"Spiegel-Online" leistet sich zwei Korrespondenten in den USA, Marc Pitzke in New York und Sebastian Fischer in Washington. Manchmal hat man den Eindruck, daß die beiden sich in einem Wettbewerb befinden, wer am besten über den US-Wahlkampf desinformiert; wer es schafft, die Fakten mehr zu Gunsten von Obama und zu Ungunsten von Romney zurechtzubiegen.
Gestern habe ich über einen Artikel berichtet, in dem Sebastian Fischer desinformierte. Heute sucht ihn Marc Pitzke zu toppen.
Im Vorspann zu seinem Artikel "Romneys Flucht nach vorn" heißt es:
In den USA führen zwei Institute sogenannte daily trackings durch; Befragungen Tag für Tag, aus denen jeweils, um stabilere Werte zu haben, über mehrere Tage ein gleitender Mittelwert gebildet wird. Rasmussen macht das über drei Tage, Gallup seit Mai über sieben Tage. "Gleitender Mittelwert" bedeutet: Der heute publizierte Wert umfaßt bei einem Mittel über drei Tage den Mittelwert der Erhebungen von gestern, vorgestern und heute; der morgige die Erhebungen von gestern, heute und morgen; und so fort.
In Rasmussens daily tracking für die gesamten USA führte Romney gestern mit 47:46. Bei Rasmussen sind gestern auch alle anderen Werte für Romney angestiegen. In dem Neu-England-Staat New Hampshire, einem der swing states, der Staaten auf der Kippe, hat jetzt Mitt Romney mit 48 zu 45 Prozent die Mehrheit. Die Umfrage (in diesem Fall kein gleitender Mittelwert) wurde vorgestern durchgeführt, also nach dem Bekanntwerden der angeblichen "Peinlichkeiten".
Ebenfalls vorgestern hatte Romney in Colorada Obama mit 48:45 überholt; auch dies ein swing state. In der Gesamtheit der 11 Staaten, die als swing states gelten (Colorado, Florida, Iowa, Michigan, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, Virginia and Wisconsin) lag vorgestern Romney mit 47:46 knapp vor Obama.
Bei Gallup sieht es ähnlich aus. Sehen Sie sich einmal die gestrige Grafik von Gallup an. Man sieht deutlich den convention bounce, der im Zeitraum 6. - 11. 9. seinen Höhepunkt hatte; den "Hüpfer" nach dem Parteitag. Damals lag Obama mit 50:43 vorn. Inzwischen schließt sich die Schere wieder. Vorgestern (also im Erhebungszeitraum 11. - 17. 9.) lag Obama nur noch mit 47:46 vorn. Bei Rasmussen sind es 47:46 zugunsten von Romney. Beides Differenzen im Zufallsbereich. Mehr an Kopf-an-Kopf geht nicht.
Ebenfalls gestern schrieb Nate Silver, mit seiner Seite FiveThirtyEight der vermutlich sorgfältigste Analytiker der Umfragen zur Präsidentschaftswahl:
Im Text ist gar nicht mehr von "neuen Umfragen" die Rede, sondern es wird eine einzige zitiert:
Wie hat sich nun der widerrechtliche (und strafbare; in unseren Medien wird das selten thematisiert) Mitschnitt von Romneys Rede tatsächlich ausgewirkt? Das ist das eigentliche Thema der Ipsos-Umfrage für Reuters, aus der "Spiegel-Online" lediglich eine Veränderung im Zufallsbereich als Beleg dafür zitiert, daß Romney "in neuen Umfragen zurückfällt".
Die Veröffentlichung dieser Rede hat ein geteiltes Echo gefunden, wobei die negativen Stellungnahmen überwiegen.
In der Umfrage sahen 43 Prozent nach dieser Veröffentlichung less favorably, also weniger positiv. Nur 26 Prozent sagten, sie sähen Romney danach more favorably, also positiver. Allerdings meinten 41 Prozent, daß Romney mit seiner Bemerkung über die 47 Prozent der Amerikaner, die von der Regierung abhängig sind, "einen wichtigen Punkt zur Regierung der USA angesprochen hat".
