5. September 2012

Marginalie: Michelle Obamas fulminanter Auftritt; dazu zwei Links. Die Demokraten rücken von Israel ab. Umriß ihrer Strategie

In diesem Fall sollten Sie sich nicht mit dem Lesen des Redetexts begnügen, sondern sich das Video der Rede ansehen.

Ich hatte Michelle Obama noch nie bei einer längeren Rede erlebt. Sie ist fulminant. Sie hat ein schauspielerisch-rhetorisches Talent, um das sie mancher Hollywoodstar beneiden könnte. Dazu einen großen Charme in Mimik und Gestik.

Offenbar war die Rede gründlich einstudiert. Jedes Lachen, jede Geste saß. Diese Frau hat die Bühnenpräsenz einer Größe des Showgeschäfts. Der Inhalt der Rede war im Vergleich damit belanglos.



Dieser Inhalt paßte in das Konzept der Obama-Kampagne, das an diesem ersten Abend deutlich wurde. Es basiert auf der Idee, den Republikanern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man einfach deren zentrales Thema übernimmt.

Dieses war vor einer Woche der Amerikanische Traum gewesen; die Freiheit für jeden, alles erreichen zu können, wenn er sich nur anstrengt. Das durchzog jetzt auch die Reden an diesem Abend. Die Botschaft war: Das wollen wir auch; nur sind wir sympathischer, vielfältiger, moderner, sozial gerechter. Man schlüpft in das Gewand des Gegners.

Zu dieser Strategie gehört es, daß das Militär in der gestrigen Show eine große Rolle spielte. Es sprach eine Soldatin, die im Irakkrieg Einsätze geflogen hatte; es trat eine Mutter von fünf Söhnen auf, von denen vier bei den Streitkräften sind. Der fünfte werde es auch noch dahin schaffen, sagte sie. Es wurde von Initiativen zur besseren Versorgung von Veteranen berichtet. Man wollte in Patriotismus den Republikanern in nichts nachstehen.

Der Abend war sehr professionell inszeniert; showtechnisch besser als irgend etwas, das ich letzte Woche bei den Republikanern in Tampa gesehen habe. Wenn das heute und morgen so weitergeht, dann dürfte Obama Ende der Woche in den Umfragen wieder in Führung liegen.

Derzeit profitiert Romney von seiner National Convention und liegt erstmals seit Beginn des Wahlkampfs vor Obama; knapp mit 47 : 46 Prozent. Das ist der übliche convention bounce, der Hüpfer in den Umfragen direkt nach einem Parteitag.



Das Parteiprogramm der Demokraten, das schon vor dem offiziellen Beginn veröffentlicht wurde, enthält drei bemerkenswerte Änderungen gegenüber 2008: Es fehlt der Satz, daß Israel der engste Verbündete der USA (strongest ally) in der Region ist. Es fehlte der Satz, daß Jerusalem die Hauptstadt Israels ist und bleiben wird. Und gestrichen hat man das Wort "Gott".

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Zettel



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