5. Januar 2012

Marginalie: Und wenn "Bild" den Mailbox-Text auch ohne Wulffs Zustimmung veröffentlichen würde?

Vielleicht haben Sie sich das auch gefragt: Wieso bittet "Bild" eigentlich den Bundespräsidenten um seine Zustimmung zur Veröffentlichung dessen, was er dem Chefredakteur Kai Diekmann auf dessen Mailbox gesprochen hat? Darf die Zeitung denn, falls Diekmann selbst zustimmt, nicht das publizieren, was auf dessen Mailbox gespeichert ist - ob es dem Anrufenden nun gefällt oder nicht?

Ich habe dazu heute im Lauf des Tages verschiedene Vermutungen gehört, alle von juristischen Laien. Hat Wulff das Recht an seinem gesprochenen Wort? Hat er der Aufzeichnung nicht implizit zugestimmt, indem er auf die Mailbox sprach? Kann er Persönlichkeitsschutz geltend machen und die Veröffentlichung untersagen?

Seit heute um 17.39 Uhr ist dazu in "Welt-Online" Kompetentes zu lesen; nämlich die Rechtsauffassung von Simone Kämpfer, Expertin auf diesem Gebiet und laut "Welt-Online" durch fachliche Publikationen ausgewiesen:
  • Erstens stellt zwar das deutsche Strafrecht die unbefugte Aufnahme eines Telefongesprächs unter Strafe; aber wenn man etwas auf eine Mailbox spricht, dann stimmt man damit ja gerade der Aufzeichnung zu. Soweit stimmt die Jurisprudenz erfreulicherweise mit dem gesunden Menschenverstand überein.

  • Zweitens aber steht, so Simone Kämpfer, die "unbefugte Veröffentlichung einer befugten Aufzeichnung" ebenfalls nicht unter Strafe.

  • Das gilt auch für das, was ein Bundespräsident auf eine Mailbox gesprochen hat. Er ist zwar durch § 90 StGB in besonderer Weise vor Verunglimpfung geschützt; aber - auch da ist die Rechtslage so, wie der Laie sich das denkt - es kann keine Verunglimpfung sein, das zu publizieren, was der Präsident selbst gesagt hat. Er kann sich ja nicht gut selbst verunglimpfen.
  • Ich kann nicht beurteilen, ob diese Rechtsauffassung die herrschende Meinung unter den Strafrechtlern ist. Falls ja, kann man "Bild" eigentlich nur empfehlen, das Transkript der Aufzeichnung zu veröffentlichen. Auch im Interesse des Präsidenten.

    Wird dadurch seine Version bestätigt, er habe nur um einen Aufschub des Artikels in "Bild" gebeten und diesen nicht zu verhindern versucht, dann sind die jetzt kursierenden Spekulationen erledigt, er hätte erneut nicht die ganze Wahrheit gesagt.

    Stellt sich durch die Veröffentlichung andererseits heraus, daß Wulff den Inhalt dessen, was er auf die Mailbox gesprochen hat, in dem gestrigen Interview verfälscht hat, dann ist er nicht mehr im Amt zu halten.

    Ein solcher Eklat wird ihm den Schritt erleichtern, den er ohnehin im eigenen Interesse und im Interesse Deutschlands tun sollte.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.