16. Januar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (11): Das Rennen bei der GOP scheint gelaufen. Es siegte der Verstand über das Herz. Nebst Anmerkungen über tricky Newt

Es sieht im Augenblick so aus, als werde diese Serie erheblich kürzer ausfallen als die zur Wahl des US-Präsidenten vor vier Jahren.

Zum einen, weil es damals zwei parallele Abläufe von Vorwahlen gab, aus denen bei den Republikanern John McCain und bei den Demokraten Barack Obama als die Sieger hervorgingen. Diesmal wird nur bei den Republikanern (der GOP) gekämpft; gegen Obama kämpft allenfalls ein Vermin Supreme (siehe Wie hat eigentlich Barack Obama bei der gestrigen Vorwahl abgeschnitten?; ZR vom 11. 1. 2012). Zweitens aber auch, weil der Kampf bei den Republikanern sich schon seinem Ende zu nähern scheint, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Wie kam es dazu?

In allen 50 US-Bundesstaaten (und einigen Territorien wie zum Beispiel Puerto Rico) finden Vorwahlen oder Caucuses statt. Gerade einmal zwei liegen hinter uns; die in Iowa und New Hampshire. Am 21. Januar wird in South Carolina gewählt. Zu diesem Zeitpunkt vor vier Jahren war in beiden Parteien noch alles offen. Heuer aber scheint schon alles so gut wie entschieden; auch bei der GOP.

Der Grund liegt in der Situation, in der sich die USA nach drei Jahren Obama befinden. Sie ist durch zwei Faktoren gekennzeichnet, die beide Folgen des Scheiterns von Obama mit seinem Versuch sind, die US-Gesellschaft zu sozialdemokratisieren:
  • Erstens geht es dem Land schlecht; es gibt infolgedessen den Wunsch, Obama abzulösen. Fast zwei Drittel der Amerikaner glauben, daß das Land sich in die falsche Richtung bewegt; nur 28 Prozent halten die Richtung für richtig. Die drei aktuellsten Umfragen (gestern und heute) zeigten einhellig, daß die Mehrheit der US-Bürger mit Obamas Amtsführung nicht einverstanden ist.

  • Zweitens hat Obamas Amtszeit die Bürger der USA nicht - wie er es im Wahlkampf versprochen hatte - zusammengeführt, sondern das Land tief gespalten. Als Reaktion auf seine Politik horrender Staatsverschuldung und eines staatlich gelenkten Gesundheitssystems sind die Konservativen heute so stark wie zuletzt vor einem Vierteljahrhundert, zur Zeit Ronald Reagans. Sie dominieren vor allem die GOP.
  • Aus dieser Situation ergibt sich für die GOP ein Problem; und es sieht jetzt so aus, daß dessen Lösung Mitt Romney heißt.

    Das Problem besteht darin, daß die in ihrer Mehrheit heute konservativen Republikaner gern einen Präsidentschafts­kandidaten ihrer Ausrichtung hätten; verständlicherweise - daß aber andererseits ein solcher Kandidat kaum Chancen hätte, gegen Obama zu siegen. Denn dazu muß ein Kandidat der GOP eben nicht nur deren Stammwähler gewinnen, sondern auch hinreichend viele Stimmen in der Mitte holen, bei den Independents.

    Die Republikaner befinden sich damit gewissermaßen in einem Konflikt zwischen Herz und Verstand; zwischen ihrem politischen Wollen und ihrem Ziel, unter allen Umständen Barack Obama loszuwerden.



    Das System der Primaries (staatlich organisierter Vorwahlen) und Caucuses (privat organisierter Wählerversammlungen) habe ich schon in den vorausgehenden Folgen dieser Serie erläutert:

    Im Jahr vor der Wahl werfen zahlreiche Kandidaten ihren Hut in den Ring (am Anfang in der Regel zwischen einem halben Dutzend und einem Dutzend), bauen eine Organisation auf, werben Spenden ein. Es beginnt das Marathon der Debatten, der sie begleitenden Anzeigen und Werbespots. Meist geben schon in diese Vorphase die Ersten auf, so wie diesmal Herman Cain.

    Im Januar des Wahljahres beginnen dann mit Iowa und New Hampshire die Caucuses und Primaries, und das Feld lichtet sich weiter: Wer keine Chance mehr für sich sieht, der verabschiedet sich - diesmal erst Michele Bachmann, jetzt gerade Jon Huntsman. Rick Perry marschiert noch tapfer mit; aber wie ein Fußkranker so weit hinter den anderen, daß er den Trupp kaum noch sehen kann.

