Erstmals seit Übernahme dieses Amts ist jetzt unser neuer Bundespräsident in die Niederungen der Tagespolitik herabgestiegen. Seit heute Vormittag kann man es lesen; beispielsweise in "Welt-Online":
Wulffs Gegenkandidaten Joachim Gauck hat man gern einen "Mann mit Ecken und Kanten" genannt. Wulff hat ungefähr so viele Ecken und Kanten wie eine Billardkugel. Er verdankt seine Beliebtheit einer untrüglichen Witterung für das, was die Leute hören wollen; für Äußerungen, mit denen er sich ihnen angenehm machen kann.
Statt Anstöße zu geben und auch unangenehmen Wahrheiten nicht auszuweichen, wie das herausragende Bundespräsidenten wie Heinemann, Herzog und Köhler gemacht haben, schmiegt sich Wulff der Meinung der Mehrheit an.
Er ist kein Vordenker, sondern ein Nachplapperer. Sein Dauerlächeln ist echt: So ist der Mann wirklich. Der Wulff heult mit den Wölfen.
Seit ich am Freitag auf die Sündenbock-Funktion des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland aufmerksam gemacht habe (Sündenbock Sauerland; ZR vom 30. 7. 2010), ist noch deutlicher geworden, wie wenig sie begründbar ist; wie nachgerade absurd es inzwischen ist, daß die Wut und die Schuldzuweisungen sich auf Sauerland konzentrieren.
Sauerland kann zweierlei angelastet werden: Daß er die Love Parade unbedingt in Duisburg haben wollte und daß er dem Sicherheitskonzept, das der Genehmigung durch die Stadt Duisburg zugrundeliegt, nicht widersprochen und die Genehmigung nicht verhindert hat.
Aber es war ja nicht nur Sauerland, der die Love Parade unbedingt in Duisburg haben wollte.
Ebenso wollte dies - das habe ich am Freitag schon geschrieben - Fritz Pleitgen, der Geschäftsführer von RUHR.2010 ("Hier müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieses Fest ... auf die Beine zu stellen").
Und heute kann man in FAZ.NET lesen, daß Hannelore Kraft, damals noch nicht Ministerpräsidentin, ähnlich starke Worte gefunden hat wie Pleitgen: "Oberstes Ziel für NRW ist es: Die Loveparade gehört ins Ruhrgebiet", so Kraft laut FAZ.NET.
Intensiver hat auch Sauerland, soweit bekannt, nicht für Duisburg plädiert. Wo sind die Schuldvorwürfe gegen Pleitgen und gegen Kraft?
Zweitens: Die Genehmigung durch die Stadt Duisburg.
Die zuständige Behörde war das Stadtentwicklungsdezernat, geleitet von dem Beigeordneten Jürgen Dressler (SPD). Unter Dresselers Verantwortung wurde die Genehmigung erteilt.
Sie wurde - auch das kann man heute in FAZ.NET lesen - am 21. 7. 2010 ausgefertigt; jedenfalls ist sie so datiert. An dieser Datierung darf man allerdings Zweifel anmelden, denn in dem Genehmigungsschreiben wird "das Brandschutzkonzept des Büros Ökotec Fire & Risk vom 22. 07. 2010" erwähnt. Offenbar verfügt das Dezernat des SPD-Politikers Dressler über präkognitive Fähigkeiten.
In dieser Genehmigung wurden auch Vorschriften außer Kraft gesetzt, nämlich in Bezug auf die Breite der Fluchtwege sowie auf Feuerwehrpläne, die eigentlich vorgeschrieben sind, auf die aber verzichtet wurde.
Ja, ist denn Sauerland nicht für alles das verantwortlich? Formal ja, er ist nun einmal Chef der Verwaltung.
Aber wirklich nur ganz formal. Faktisch nämlich konnte er auf dieses fragwürdige Verhalten der Behörde des Beigeordneten Dressler überhaupt keinen Einfluß nehmen. Er kehrte erst an dem Abend vor der Love Parade aus dem Urlaub zurück.
Wie also ist ausgerechnet Adolf Sauerland in die Rolle des Sündenbocks geraten?
Ein Teil der Antwort dürfte in der Duisburger Lokalpolitik liegen. Duisburg ist eine traditionelle rote Hochburg; nicht nur der SPD, sondern auch der Kommunisten, die im Rat mit sechs Sitzen ebenso viele Mandate haben wie die Grünen; doppelt so viele wie die FDP.
Erst im August 2009 wurde Sauerland mit knapper Mehrheit wiedergewählt und regiert mit einem Stadtparlament, in dem die Linke in der Mehrheit ist.
Vorsitzender der SPD in Duisburg ist Ralf Jäger, jetzt Innenminister von NRW und in dieser Funktion, ebenso wie seine Chefin Hannelore Kraft, in vorderster Front derer, die Sauerland zum Rücktritt drängen.
