In "Welt-Online" hat Alan Posener gestern über ein bemerkenswertes Phänomen berichtet: das Wiedererstarken der DDR-Pädagogik im vereinigten Berlin.
Verschwunden war sie nie, diese autoritäre, am Kollektiv statt am Individuum ausgerichtete Pädagogik, der es primär um das Einpauken von Wissen ging und sehr wenig um die Entwicklung selbständigen Denkens. Jetzt scheint sie wieder Auftrieb zu bekommen. Posener:
Lehrer waren neben der Partei und dem MfS das Rückgrat des DDR-Kommunismus. Auf sie mußte man sich verlassen können, wenn man die Kinder zu den gehorsamen Untertanen erziehen wollte, die der Staat brauchte.
Es mag sein, daß viele dieser Lehrer heute zu Demokraten geworden sind; das dürfte sich schwer ermitteln lassen. In ihrer Didaktik scheinen sie, folgt man Poseners Artikel, jedenfalls dem treu geblieben zu sein, was sie "zu DDR-Zeiten" gelernt haben:
Wie ist dieses Comeback der DDR-Pädagogik möglich? Es gibt sicherlich - wie immer - mancherlei Faktoren; nicht zuletzt das allgemeine Wiedererstarken der Kommunisten in Deutschland und natürlich die besondere Situation in Berlin, daß sie dort in der Regierung sitzen. Sich zur DDR zu bekennen, dazu gehört in einem solchen Klima kein Mut. Auch funktionierende Seilschaften dürften eine wesentliche Rolle spielen.
Es gibt aber darüber hinaus einen objektiven Aspekt: Mit der Kuschelpädagogik der Achtundsechziger konnte es ja wirklich nicht so weitergehen. Der Pisa-Schock hat das erschreckend vor Augen geführt. In Berlin gab es die große Debatte um die Rütli-Schule, deren Rektorin in ihrem "Hilferuf" vom März 2006 schrieb, daß "die Stimmung in einigen Klassen zurzeit geprägt ist von Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz uns Erwachsenen gegenüber".
Der Pisa-Schock hat deutlich gemacht, daß in vielen deutschen Schulen - mit Ausnahme der unionsregierten Länder Süddeutschlands - zu wenig an Wissen und an Fertigkeiten erworben wird. Die Diskussion um die Rütli-Schule hat vor Augen geführt, daß an vielen deutschen Schulen ein Maß an Disziplinlosigkeit herrscht, das ein erfolgreiches Lernen nachgerade unmöglich macht.
Mehr Lernen handfester Inhalte, mehr Autorität der Lehrer - das ist also seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts, für jeden sichtbar, das Gebot der Stunde. Dafür gibt es seither sozusagen einen Markt.
Und auf diesem Markt gibt es so etwas wie einen Monopolisten: die DDR-Pädagogik. Sie liefert genau das, was jetzt nachgefragt wird.
Warum gibt es so gut wie keine Wettbewerber? Weil über Jahrzehnte der pädagogische Ansatz aus der Zeit der Achtundsechziger die Pädagogik der Bundesrepublik dominiert hat:
Kritisches Denken ist wichtiger als die Aneignung von Sachwissen. Dem Lehrer steht keine Autorität über seine "Sachautorität" hinaus zu. Die Naturwissenschaften können vernachlässigt werden, denn sie tragen wenig zur Persönlichkeitsbildung und zum kritischen gesellschaftlichen Bewußtsein bei. Es ist nicht Aufgabe der Schule, den Nachwuchs für die Industrie auszubilden, sondern sie hat einen Bildungsauftrag.
Jedenfalls in dieser Einseitigkeit ist dieses Konzept gescheitert. Aber es gab in der Bundesrepublik - von entsprechend berühmt gewordenen Außenseitern wie Bernhard Bueb abgesehen - kaum pädagogische Konzepte, die an seine Stelle hätten treten können.
Also konnte und kann die verstaubte DDR-Pädagogik die Lücke füllen. In der Not frißt der Teufel Fliegen, pflegte meine Großmutter zu sagen.
