13. September 2012

Ziemlich beste Tattoos

Anscheinend gab es kürzlich einen Film des Titels "Ziemlich beste Freunde", und ein Buch von Bettina Wulff, in dem sie neben anderen Themen ihr Tattoo behandelte.

Das eine veranlasste Harald Martenstein, Chefspötter der Zeit, und das andere Ulf Poschardt, Cheflyriker der Welt, zu je einer Meckerecke zum Thema Originalität. Nichts sei weniger originell, als der Versuch, originell zu sein, und jeder Spießer beeile sich, nicht als Spießer zu erscheinen, so die These der beiden Autoren, wer mit Tätowierungen oder der inzwischen beliebten Sprachmarotte von den "ziemlich besten" aufzufallen versucht, befinde sich gemeinsam mit allen anderen, die das tun, auf einem Holzweg.

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Die praktische Nutzanwendung, die beide Autoren dieser Betrachtung entnehmen, ist freilich äußerst gegensätzlich.

Martenstein rät zur Normalität: Unoriginell zu sein ist heutzutage das Mutigste und Originellste überhaupt.

Leider funktionierte das nur bis gestern Abend. Seit heute Vormittag gilt jeder, der sich um betonte Unauffälligkeit bemüht, nicht länger als Original, sondern nur noch als Martensteinleser.

"Lahme These übrigens", heißt es sicher heute Mittag landauf, landab in den Kantinen und Cafés, "x-mal schon gehört." Wenn einer heute wirklich etwas Besonderes sein will, könnte er zum Beispiel mit dem Wissen glänzen, wer der erste war, der mit dieser Volte seine Leser unterhalten hat. Ich habe sie bei Claudio Magris kennengelernt, in seinem Buch "Die Donau" von 1986, bin mir aber ziemlich sicher, dass irgendein säuerlicher Römer, Seneca oder so, dergleichen auch schon geschrieben hat.

Im Gegensatz zu Martensteins Understatement rät Poschardt zur Übertreibung: man betone die Unauffälligkeit nicht durch Unauffälligkeit, sondern so auffällig wie möglich, man stoße seine Mitwelt geradewegs auf das Bekenntnis zur eigenen Spießigkeit. (Bitte lesen Sie selber nach, was ihm zu Bettina Wulffs Verzierung eingefallen ist.)

Diese Idee scheitert leider an ihrer Widersprüchlichkeit: es kennzeichnet also nach Poschardt den Spießer, etwas anderes scheinen zu wollen, als er ist. Daraus folgt, wenn ich mich als Spießer markiere, bin ich keiner. Dann unterscheide ich mich aber von dem Anschein, den ich mir gebe. Folglich bin ich doch ein Spießer.

Keiner der beiden Vorschläge überzeugt. Mit Martenstein kommt man nicht von der Stelle, mit Poschardt dreht man sich im Kreis.

Am weitesten kommt man wohl mit Kants Ratschlag: Besser ist es aber doch immer, ein Narr in der Mode als ein Narr außer der Mode zu sein.

Die Leute machen es schon ganz richtig mit ihren Marotten. Ok?

Kallias



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