23. Januar 2012

Zu Friedrichs 300. Geburtstag: Ein ungewöhnliches Porträt. Ein lesenswerter Aufsatz mit einem bedrückenden Bezug zur Gegenwart


Dieses Porträt Friedrichs II. von Preußen entstand 1775. Da war der König, dessen Geburtstag sich morgen zum 300. Mal jährt, also 63 Jahre alt.

Gemalt hat dieses eigenartige Bild Anna Dorothea Therbusch; eine Porträtmalerin aus einer Berliner Malerfamilie, die sich in Paris, Wien, Brüssel, Den Haag und Amsterdam künstlerisch gebildet hatte, bevor sie mit fast fünfzig Jahren 1769 nach Berlin zurückkehrte.

Ein verwunderliches Bild ist das, weil es einen ganz anderen Friedrich zeigt, als wir ihn von den meisten Porträts kennen.

Die Jugendbilder präsentieren Friedrich als den Fürstensohn, mit dem ganzen Pomp der Zeit angetan; wie zum Beispiel hier:


Dieses Porträt von Antoine Pesne aus dem Jahr 1736 zeigt den 24jährigen Erbprinzen Friedrich. Sein Fluchtversuch und die Hinrichtung seines Freundes Katte lagen damals sechs Jahre zurück. Es begannen die "Rheinsberger Jahre"; die vielleicht glücklichsten seines Lebens, in denen er sich mit Philosophie und Literatur befaßte, komponierte und mit Voltaire korrespondierte.

Und dann kennen wir die Porträts des hart gewordenen, von der Last des Amts gezeichneten alten Zynikers und Skeptikers Friedrich, deren bekannteste das von Anton Graff ist; entstanden 1780, als der König also 68 Jahre alt war und noch sechs Jahre zu leben hatte:


Wie anders aber das Porträt von Anna Dorothea Therbusch. Ein nachdenklicher, ein nachgerade schüchtern wirkender König. Leidend fast; das aus der Mode gekommene Wort "melancholisch" paßt vielleicht am besten.

Der Blick des Porträtierten ähnelt dem auf vielen Heiligenbildern, wie überhaupt das Bild etwas Religiöses, fast Süßliches hat. Die Perspektive ist von schräg oben; so als blicke die Malerin auf den König herab - sehr ungewöhnlich, denn natürlich wurden Herrscher in der Regel so gemalt, daß der Betrachter zu ihnen aufschaute.

Da läßt sich die Malerin - sie gehört zu den bedeutendsten Porträtmalern des 18. Jahrhunderts - nichts vormachen. Sie sieht hinter der Maske des hart, ja brutal gewordenen Herrschers noch immer den sensiblen, den freilich nun vom Leben geformten, nein deformierten Friedrich.



In diesen Tagen kann man, wie anders, sich vor Reflexionen und Erwägungen zu Friedrich II. kaum retten. Ich möchte Sie auf einen Aufsatz von ungewöhnlicher Qualität aufmerksam machen, der sich in erster Linie nicht mit Friedrich selbst befaßt, sondern mit seiner Wahrnehmung durch Philosophen.

"Zum 300. Geburtstag - Friedrich II. im Philosophenspiegel" heißt der Artikel des Tübinger Philosophen Otfried Höffe in der FAZ. Lesen Sie diesen Aufsatz, wenn Sie ein Blick auf dieses wechselseitige Verhältnis werfen wollen: Friedrich nicht nur als der an Philosophie interessierte, von den Ideen der Aufklärung geprägte König; sondern auch die Philosophen - von Diderot über Kant und Hegel bis zu Schopenhauer - als seine Bewunderer.

Philosophie und Politik - das ist nun freilich ein schwieriges Verhältnis. Nicht nach dem idealistischen "Anti-Machiavell" seiner Jugendzeit hat Friedrich als König gehandelt, sondern eher als Schüler Machiavellis. Politik als angewandte Philosophie - das war der Traum eines naiven jungen Mannes gewesen. Aber die Philosophie hat, andererseits, doch seit der Aufklärung die Politik weiter begleitet.

Höffe, selbst ein Mann der politischen Philosophie, sieht sein Thema in einem größeren Rahmen. Am Anfang erinnert er an die Jahrtausende alte Hoffnung, die Philosophie könne segensreich auf die Politik einwirken:
Das Grundmotiv ist alt: Um dem Unheil in der Welt ein Ende zu bereiten, möge sich Geist, exemplarisch die Philosophie, mit der politischen Macht verbinden. Wie vieles in der Philosophie stammt dieses Grundmotiv von ihrem ersten Kirchenvater, Platon. Es bildet das Herzstück seines berühmtesten Werkes, der "Politeia", und steht dort wegen seiner überragenden Bedeutung genau in der Mitte: "Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genannten Könige und Gewalthaber sich aufrichtig und gründlich mit Philosophie befassen, und dies beides in eines zusammenfällt, politische Macht und Philosophie, gibt es kein Ende des Unheils für die Staaten."
Auf diesen "Königssatz" kommt Höffe am Ende noch einmal zurück:
Nicht zuletzt könnte Friedrich II. Anlass geben, abermals über den Philosophen-Königssatz nachzudenken (...) Zugegeben, für den demokratischen Rechtsstaat sind zunächst einmal funktionierende Institutionen unerlässlich. Ohne Personen, die diese Institutionen rechtschaffen ausfüllen, verliert er aber jene zwei Voraussetzungen des Funktionierens, die zugleich zu den kostbarsten Gütern des Gemeinwesens gehören: das Vertrauen der Bürger und deren Achtung. Und weil in Demokratien die Bürger der eigentliche Souverän sind, verlieren sie zusätzlich an Selbstachtung.
Nachdenkenswertes; und man mag dabei durchaus an eine aktuelle Affäre denken, die auf bedrückende Weise zeigt, wie die Achtung der Bürger vor einer Person erodiert, die nicht länger die betreffende Institution "rechtschaffen ausfüllt".­
Zettel



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