    Die Wähler und Sympathisanten der GOP mußten in Iowa und New Hampshire und sie müssen am Samstag in South Carolina entscheiden, ob sie eher ihrem Herzen oder eher dem nüchternen politischen Kalkül folgen. Es scheint, daß die Würfel gefallen sind: In Iowa war Mitt Romney, der Kandidat des nüchternen Verstandes, angesichts der konservativen Ausrichtung der dortigen Republikaner bemerkenswert stark. In New Hampshire hat er mit 39 Prozent einen glänzenden Sieg eingefahren. Für das Primary in South Carolina sagt ihm der zuverlässige Analytiker Nate Silver einen Sieg mit mehr als zehn Prozentpunkten Abstand vor dem zweiten voraus, Newt Gingrich.

    Seit 1980 wurde jeder republikanischen Kandidat, der South Carolina gewonnen hatte, auch nominiert. Darüber hinaus hat Romney sowohl Iowa als auch New Hampshire gewonnen, was zuvor noch keinem Kandidaten gelungen war, der nicht aus dem Amt des Präsidenten heraus antrat. Und für die nächsten Vorwahlen nach South Carolina, die am 31. Januar in Florida stattfinden, sagen die Umfragen Romney sogar 45 Prozent voraus; mehr als doppelt so viele Stimmen wie Gingrich, der auch dort auf dem zweiten Platz liegt.



    Gingrich galt noch vor einigen Wochen als der Favorit. Als Romney an ihm vorbeizog, zeigte er sich wieder einmal als derjenige, als welcher dieser hochintelligente Mann berüchtigt ist: Er zog alle Register eines schmutzigen Wahlkampfs. Romney, dessen Ansehen nicht zuletzt auf seinem unternehmerischen Erfolg basiert, wurde in den Anzeigen und TV-Spots des Gingrich-Lagers als ein gieriger Kapitalist hingestellt, der bedenkenlos Jobs vernichete.

    Es scheint, daß diese Attacke nach hinten losgegangen ist. Am Samstag hat Jeff Zeleny in der New York Times die Reaktion vieler Wähler in South Carolina beschrieben, die diese unfairen Attacken gerade auf die Seite Romneys gebracht haben. Just konservative Wähler, die mit Romney ihre Probleme haben, fühlen sich offenbar von dem abgestoßen, was sie als eine Attacke auf das freie Unternehmertum sehen; und als einen Mangel an Anstand zwischen Parteifreunden. Zudem hat Gingrich es wohl bei seinen Attacken auf Romney mit der Wahrheit nicht so genau genommen, wie es gestern Jennifer Rubin in der Washington Post im einzelnen nachgewiesen hat.

    Gingrichs Chancen schwinden; aber er wird vorerst im Rennen bleiben. Der ausgekochte Taktiker weiß, daß es in der Politik immer noch anders kommen kann, als es alle erwarten. Als der eigentliche Kandidat der Konservativen könnte sich aber, nachdem Herman Cain und Michele Bachmann ausgeschieden sind und Rick Perry abgehängt ist, der Katholik Rick Santorum herausschälen.

    Auch Ron Paul, der unermüdliche Libertäre, wird weiter im Rennen bleiben. Diese vier - Romney, Gingrich, Santorum und Paul - werden wohl durch die weiteren Vorwahlen ziehen; mit Romney weit an der Spitze und einem relativ geschlossenen Dreierfeld dahinter.

    Ob freilich Romney den Präsidenten Obama schlagen kann, wird davon abhängen, ob er das überwinden kann, was inzwischen sein enthusiasm gap genannt wird, seine Enthusiasmus-Lücke. Die Amerikaner möchten sich gern für ihren jeweiligen Kandidaten begeistern. Sie wählen in der Regel entweder den Erben oder den Helden - den Erben wie George Bush sen., der Ronald Reagans Vize gewesen war; den Helden wie Kennedy oder Obama, auch seinerzeit Jimmy Carter, der eine neue Art von Politik versprach (siehe Wie wird man US-Präsident? Oder: Warum Hillary und Barack gute Chancen haben; ZR vom 4. 11. 2006).

    Ein Erbe ist Mitt Romney nicht; und zum Helden taugt dieser Pragmatiker, dieser manchmal ein wenig glatt und geschniegelt wirkende Mann aus der Geschäftswelt auch nicht. Am Ende wird es darum gehen, ob die Amerikaner ihn als das kleinere Übel wählen werden; so, wie jetzt die Anhänger der GOP ihn offenbar als ihren zwar nicht liebsten, aber nun einmal den aussichtsreichsten Kandidaten auf den Schild zu heben im Begriff sind.
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    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.