten der Parteien habe ich gestern berichtet. Auf diesen Artikel beziehe ich mich jetzt:
  • Sowohl die VVD als auch die PvdA haben noch stärker abgeschnitten, als es ohnehin erwartet worden war. Es hat eine Polarisierung stattgefunden; es gab einen Trend hin zu den beiden großen Parteien. Dabei wanderten offenbar Stimmen von der CDA (nur noch 13 Sitze; -8) zur VVD. Wähler, die sich in den Umfragen noch vor kurzem für die SP ausgesprochen hatten, schwenkten spiegelbildlich zur PvdA um.

  • Sieger ist Mark Ruttes VVD mit voraussichtlich 41 Sitzen (+10). Der Spitzenkandidat der PvdA, Diederik Samsom, hat inzwischen Ruttes Sieg anerkannt. Die PvdA selbst kam auf ebenfalls ausgezeichnete 39 Sitze (+9). Auf die Frage, was er jetzt tun werde, sagte Rutte kurz vor drei Uhr: Ich werde schlafengehen. Über die Koalitionsfrage werde er morgen nachdenken.

  • Die linkssozialistische und euroskeptische PS, die in den Umfragen noch vor einigen Wochen mit 38 Sitzen als stärkste Kraft gehandelt worden war, ist, gemessen an diesen Erwartungen, völlig eingebrochen. Sie erreichte 15 Sitze; so viele, wie sie schon im letzten Parlament gehabt hatte. Noch schlimmer wurden die Grünen gebeutelt. Sie rutschten von 10 auf 3 Sitze ab. An eine Linkskoalition ist damit trotz des guten Abschneidens der PvdA nicht mehr zu denken. Sie hätte gerade einmal 57 Mandate; die absolute Mehrheit liegt bei 76.

  • Geert Wilders' PVV ist von 24 auf 15 Sitze zurückgefallen. Die Niederlage ist damit nicht ganz so dramatisch, wie es nach den ersten Hochrechnungen ausgesehen hatte. Aber Wilders' Reaktion ist nachvollziehbar: Er sei fast vom Stuhl gefallen.

  • Der dritte Gewinner neben den beiden großen Parteien sind die D66; zur Position dieser Partei siehe den gestrigen Artikel. Die D66 ("Demokraten 66", nach ihrem Gründungsjahr so genannt) legten von 10 auf 12 Sitze zu.

  • Die kleinen Parteien haben ihre treue Wählerschaft. Dort änderte sich wenig. Die konservative Christenunion hat wieder 5 Sitze; die protestantisch-konservative SGP gewann mit 3 Sitzen einen hinzu. Die Tierschutzpartei PvdD hat wieder 2 Sitze. Erstmals in die Tweede Kamer eingezogen ist die Seniorenpartei 50+ mit ebenfalls 2 Sitzen. Die Piraten sind gescheitert.
  • Dieses Wahlergebnis hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem in Deutschland 2005. Samsom ist weit von einer linken Mehrheit entfernt. Aber Rutte kann ebensowenig eine Mitte-Rechts-Regierung zustandebringen. Allein eine Große Koalition verspricht eine stabile Mehrheit.

    Freilich liegen die rechtsliberale VVD und die sozialdemokratische PvdA viel weiter auseinander als damals die Union und die SPD. Rutte will das Land durch fiskalische Disziplin sanieren; Samsom wendet sich ausdrücklich gegen eine Sparpolitik. Auch persönlich liegen Welten zwischen dem ehemaligen Unilever-Manager Rutte und dem Umwelt­aktivisten Samsom, einem der prominenten Unterstützer von Greenpeace.

    In dem gestrigen Artikel habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß im Fall einer von Samsom geführten Linkskoalition Holland ins Lager der von François Hollande angeführten Länder wechseln werde, die in Europa Wachstum statt fiskalischer Disziplin wollen. Dieser Fall wird nach dem Sieg Ruttes nicht eintreten. Aber wo würde sich eine Regierung Rutte/Samsom europapolitisch positionieren? Irgendwo als ein Weltkind in der Mitten?­
    Zettel



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