Die Sprecherin von Ipsos, Julia Clark, bemerkte dazu, das sei nicht gerade toll für Romney. Solch eine Sache habe eine Auswirkung auf das Image des Kandidaten; aber es sei nicht das, was darüber entscheide, wie die Menschen am 6. November wählen.
Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt Gallup, das gestern ebenfalls eine Umfrage zu diesem Thema publiziert hat; durchgeführt am Dienstag. Die Befragten sollten sagen, ob sie nach dieser Äußerung Romneys ihn eher wählen würden, ihn eher nicht wählen würden, oder ob das für ihre Wahlentscheidung gleichgültig sei. Gleichgültig war es 43 Prozent. Romney daraufhin eher wählen wollten 20 Prozent, ihn eher nicht wählen 36 Prozent.
Gallup schreibt dazu, daß die meisten Amerikaner ihre Wahlentscheidung bereits getroffen hätten. Diejenigen, die sagen, sie würden ihn jetzt eher wählen, dürften diejenigen sein, die sich ohnehin für ihn entschieden haben; sie fühlen sich lediglich bestätigt. Umgekehrt ist es nicht anders.
Auf den Wahlausgang dürfte diese Geschichte also kaum eine Auswirkung haben, meint Gallup und kommt damit zum selben Schluß wie Ipsos.
Nur die Desinformations-Journalisten von "Spiegel-Online" wollen uns das Gegenteil weismachen
Gestern habe ich über einen Artikel berichtet, in dem Sebastian Fischer desinformierte. Heute sucht ihn Marc Pitzke zu toppen.
Im Vorspann zu seinem Artikel "Romneys Flucht nach vorn" heißt es:
100 Prozent, das ist die neue Sprachregelung: Krampfhaft beteuert Mitt Romney, dass ihm alle Amerikaner am Herzen lägen. Doch seine abfälligen Worte über Obamas Wähler kann er nicht mehr einfangen - das PR-Debakel ist perfekt. In neuen Umfragen fällt er zurückDie glatte Unwahrheit. Die Umfragen zeigen im Gegenteil, daß Romney in den letzten Tagen aufgeholt hat.
In den USA führen zwei Institute sogenannte daily trackings durch; Befragungen Tag für Tag, aus denen jeweils, um stabilere Werte zu haben, über mehrere Tage ein gleitender Mittelwert gebildet wird. Rasmussen macht das über drei Tage, Gallup seit Mai über sieben Tage. "Gleitender Mittelwert" bedeutet: Der heute publizierte Wert umfaßt bei einem Mittel über drei Tage den Mittelwert der Erhebungen von gestern, vorgestern und heute; der morgige die Erhebungen von gestern, heute und morgen; und so fort.
In Rasmussens daily tracking für die gesamten USA führte Romney gestern mit 47:46. Bei Rasmussen sind gestern auch alle anderen Werte für Romney angestiegen. In dem Neu-England-Staat New Hampshire, einem der swing states, der Staaten auf der Kippe, hat jetzt Mitt Romney mit 48 zu 45 Prozent die Mehrheit. Die Umfrage (in diesem Fall kein gleitender Mittelwert) wurde vorgestern durchgeführt, also nach dem Bekanntwerden der angeblichen "Peinlichkeiten".
Ebenfalls vorgestern hatte Romney in Colorada Obama mit 48:45 überholt; auch dies ein swing state. In der Gesamtheit der 11 Staaten, die als swing states gelten (Colorado, Florida, Iowa, Michigan, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, Virginia and Wisconsin) lag vorgestern Romney mit 47:46 knapp vor Obama.
Bei Gallup sieht es ähnlich aus. Sehen Sie sich einmal die gestrige Grafik von Gallup an. Man sieht deutlich den convention bounce, der im Zeitraum 6. - 11. 9. seinen Höhepunkt hatte; den "Hüpfer" nach dem Parteitag. Damals lag Obama mit 50:43 vorn. Inzwischen schließt sich die Schere wieder. Vorgestern (also im Erhebungszeitraum 11. - 17. 9.) lag Obama nur noch mit 47:46 vorn. Bei Rasmussen sind es 47:46 zugunsten von Romney. Beides Differenzen im Zufallsbereich. Mehr an Kopf-an-Kopf geht nicht.
