7. September 2012

Zitate des Tages: "Überraschender Job-Aufschwung stärkt Obama". Wie "Spiegel-Online" desinformiert

Überraschender Job-Aufschwung stärkt Obama
Überschrift eines Artikels, der seit heute 14.57 Uhr bei "Spiegel-Online" zu lesen ist.
US-Wirtschaft schafft enttäuschend wenig neue Jobs
Überschrift eines Artikels, der seit heute um 15.09 Uhr in "Zeit-Online" zu lesen ist.

Kommentar: Beide Artikel verwenden dasselbe Agentur­material von dpa und Reuters; "Spiegel-Online" dazu noch AP, "Zeit-Online" AFP. Aber lesen Sie:

"Spiegel-Online":
8,1 Prozent: Das ist die gute Nachricht, mit der US-Präsident Barack Obama ins Wochenende geht. Die Arbeitslosenquote im August ist überraschend gesunken - von 8,3 Prozent im Vormonat auf 8,1 Prozent, wie das US-Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Ökonomen hatten mit einer stabilen Quote gerechnet.
"Zeit-Online":
In der US-Wirtschaft sind im August unerwartet wenig neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Die Zahl der Beschäftigten stieg nach Angaben des Arbeitsministeriums zwar leicht um 96.000. Ökonomen hatten aber mit einem Anstieg von weiter mehr als 100.000 gerechnet (...) Die schwache Entwicklung am Arbeitsmarkt wird US-Präsident Barack Obama angelastet und gefährdet seine Wiederwahl im November.
Und wie ist es nun wirklich? In der Washington Post kann man die vollständige Meldung von AP lesen. Daraus geht dies hervor:
  • Die Zahl der Arbeitslosen sank nur deshalb von 8,3 Prozent auf 8,1 Prozent, weil mehr Menschen die Arbeitssuche aufgaben.

  • Im Juni und Juli wurden 41.000 weniger Jobs geschaffen, als von der Regierung erwartet worden war. Die Zahl der monatlich neu entstandenen Jobs ist bisher im Monatsschnitt noch niedriger als 2011.

  • Die neuen Jobs entstanden überwiegend im Niedriglohnbereich; vor allem in der Gastronomie und im Einzelhandel.

  • Der Bericht zeigt durchweg Negatives. Die Monatslöhne fielen. Es wurden mehr Arbeitsplätze gestrichen als irgendwann seit zwei Jahren. Die Gesamtzahl der Beschäftigten liegt so niedrig wie nie seit 31 Jahren.
  • "Spiegel-Online" hat wieder einmal ein Alleinstellungsmerkmal geschafft. Es dürfte wenige Medien auf diesem weiten Erdenrund geben, die diese nachgerade katastrophalen Daten als eine "gute Nachricht für Präsident Obama" interpretieren.

    Journalistische Unfähigkeit? Agitprop? Diese Frage stellt sich bei "Spiegel-Online" immer wieder. Ich habe es aufgegeben, darüber nachzudenken.­




    Nachtrag: Inzwischen ist die Überschrift des "Spiegel-Online"-Artikels "Überraschender Job-Aufschwung stärkt Obama" verschwunden; ebenso die Passage "8,1 Prozent: Das ist die gute Nachricht ...", die ich oben zitiere. Der Artikel heißt jetzt "Anleger spekulieren auf neue Geldspritze der Fed" und hat nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Version, die ich zitiert hatte.

    Die URL allerdings verrät noch den ursprünglichen Titel. Ihn und die von mir zitierte Passage finden Sie auch noch bei Finanzen100. Das Internet vergißt eben nichts.
    Zettel



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