Ja natürlich, das wäre schön für die SPD in Duisburg, schön auch für die SPD in NRW, wenn Sauerland zurückträte oder (was wahrscheinlich eintreten wird) abgewählt werden würde. Denn bei dann fälligen Neuwahlen hätte die SPD, beim jetzigen demoskopischen Tief der CDU, beste Chancen, den Nachfolger zu stellen.
Zum anderen hat es den Anschein, daß Adolf Sauerland von seiner Persönlichkeit her der ideale Sündenbock ist. Ein Mann, dem man seine Bestürzung über das Unglück abnehmen kann.
Ja, gewiß, er hat ungeschickt agiert. Vielleicht spricht ja gerade das für diesen Mann. Wäre er ein ausgebuffter Politiker, dann hätte er sich verhalten wie, sagen wir, Gerhard Schröder seinerzeit bei der Elbeflut.
Wäre er ausgebufft, dann wäre Sauerland innerhalb kürzester Zeit vor Ort gewesen, angetan mit einer Windjacke oder einem ähnlichen Kleidungsstück, um Eingreifen zu signalisieren. Er hätte die Presse zusammenrufen lassen und seine Trauer sowie eine rückhaltlose Aufklärung mitgeteilt.
Auf der Pressekonferenz einen Tag später hätte er schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter Schaller erhoben; so, wie das der NRW-Innenminister Jäger gemacht hat. Sauerland hätte bekanntgegeben, daß er den Verantwortlichen für die Genehmigung, den Beigeordneten Dressler (SPD), beauftragt hätte, eine Untersuchung über die Ursachen durchzuführen; er hätte damit klargestellt, wo innnerhalb der Verwaltung die Verantwortung gelegen hatte.
Er hätte in den Tagen danach die Angehörige von Opfern sowie Verletzte in den Krankenhäusern besucht, Journalisten im Schlepptau, und dafür gesorgt, daß die Bilder in die Tagesschau kommen.
Er hätte angeregt, bundesweit verbindliche Regelungen für solche Veranstaltungen einzuführen, damit so etwas "nie wieder passieren kann".
Er hätte darauf bestanden, bei der Trauerfeier für die Opfer die Trauerrede zu halten, und dabei seiner Erschütterung freien Lauf gelassen.
Stattdessen hat Sauerland sich versteckt und hat er sich hilflos verteidigt. Er hat sich verhalten wie ein miserabler Politiker.
Und mit einer solchen Haltung ist jemand eben der ideale Sündenbock.
LOVEPARADE - Wulff sieht Verantwortung bei OB Adolf Sauerland.Der Präsident stimmt also in den Chor derer ein, die Sauerland den Rücktritt nahelegen.
Bundespräsident Christian Wulff hat den umstrittenen Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) an dessen politische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe erinnert. Diese sei unabhängig von konkreter persönlicher Schuld, sagte Wulff der "Bild am Sonntag". Das werde Sauerland genau abwägen müssen.
Wulffs Gegenkandidaten Joachim Gauck hat man gern einen "Mann mit Ecken und Kanten" genannt. Wulff hat ungefähr so viele Ecken und Kanten wie eine Billardkugel. Er verdankt seine Beliebtheit einer untrüglichen Witterung für das, was die Leute hören wollen; für Äußerungen, mit denen er sich ihnen angenehm machen kann.
Statt Anstöße zu geben und auch unangenehmen Wahrheiten nicht auszuweichen, wie das herausragende Bundespräsidenten wie Heinemann, Herzog und Köhler gemacht haben, schmiegt sich Wulff der Meinung der Mehrheit an.
Er ist kein Vordenker, sondern ein Nachplapperer. Sein Dauerlächeln ist echt: So ist der Mann wirklich. Der Wulff heult mit den Wölfen.
Seit ich am Freitag auf die Sündenbock-Funktion des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland aufmerksam gemacht habe (Sündenbock Sauerland; ZR vom 30. 7. 2010), ist noch deutlicher geworden, wie wenig sie begründbar ist; wie nachgerade absurd es inzwischen ist, daß die Wut und die Schuldzuweisungen sich auf Sauerland konzentrieren.
Sauerland kann zweierlei angelastet werden: Daß er die Love Parade unbedingt in Duisburg haben wollte und daß er dem Sicherheitskonzept, das der Genehmigung durch die Stadt Duisburg zugrundeliegt, nicht widersprochen und die Genehmigung nicht verhindert hat.
Aber es war ja nicht nur Sauerland, der die Love Parade unbedingt in Duisburg haben wollte.
Ebenso wollte dies - das habe ich am Freitag schon geschrieben - Fritz Pleitgen, der Geschäftsführer von RUHR.2010 ("Hier müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieses Fest ... auf die Beine zu stellen").
Und heute kann man in FAZ.NET lesen, daß Hannelore Kraft, damals noch nicht Ministerpräsidentin, ähnlich starke Worte gefunden hat wie Pleitgen: "Oberstes Ziel für NRW ist es: Die Loveparade gehört ins Ruhrgebiet", so Kraft laut FAZ.NET.
