13. August 2010

13. August 1961


Wer es nicht erlebt hat, kann es sich - das ist meine Erfahrung aus Gesprächen - schwer vorstellen: Was der Mauerbau damals bedeutete.

Er war eine Ungeheuerlichkeit. Man konnte das nicht fassen. Man hatte den Kommunisten viel zugetraut, aber das nicht, daß sie die Menschen in ihrem Herrschaftsbereich einmauern würden.

Ich kann mich noch sehr genau an diesen Tag erinnern; jeder kann es vermutlich, der damals schon erwachsen war.

Es begann mit Meldungen im Rundfunk, daß an der Sektorengrenze in Berlin Sperren errichtet würden, daß dort Soldaten der Nationalen Volksarmee Stellung bezogen hatten.

Man wußte zunächst nicht, was das zu bedeuten hatte. Man ahnte Böses. Dann, im Lauf des Tages, wurde deutlich, daß das nicht nur eine vorübergehende Maßnahme war, sondern daß regelrecht gebaut wurde. Hauseingänge wurden zugemauert. Wo zunächst nur Stacheldraht gewesen war, wurde Stein auf Stein gesetzt.

Das mitten in Berlin. Unfaßbar. Ich habe mich damals gefragt, wie man Menschen dazu bringen konnte, so etwas zu machen, und habe mir vorgestellt, daß hinter den Maurern Soldaten mit schußbereitem Gewehr standen, die sie zum Mauern zwangen. So ungefähr war es wohl auch. Und hinter den DDR-Soldaten standen Soldaten der Roten Armee.



Es war an diesem 13. August 1961 eine kollektive Emotion, wie ich sie nur noch in einem anderen Fall erlebt habe, beim Mord an Kennedy. Fassungslosigkeit. Wut und eine depressive Stimmung.

Denn es war ja klar, daß man nichts machen konnte. Man hat Adenauer vorgeworfen, nicht sofort nach Berlin gekommen zu sein; aber was hätte er denn machen können? Was hätten die Amerikaner machen können, wenn sie doch nicht einen atomaren Weltkrieg führen wollten?

Die Kommunisten saßen am längeren Hebelarm; damit lernte man sich abzufinden.

Freilich hatte sich der Kommunismus damit auch - so dachten wir damals - vollständig diskreditiert. Was war das für ein Staat, der "unsere Menschen" einmauerte wie Zuchthäusler, damit sie ihm nicht scharenweise davonliefen!

Aber irgendwie hat man sich dann an dieses Monstrum Mauer gewöhnt. Erich Honecker, der innerhalb der SED als ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen den Bau der Mauer organisiert hatte, durfte sogar 1987 einen Staatsbesuch in der Bundesrepublik machen.

Man dachte - auch ich dachte das damals -, daß sich hinter der Mauer, daß sich im Schutz der Mauer ein doch recht stabiler, ein auf seine Art auch respektabler Staat entwickelt hätte. Welch ein Irrtum.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung; Eine Frau winkt über die damals noch provisorische Mauer. Bild in der Library of Congress und damit in der Public Domain.