4. September 2012

Zitate des Tages: Ankauf von Daten-CDs. Leutheusser-Schnarrenberger hat in der Sache Recht. Aber politisch war ihr Alleingang denkbar unglücklich

Der Kauf von gestohlenen Daten durch die Obrigkeit verleiht dem Datendieb eine ungerechtfertigte Legitimation. Der Staat fährt taktisch wie moralisch auf der gleichen Schiene wie der Dieb.
Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Wolfgang Ewer, zitiert in der gestrigen FAZ.
Bei uns können fiskalische Interessen nicht über rechts­staat­liche Prinzipien gestellt werden.
Erbprinz Alois von Liechtenstein am 19. Februar 2008, damals zitiert in ZR.
Der Staat setze sich mit dem Datendieb an einen Tisch. Er belohnt für das Delikt, erzeugt einen ganzen Markt krimineller Datensammler und macht sich nebenbei auch noch selbst zum Datenhehler. Kurz gesagt: Um eine mittelschwere Straftat (Steuerbetrug) zu verfolgen, begehen Organe des Rechtsstaats selbst Straftaten (Hehlerei, Begünstigung, Beihilfe zur strafbaren Verwertung von Geschäftsgeheimnissen, Hehlerei).
Aus einem Artikel in der F.A.S. vom 31. Januar 2010, damals zitiert in ZR.

Kommentar: Der Vergleich der Zitate zeigt, wie alt die Diskussion ist, die jetzt wieder um Steuerflucht und die Verfolgung von Steuerflüchtigen geführt wird.

Anfang 2008 ging es noch nicht um den Ankauf von Daten-CDs, sondern um Konten mit Schwarzgeld in Liechtenstein (siehe Steuerhinterziehung, ein stellvertretender Chefredak­teur, die Reichen und die Schizophrenie; ZR vom 17. 2. 2008).

2010 dann geschah es zum ersten Mal, daß Straftäter dem deutschen Fiskus CDs mit Daten von Steuersündern anboten. Es wurde heftig in der Öffentlichkeit diskutiert, ob er sie kaufen dürfe; am Ende wurden sie bekanntlich gekauft.

Wenn Sie sich die Heftigkeit der damaligen Diskussion noch einmal vor Augen führen wollen, dann mögen Sie vielleicht nachlesen, was damals Thomas Darnstädt in "Spiegel-Online" und was Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" geschrieben haben; beide Journalisten und promovierte Juristen. Ich habe es in diesen beiden Artikeln zitiert:
  • Der Finanzminister als Hehler? Wie der Staat (vielleicht) aus Habgier das Rechtsbewußtsein (noch ein wenig mehr) zerstört; ZR vom 31. 1. 2010

  • "Der Staat nimmt sich das Recht, das Recht zu brechen". Noch einmal zum Staat als Hehler. Messen mit zweierlei Maß. Beispiel Prantl; ZR vom 2. 2. 2010



  • Als jetzt Mitte Juli ruchbar wurde, daß das Land NRW erneut solche illegal beschaffte Daten gekauft hatte, gab es zwar auch noch eine gewisse Aufregung; aber eher auf der politischen Ebene, weil damit das Steuerabkommen mit der Schweiz gefährdet wurde, das Anfang 2013 in Kraft treten soll.

    Jetzt aber ist doch noch eine Grundsatzdiskussion ausgelöst worden, und zwar ausgerechnet durch die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

    Ich schreibe "ausgerechnet", weil sie es 2010 vermieden hatte, eindeutig Stellung zu beziehen (siehe Wo ist eigentlich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der CD-Affäre? Irgendwo hinter Schäuble versteckt?; ZR vom 4. 2. 2010).

    Hat sie inzwischen gelernt? Oder hat sie politische Gründe, sich jetzt eindeutig zu positionieren? So sehr ich mit ihrer Forderung übereinstimme, die Rechtssituation zu klären und den Ankauf illegal beschaffter Daten durch den Staat zu verbieten - ihr Alleingang war unglücklich; zurückhaltend formuliert.

    Offenbar preschte sie vor, ohne sich mit der Parteiführung der FDP abzustimmen; auch nicht mit ihrem Kollegen Schäuble, hinter dessen Zuständigkeit sie sich noch vor zwei Jahren versteckt hatte.

    Ihr Vorschlag war damit absehbar aussichtslos. Die Folge ihres Alleingangs wird nicht sein, daß ein solches Gesetz kommen wird. Wohl aber war das eine Steilvorlage für die Opposition und die linken Medien, die FDP der Kumpanei mit Steuersündern zu bezichtigen. Wohl aber hat es zu einem scharfen öffentlichen Streit mit der Parteiführung geführt; dazu noch zum Streit mit ihrem CDU-Kollegen Schäuble.

    Was soll das? Die FDP hat sich seit den Wahlerfolgen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen ein wenig stabilisiert. Ein öffentlicher Streit ist das, was sie jetzt am wenigsten brauchen kann. Wollte Leutheusser-Schnarren­berger zum Halali auf den Vorsitzenden Rösler blasen? ­
    Zettel



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