Ebenfalls gestern schrieb Nate Silver, mit seiner Seite FiveThirtyEight der vermutlich sorgfältigste Analytiker der Umfragen zur Präsidentschaftswahl:
President Obama has been on the decline in the FiveThirtyEight forecast. On Tuesday, his chance of winning the Electoral College dropped to 72.9 percent, from 74.8 percent on Monday. Mr. Obama is now well off his peak in the forecast, 80.8 percent, which he reached on Sept. 12.Und wie kommt Marc Pitzke nun zu der Behauptung daß - so der Vorspann - Romney "in neuen Umfragen zurückfällt"?
Präsident Obama ist in der Vorhersage von FiveThirtyEight im Niedergang begriffen. Am Dienstag fiel seine Chance, eine Mehrheit im Wahlleute-Gremium zu erreichen, auf 72,9 Prozent; von 74,8 Prozent am Montag. Obama ist jetzt weit weg von dem Spitzenwert in der Vorhersage; den 80,8 Prozent, die er am 12. September erreichte.
Im Text ist gar nicht mehr von "neuen Umfragen" die Rede, sondern es wird eine einzige zitiert:
In einer Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters konnte Obama seinen Vorsprung gegen Romney am Mittwoch gegenüber dem Vortag um einen Punkt auf fünf Prozent ausbauen.Das ist alles. Ein Punkt (also tief im Zufallsbereich von +/- 3,2 Prozentpunkten in diesem Fall) bei einer einzigen Umfrage - und die Desinformations-Journalisten von "Spiegel-Online" machen daraus "In neuen Umfragen fällt er zurück". Das Gegenteil der Wahrheit.
Wie hat sich nun der widerrechtliche (und strafbare; in unseren Medien wird das selten thematisiert) Mitschnitt von Romneys Rede tatsächlich ausgewirkt? Das ist das eigentliche Thema der Ipsos-Umfrage für Reuters, aus der "Spiegel-Online" lediglich eine Veränderung im Zufallsbereich als Beleg dafür zitiert, daß Romney "in neuen Umfragen zurückfällt".
Die Veröffentlichung dieser Rede hat ein geteiltes Echo gefunden, wobei die negativen Stellungnahmen überwiegen.
In der Umfrage sahen 43 Prozent nach dieser Veröffentlichung less favorably, also weniger positiv. Nur 26 Prozent sagten, sie sähen Romney danach more favorably, also positiver. Allerdings meinten 41 Prozent, daß Romney mit seiner Bemerkung über die 47 Prozent der Amerikaner, die von der Regierung abhängig sind, "einen wichtigen Punkt zur Regierung der USA angesprochen hat".
Die Sprecherin von Ipsos, Julia Clark, bemerkte dazu, das sei nicht gerade toll für Romney. Solch eine Sache habe eine Auswirkung auf das Image des Kandidaten; aber es sei nicht das, was darüber entscheide, wie die Menschen am 6. November wählen.
Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt Gallup, das gestern ebenfalls eine Umfrage zu diesem Thema publiziert hat; durchgeführt am Dienstag. Die Befragten sollten sagen, ob sie nach dieser Äußerung Romneys ihn eher wählen würden, ihn eher nicht wählen würden, oder ob das für ihre Wahlentscheidung gleichgültig sei. Gleichgültig war es 43 Prozent. Romney daraufhin eher wählen wollten 20 Prozent, ihn eher nicht wählen 36 Prozent.
Gallup schreibt dazu, daß die meisten Amerikaner ihre Wahlentscheidung bereits getroffen hätten. Diejenigen, die sagen, sie würden ihn jetzt eher wählen, dürften diejenigen sein, die sich ohnehin für ihn entschieden haben; sie fühlen sich lediglich bestätigt. Umgekehrt ist es nicht anders.
Auf den Wahlausgang dürfte diese Geschichte also kaum eine Auswirkung haben, meint Gallup und kommt damit zum selben Schluß wie Ipsos.
Nur die Desinformations-Journalisten von "Spiegel-Online" wollen uns das Gegenteil weismachen
Zettel
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