Verschwunden war sie nie, diese autoritäre, am Kollektiv statt am Individuum ausgerichtete Pädagogik, der es primär um das Einpauken von Wissen ging und sehr wenig um die Entwicklung selbständigen Denkens. Jetzt scheint sie wieder Auftrieb zu bekommen. Posener:
In Berlin findet zurzeit in Lehrer- und Klassenzimmern ein Kulturkampf zwischen Ost und West statt. Die Konfrontation erlaubt einen Blick auf einen Kontinent, der sonst unter Wasser liegt: die Kontinuität der schwarzen DDR-Pädagogik in den neuen Ländern.In den neuen Ländern und in gewissem Umfang auch im Westen Berlins; denn aufgrund des Lehrerüberhangs in Ostberlin sind viele Pädagogen in den Westen versetzt worden.
Lehrer waren neben der Partei und dem MfS das Rückgrat des DDR-Kommunismus. Auf sie mußte man sich verlassen können, wenn man die Kinder zu den gehorsamen Untertanen erziehen wollte, die der Staat brauchte.
Es mag sein, daß viele dieser Lehrer heute zu Demokraten geworden sind; das dürfte sich schwer ermitteln lassen. In ihrer Didaktik scheinen sie, folgt man Poseners Artikel, jedenfalls dem treu geblieben zu sein, was sie "zu DDR-Zeiten" gelernt haben:
Einst war die Lehrerschaft die Stütze des DDR-Regimes. "Vom Beginn der Achtzigerjahre an wurden Lehrer in der DDR gezielt aus zuverlässigen Familien ausgewählt", sagt die ehemalige Bürgerrechtlerin Freya Klier. Heute ist diese Lehrerschaft die Speerspitze eines Rollbacks der westlichen "Kuschelpädagogik". Westkollegen reden von "Ossifizierung" der Schule.
Wie ist dieses Comeback der DDR-Pädagogik möglich? Es gibt sicherlich - wie immer - mancherlei Faktoren; nicht zuletzt das allgemeine Wiedererstarken der Kommunisten in Deutschland und natürlich die besondere Situation in Berlin, daß sie dort in der Regierung sitzen. Sich zur DDR zu bekennen, dazu gehört in einem solchen Klima kein Mut. Auch funktionierende Seilschaften dürften eine wesentliche Rolle spielen.
Es gibt aber darüber hinaus einen objektiven Aspekt: Mit der Kuschelpädagogik der Achtundsechziger konnte es ja wirklich nicht so weitergehen. Der Pisa-Schock hat das erschreckend vor Augen geführt. In Berlin gab es die große Debatte um die Rütli-Schule, deren Rektorin in ihrem "Hilferuf" vom März 2006 schrieb, daß "die Stimmung in einigen Klassen zurzeit geprägt ist von Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz uns Erwachsenen gegenüber".
Der Pisa-Schock hat deutlich gemacht, daß in vielen deutschen Schulen - mit Ausnahme der unionsregierten Länder Süddeutschlands - zu wenig an Wissen und an Fertigkeiten erworben wird. Die Diskussion um die Rütli-Schule hat vor Augen geführt, daß an vielen deutschen Schulen ein Maß an Disziplinlosigkeit herrscht, das ein erfolgreiches Lernen nachgerade unmöglich macht.
Mehr Lernen handfester Inhalte, mehr Autorität der Lehrer - das ist also seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts, für jeden sichtbar, das Gebot der Stunde. Dafür gibt es seither sozusagen einen Markt.
Und auf diesem Markt gibt es so etwas wie einen Monopolisten: die DDR-Pädagogik. Sie liefert genau das, was jetzt nachgefragt wird.
Warum gibt es so gut wie keine Wettbewerber? Weil über Jahrzehnte der pädagogische Ansatz aus der Zeit der Achtundsechziger die Pädagogik der Bundesrepublik dominiert hat:
Kritisches Denken ist wichtiger als die Aneignung von Sachwissen. Dem Lehrer steht keine Autorität über seine "Sachautorität" hinaus zu. Die Naturwissenschaften können vernachlässigt werden, denn sie tragen wenig zur Persönlichkeitsbildung und zum kritischen gesellschaftlichen Bewußtsein bei. Es ist nicht Aufgabe der Schule, den Nachwuchs für die Industrie auszubilden, sondern sie hat einen Bildungsauftrag.
Jedenfalls in dieser Einseitigkeit ist dieses Konzept gescheitert. Aber es gab in der Bundesrepublik - von entsprechend berühmt gewordenen Außenseitern wie Bernhard Bueb abgesehen - kaum pädagogische Konzepte, die an seine Stelle hätten treten können.
Also konnte und kann die verstaubte DDR-Pädagogik die Lücke füllen. In der Not frißt der Teufel Fliegen, pflegte meine Großmutter zu sagen.
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