24. Januar 2012

Zitat des Tages: "Der Verfassungsschutz darf die Arbeit frei gewählter Abgeordneter nicht beeinträchtigen". Rechtsstaat, Kommunisten, Extremismus

Nach Berichten über die Beobachtung zahlreicher Abgeordneter der Partei Die Linke gerät das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Kritik. Die Arbeit frei gewählter Bundestagsabgeordneter dürfe nicht durch den Verfassungsschutz beeinträchtigt werden, sagte Bundes­justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der "Süddeutschen Zeitung".
Aus einem Artikel in "Focus-Online" mit dem Titel "Leutheusser-Schnarrenberger rügt Verfassungsschutz - Beobachtung von Abgeordneten sei 'unerträglich'".

Kommentar: Man kann darüber streiten, ob "frei gewählte" (gibt es denn in Deutschland auch andere?) Abgeordnete vom Verfassungsschutz überwacht werden dürfen oder nicht.

Das ist eine Grundsatzentscheidung, bei der es um die Rechte von Legislative und Exekutive geht; und im Kern ist es ein Wertekonflikt: Die Würde des Abgeordneten auf der einen Seite, welcher ein gewählter Repräsentant des Souveräns ist; die wehrhafte Demokratie auf der anderen Seite, die sich gegen ihre Feinde verteidigen können muß.

Ich will jetzt gar nicht dazu Stellung nehmen, welcher dieser Werte höher zu gewichten ist. Ich möchte aber auf die zwingende Konsequenz hinweisen, die sich ergibt, wenn man frei gewählte Abgeordnete von der Überwachung durch den Verfassungsschutz ausnimmt: Dann dürfen auch die Abgeordneten Holger Apfel, Johannes Müller, Jürgen W. Gansel, Winfried Petzold, Gitta Schüßler, Arne Schimmer und Andreas Storr nicht vom Verfassungsschutz überwacht werden, die für die NPD im Landtag des Freistaats Sachsen sitzen.



Mir scheint dieser Hinweis erforderlich, weil die seit gestern laufende Diskussion den Eindruck erweckt, es gehe gar nicht um die Beobachtung extremistischer Bestrebungen allgemein, sondern speziell um die Beobachtung der Partei "Die Linke".

Gibt es in dieser etwa gar keine extremistischen Bestrebungen, die eine Beobachtung rechtfertigen? Natürlich gibt es sie; und zwar bis in die Partei- und die Fraktionsspitze hinein.

Bekanntlich bekennen sich sowohl die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch als auch die Erste Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht ausdrücklich zum Kommunismus.

Wagenknecht gehört zu den prominentesten Mitgliedern der Kommunistischen Plattform. Sie hat diese Mitgliedschaft bis heute nicht aufgegeben, sondern läßt sie lediglich seit 2010 ruhen, als sie für den stellvertretenden Parteivorsitz ihrer Partei kandidierte.

Über das Verhältnis von Gesine Lötzsch zum Kommunismus können Sie sich in diesem Blog informieren (Gesine Lötzsch und die Wege zum Kommunismus (1): Die Rosa-Luxemburg-Konferenzen und Lötzschs Strategie der "fortschreitenden Machteroberung", sowie (2): Rosa Luxemburg, die Dikatur des Proletariats und die Freiheit des Andersdenkenden; ZR vom 7. 1. 2011).

Sind Lötzsch und Wagenknecht kommunistische Außenseiterinnen in einer in ihrer Mehrheit doch die Demokratie bejahenden Partei? Nein. Sie sind repräsentativ für die Partei, an deren Spitze sie stehen. Auch dazu möchte ich Ihnen frühere Artikel in ZR empfehlen:
  • "Der Entwurf enthält verfassungsrechtlichen Sprengstoff ohnegleichen". Die Partei "Die Linke" bedroht das Grundgesetz; ZR vom 28. 3. 2010

  • "Zahlreiche Indikatoren für linksextremistische Bestrebungen" in der Partei "Die Linke". Anmerkung zum Verfassungschutz-Bericht 2009; ZR vom 21. 6. 2010

  • Die Partei "Die Linke" und die Medien. "Gesellschaftliche Umgestaltung" von "revolutionärer Tiefe"; ZR vom 22. 10. 2011



  • Sie mögen finden, daß dies doch alles längst bekannt ist. Ja, das ist es. Aber wenn man die Art betrachtet, wie wegen der Beobachtung durch den Verfassungsschutz gestern bis in die politische Mitte hinein eine Welle der Empörtheit durch das Land rollte, dann erscheint es doch angebracht, an das Bekannte wieder einmal zu erinnern.­
    Zettel



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