Intensiver hat auch Sauerland, soweit bekannt, nicht für Duisburg plädiert. Wo sind die Schuldvorwürfe gegen Pleitgen und gegen Kraft?
Zweitens: Die Genehmigung durch die Stadt Duisburg.
Die zuständige Behörde war das Stadtentwicklungsdezernat, geleitet von dem Beigeordneten Jürgen Dressler (SPD). Unter Dresselers Verantwortung wurde die Genehmigung erteilt.
Sie wurde - auch das kann man heute in FAZ.NET lesen - am 21. 7. 2010 ausgefertigt; jedenfalls ist sie so datiert. An dieser Datierung darf man allerdings Zweifel anmelden, denn in dem Genehmigungsschreiben wird "das Brandschutzkonzept des Büros Ökotec Fire & Risk vom 22. 07. 2010" erwähnt. Offenbar verfügt das Dezernat des SPD-Politikers Dressler über präkognitive Fähigkeiten.
In dieser Genehmigung wurden auch Vorschriften außer Kraft gesetzt, nämlich in Bezug auf die Breite der Fluchtwege sowie auf Feuerwehrpläne, die eigentlich vorgeschrieben sind, auf die aber verzichtet wurde.
Ja, ist denn Sauerland nicht für alles das verantwortlich? Formal ja, er ist nun einmal Chef der Verwaltung.
Aber wirklich nur ganz formal. Faktisch nämlich konnte er auf dieses fragwürdige Verhalten der Behörde des Beigeordneten Dressler überhaupt keinen Einfluß nehmen. Er kehrte erst an dem Abend vor der Love Parade aus dem Urlaub zurück.
Wie also ist ausgerechnet Adolf Sauerland in die Rolle des Sündenbocks geraten?
Ein Teil der Antwort dürfte in der Duisburger Lokalpolitik liegen. Duisburg ist eine traditionelle rote Hochburg; nicht nur der SPD, sondern auch der Kommunisten, die im Rat mit sechs Sitzen ebenso viele Mandate haben wie die Grünen; doppelt so viele wie die FDP.
Erst im August 2009 wurde Sauerland mit knapper Mehrheit wiedergewählt und regiert mit einem Stadtparlament, in dem die Linke in der Mehrheit ist.
Vorsitzender der SPD in Duisburg ist Ralf Jäger, jetzt Innenminister von NRW und in dieser Funktion, ebenso wie seine Chefin Hannelore Kraft, in vorderster Front derer, die Sauerland zum Rücktritt drängen.
Ja natürlich, das wäre schön für die SPD in Duisburg, schön auch für die SPD in NRW, wenn Sauerland zurückträte oder (was wahrscheinlich eintreten wird) abgewählt werden würde. Denn bei dann fälligen Neuwahlen hätte die SPD, beim jetzigen demoskopischen Tief der CDU, beste Chancen, den Nachfolger zu stellen.
Zum anderen hat es den Anschein, daß Adolf Sauerland von seiner Persönlichkeit her der ideale Sündenbock ist. Ein Mann, dem man seine Bestürzung über das Unglück abnehmen kann.
Ja, gewiß, er hat ungeschickt agiert. Vielleicht spricht ja gerade das für diesen Mann. Wäre er ein ausgebuffter Politiker, dann hätte er sich verhalten wie, sagen wir, Gerhard Schröder seinerzeit bei der Elbeflut.
Wäre er ausgebufft, dann wäre Sauerland innerhalb kürzester Zeit vor Ort gewesen, angetan mit einer Windjacke oder einem ähnlichen Kleidungsstück, um Eingreifen zu signalisieren. Er hätte die Presse zusammenrufen lassen und seine Trauer sowie eine rückhaltlose Aufklärung mitgeteilt.
Auf der Pressekonferenz einen Tag später hätte er schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter Schaller erhoben; so, wie das der NRW-Innenminister Jäger gemacht hat. Sauerland hätte bekanntgegeben, daß er den Verantwortlichen für die Genehmigung, den Beigeordneten Dressler (SPD), beauftragt hätte, eine Untersuchung über die Ursachen durchzuführen; er hätte damit klargestellt, wo innnerhalb der Verwaltung die Verantwortung gelegen hatte.
Er hätte in den Tagen danach die Angehörige von Opfern sowie Verletzte in den Krankenhäusern besucht, Journalisten im Schlepptau, und dafür gesorgt, daß die Bilder in die Tagesschau kommen.
Er hätte angeregt, bundesweit verbindliche Regelungen für solche Veranstaltungen einzuführen, damit so etwas "nie wieder passieren kann".
Er hätte darauf bestanden, bei der Trauerfeier für die Opfer die Trauerrede zu halten, und dabei seiner Erschütterung freien Lauf gelassen.
Stattdessen hat Sauerland sich versteckt und hat er sich hilflos verteidigt. Er hat sich verhalten wie ein miserabler Politiker.
Und mit einer solchen Haltung ist jemand eben der ideale Sündenbock.
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