3. August 2010

Zitat des Tages: "Die CSU ist nicht mehr koalitionsfähig"

Herbert Achternbusch sagte einst, in Bayern seien 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle CSU. Letzters gilt nicht mehr.

Ulf Poschardt, gebürtiger Franke und einst Chefredakteur des Magazins der "Süddeutschen Zeitung", gegenwärtig Herausgeber diverser Magazine des Springer-Verlags, gestern in "Welt-Online". Titel seines Kommentars: "Die CSU ist nicht mehr koalitionsfähig".


Kommentar: Das ist einer jener Artikel, die ich am liebsten vom ersten bis zum letzten Satz zitieren würde: Eine treffliche Abrechnung mit der CSU des Horst Seehofer.

Was einmal eine knorzige, aber beeindruckende bayerische Eigenständigkeit gewesen war, diese in Deutschland einmalige Mischung aus Liberalität, einer konservativen Grundhaltung und einer innovativen Wirtschaftspolitik - das ist unter Seehofer zur Maulerei verkommen, zur Fingerhakelei und Schienbeintreterei.

Niemand trägt eine so große Schuld an den ständigen Querelen in der christlich-liberalen Koalition wie dieser Duodez-Fürst Horst Seehofer; dieser Mann, der in seiner Partei schon abgeschrieben gewesen war, bevor man in einer tiefen Krise keinen anderen hatte, auf den man hätte zurückgreifen können.

Wie Franz Josef Strauß, nachdem er sich von Bonn nach München hatte zurückziehen müssen, kann Seehofer in Berlin nichts gestalten, aber viel zerstören.

Strauß immerhin hatte, bevor es so weit mit ihm kam, daß man ihn den "Wadenbeißer" nannte, eine beeindruckende Karriere in Bonn hinter sich gebracht; ein brillanter, der vermutlich intelligenteste Politiker der Bonner Republik. Eine barocke Persönlichkeit. Sich mit seiner ungesteuerten Dynamik nur immer wieder selbst im Weg stehend.

Seehofer hat nichts Barockes und schon gar nicht etwas Brillantes an sich. Ein durch und durch mediokrer Mann, den die Zufälligkeiten der bayerischen Politik nach oben gespült haben. Zum Wadenbeißer nicht aus Verbitterung geworden, sondern als Wadenbeißer geboren. Poschardt:
Die Modernisierung des ehemaligen Agrarlandes zu einer Zukunftsschmiede der Republik war getragen von wuchtigen Charaktere wie Alfons Goppel oder Franz-Josef Strauß, die dem Landesväterlichen eine fast theatralische Realität gaben. Aber, es gab stets auch den anderen, leiseren, nachdenklicheren Ton, verkörpert zum Beispiel von einem katholischen Intellektuellen wie Hans Maier (...)

Im Augenblick hört man selten nachdenkliche Töne aus München. Die Polemik dominiert. (...) Auch die Rolle in der Bundespolitik hat sich unter Seehofer verändert. Zunehmend unrühmlich erscheint das Verhalten der CSU den beiden anderen Koalitionsparteien gegenüber, insbesondere der FDP. (...) Längst haben der hoffärtige Selbstdarsteller Seehofer und sein stolzer Adlatus Markus Söder den Pfad konstruktiver Kritik verlassen.
So ist es. Und es hat mir gefallen, daß ein Bayer das schreibt.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.