27. September 2012

Über Reparationen

"Wie lange sollen also die Deutschen für alles Mögliche zahlen?" war die Frage, die Zettel vor einigen Wochen zitierte. Die Frage hatte der ehemalige slowakische Parlamentspräsident Sulik in Zeit-Online gestellt und er kam letztlich zum Schluß, daß Deutschland schon genug gezahlt habe und eine weitere Haftung für die Vergehen früherer Generationen unangemessen sei.

Die Gegenposition ist nun ebenfalls auf Zeit-Online zu lesen.
"Schulden wir den Griechen noch einige Milliarden?" fragt der deutsche Professor Ritschl. Und kommt letztlich zum Schluß, daß die Deutschen noch beliebig lange für alles Mögliche zahlen sollten.
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Wobei er zuerst einmal ganz seriös Bestandsaufnahme macht. Es gibt noch Schulden der Reichsbank bei Kriegsende, die grundsätzlich der Bundesrepublik in Nachfolge des Deutschen Reichs zuzurechnen sind. Selbst mit Verzinsung sind diese 50 Millionen Reichsmark allerdings heute bedeutungslos gegenüber den Zahlungen, die Deutschland nach diversen Altschuldenabkommen bzw. Wiedergutmachungsvereinbarungen geleistet hat.

Um also weitere Zahlungsverpflichtungen zu konstruieren, verweist Ritschl auf das Konzept "Reparationen". Und führt aus:
Reparationen wurden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Besatzungsmächte als Sachlieferungen entnommen, sowohl durch Demontagen als auch aus laufender Produktion. Dazu kamen die Gebietsverluste im Osten.
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Griechenland profitierte von diesen Sachlieferungen der frühen Nachkriegszeit nicht.
Griechenland hat also keine Reparationen bekommen, hätte aber gerne welche. Und diese Ansprüche rechnet Ritschl hoch und schlägt vor, diese sollten ausgeglichen werden, indem Deutschland auf die Bezahlung seiner Exportüberschüsse verzichtet. Letztlich also nicht nur die aktuellen Schulden Griechenlands übernimmt, sondern auch weiter liefert, ohne Gegenleistungen zu erhalten.
Vielleicht "nur" bis zur bisherigen griechischen Maximalforderung von 300 Milliarden Euro an "Reparationen" - aber das läßt Ritschl offen.

Was Ritschl dabei völlig ausblendet: Es gibt überhaupt keine juristische Grundlage für diese Reparationsforderungen. Es gibt diesen Begriff im Völkerrecht nicht, bzw. es gibt ihn nur als Präzedenzfall aus einigen Friedensverträgen. "Reparationen" sind letztlich der moderne Begriff, mit dem ein Kriegssieger vom Verlierer Beute fordert.

Ein Napoleon bediente sich noch direkt aus dem Vermögen der Besiegten. Es lohnt da die Berichte über die Plünderung der reichen Stadtstaaten Bern und Venedig zu lesen.
Im Wiener Kongreß wurde Frankreich dann zumindestens zur Rückgabe der geraubten Kunstschätze verpflichtet. Was nur teilweise geschah und die Abgesandten der Siegermächte jahrelang beschäftigte.

Nach dem deutsch-französischen Krieg wurde das sortierter geregelt: Die siegreichen Preußen verpflichteten das besiegte Frankreich zu einer "Reparation" von 5 Milliarden Goldfranken, zahlbar in mehreren Raten.
Und 1918 kam dann die Revanche in Form von Reparationsforderungen, deren maßlose Höhe schon Zeitgenossen als entscheidenden Fehler kritisierten und die mit Grund für den nächsten Weltkrieg waren.
Woraus die Siegermächte ihre Lehren zogen und nach 1945 zwar Reparationen forderten und bekamen, dabei aber die Leistungsfähigkeit der besiegten Staaten nicht überforderten. Übrigens ist Finnland das einzige Verliererland des zweiten Weltkriegs, das seine Reparationsverpflichtungen auch wirklich voll bezahlt hat.

Und wo kommt nun Griechenland vor?
Überhaupt nicht. Es war keine Siegermacht des zweiten Weltkriegs, war an keinem Abkommen beteiligt, bis hin zum "Ersatz-Friedensvertrag" 2-Plus-4-Vertrag von 1990.

Es gibt also keine Grundlage für diese von Ritschl dargestellten Reparationsideen. Deutschland hat alle von den Siegermächten gestellten Bedingungen erfüllt, alle geforderten Zahlungen geleistet - und darüber hinaus in zahlreichen Einzelverträgen freiwillige Entschädigungen an viele wesentlich vom Krieg betroffene Staaten bezahlt. Unter anderem auch an Griechenland.

Eine darüber hinausgehende Verpflichtung gibt es völkerrechtlich nicht - und die wird es auch nie geben, weil das quasi auf eine monetäre Rückabwicklung der Weltgeschichte hinauslaufen würde.
Unsere Rechnungen an Frankreich und Schweden wegen des 30-jährigen Kriegs oder an Italien wegen der römischen Eroberung Süddeutschlands müßten mit Zinsen jedenfalls locker ausreichen, um die griechischen Entschädigungsideen auszugleichen.

R.A.

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