2. August 2010

Zitat des Tages: Die Taliban gratulieren. Nebst als Nachtrag einer Liste früherer Artikel zu Afghanistan in ZR

Wir möchten den Bürgern und der Regierung der Niederlande von ganzem Herzen dazu gratulieren, dass sie den Mut hatten, diese unabhängige Entscheidung zu fällen.

Der Sprecher der afghanischen Taliban Kari Jusuf Ahmadi gegenüber der niederländischen Zeitung "De Volkskrant" über den Abzug der niederländischen Truppen aus Afghanistan, der gestern begann; nachzulesen in "Welt-Online".


Kommentar: Als ich in den achtziger Jahren in der Nähe von Den Haag wohnte, habe ich mir auch einmal das dortige Verteidigungsministerium angesehen - ein altes Palais mitten in der Stadt, (damals) offen zugänglich, noch nicht einmal eine Wache vor dem Eingang. Langhaarige Soldaten in schlecht sitzenden, offenbar ungebügelten Uniformen gingen ein und aus.

Ich fand soviel Gelassenheit beeindruckend und habe einem Kollegen davon erzählt, einem Amerikaner: Dessen Kommentar: "I hope that this army will never have to defend you" - er hoffe, daß diese Armee uns (Europäer) niemals verteidigen müsse.

Wie Recht er gehabt hatte, wurde mir erst bei dem Verhalten der niederländischen Truppen 1995 in Srebrenica klar, als diese Truppen den Mord an Tausenden von Bosniern zuließen.

Jetzt also zieht man aus Afghanistan ab.

Man muß es dem noch amtierenden Ministerpräsidenten Balkenende hoch anrechnen, daß er diesen Abzug verhindern wollte und dabei sogar seine Regierung aufs Spiel gesetzt und schließlich geopfert hat.

Aber die Verlängerung des Mandats für den Einsatz in Afghanistan konnte er nun einmal nicht gegen die Sozialdemokraten durchsetzen; jetzt verlassen also die niederländischen Truppen Afghanistan. Auch die Afghanen hatten vergeblich gehofft, von diesen holländischen Truppen verteidigt zu werden.

"Experten gehen davon aus, dass der Abzug der 2000 Holländer keine gravierenden militärischen Auswirkungen haben wird", schreibt Jens Wiegmann in dem Artikel, dem ich das Zitat entnommen habe, "stärker dürften allerdings die politischen Effekte sein".

In der Tat. Die deutsche Linke - die SPD und erst recht die Kommunisten - dürften sich jetzt Holland zum Vorbild nehmen. Der Berliner Innensenator Erhart Körting im "Spiegel" dieser Woche: "Wir müssen auch dann mit dem Rückzug beginnen, wenn unsere Ziele noch nicht vollständig erreicht sind."

Zu deutsch: Wir sollen Afghanistan den Taliban überlassen.




Nachtrag um 17.15: Als Antwort auf einen Kommentar in Zettels kleinem Zimmer habe ich dort eine Auswahl früherer Beiträge in ZR zum Thema Afganistan zusammengestellt, die ich hier anfüge. Die Titel sind teilweise gekürzt:
* Sind Kriege gegen Aufständische zu gewinnen? - September 2008

Was wollen Schröder? Afghanistan und die deutschen Interessen - Februar 2009

* Präsident Obamas verwirrende Strategie für Afghanistan - März 2009

Provokatives von Volker Rühe zum Einsatz in Afghanistan - August 2009

Bombardierte Tanklastzüge, die Taliban, der deutsche Wahlkampf - September 2009

Wer ist eigentlich in Afghanistan ein Zivilist? - September 2009

Fünfundzwanzig Experten sagen uns, was in Afghanistan getan werden muß - September 2009

* Was wollen wir eigentlich in Afghanistan? - September 2009

* "Präsident Obama muß eine Entscheidung treffen" - Oktober 2009

* John McCain zu Afghanistan. Nebst einer Anmerkung über psychologische Kriegsführung - November 2009

* Obama zu Afghanistan - Dezember 2009

* Wie zynisch ist die Afghanistan-Politik von Präsident Obama? - Dezember 2009

Vier Reden und ein Sinneswandel. Setzt Präsident Obama jetzt endlich die Politik von George W. Bush fort? - Januar 2010

Die ISAF-Offensive in Südafghanistan - Februar 2010

Darf die Bundeswehr in Afghanistan die Taliban angreifen? - April 2010

Was ist in Karsai gefahren? Nichts. Warum ich für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan bin - April 2010

* Sterben für Kabul? Wir werden jede Entscheidung bereuen - April 2010

Wie sich die "Friedensbewegung" die Lösung des Afghanistan-Konflikts vorstellt - Juni 2010

Der General Stanley McChrystal und Obamas Afghanistan-Politik - Juni 2010
Durch ein "*" hervorgehoben sind diejenigen Artikel, in denen es aus meiner Sicht um die zentralen Probleme geht und/oder wo ich meine Meinung am ausführlichsten darlege.



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