12. Januar 2012

Marginalie: Stratfor ist wieder online. Neue Informationen über den Hackerangriff

Gestern Nachmittag erhielten die Abonnenten von Stratfor die Nachricht, daß der Informationsdienst wieder online ist. Sie finden seine Site hier.

Es lohnt sich, einmal dorthin zu gehen; aus zwei Gründen:
  • Erstens bietet Stratfor - offenbar, weil die Schäden aus dem Hackerangriff immer noch nicht vollständig behoben sind - alle Inhalte im Augenblick auch für Nichtabonnenten frei zugänglich an.

    Sich dort umzusehen ist, denke ich, für jeden an Außen- und Geopolitik Interessierten informativ. Auf das eine oder andere davon - zum Beispiel den Ausblick auf das, was im Jahr 2012 zu erwarten ist - werde ich in ZR noch eingehen.

    Auf dieser Site können Sie sich des weiteren davon überzeugen, daß Stratfor in erster Linie ein Informationsdienst ist und kein "Sicherheits­unternehmen", etwa gar im Dienst des Pentagon oder des "militärisch-industriellen Komplexes", wie das bei der Berichterstattung zu dem Hackerangriff behauptet worden war. Es versorgt seine Abonnenten mit Information der Art, wie Sie sie jetzt frei zugänglich lesen können. Daneben hat es Kunden mit Sonderverträgen, die Informationen zu speziellen sie interessierenden Themen beziehen.

  • Zweitens finden Sie bei Stratfor im Augenblick einen Artikel sowie ein Video von George Friedman zu dem Hackerangriff; mit bisher unbekannten Informationen (siehe dazu auch meine damalige Berichterstattung und Kommentierung: Transparenz dank "Anonymous"? Nein, ganz normale Internet-Kriminalität; ZR vom 26. 12. 2011; "Jeder von uns möchte einmal etwas Gerechtes für diese Welt tun"; ZR vom 27. 12. 2011; sowie Die Leute von Anonymous - ein Fall nur für die Polizei? Oder auch für den Psychologen?; ZR vom 27. 12. 2011)
  • Damals hatte ich nicht die Informationen, die man jetzt in Friedmans Artikel findet. Danach spielten sich der Angriff und die Maßnahmen gegen seine Folgen so ab:

    Anfang Dezember teilte der im Vorstand von Stratfor für Sicherheit zuständige Fred Burton dessen CEO George Friedman mit, daß die WebSite von Stratfor gehackt worden sei. Am nächsten Tag besprach Friedman mit einem Beamten des FBI die erforderlichen Gegenmaßnahmen. Das FBI bat um die Mitarbeit von Stratfor bei den Ermittlungen.

    Friedman sah sich in dem Konflikt, einerseits seine Kunden zu schützen, andererseits aber dem FBI alle dort benötigten Informationen offenzulegen. Zu diesem Zeitpukt war der Hackerangriff in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt.

    Es stellte sich dann heraus, daß das FBI sich die gehackten Kreditkartendaten bereits beschafft und sie an die Kreditkarten-Organisationen weitergeleitet hatte, damit diese Karten gesperrt werden konnten. (Bei mir funktionierte das, nebenbei, bestens. Meine Bank nahm sofort Kontakt mit mir auf und fragte an, ob ich mit der Sperrung der Karte und dem Ersatz durch eine neue einverstanden sei).

    Damit war Stratfor frei, mit dem FBI zusammenzuarbeiten, ohne seine Abonnenten zu gefährden.

    Stratfor und das FBI rechneten damit, daß die Hacker ihre Tat öffentlich machen und die gehackten Daten publizieren würden; was dann ja auch geschah. Eine Gruppe namens "Anonymous" brüstete sich der Tat; andere dementierten das im Namen von "Anonymous". George Friedman schreibt, daß er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an Spekulationen darüber beteiligen wolle, wer diese Leute seien und welche Ziele sie wirklich verfolgten.

    Stratfor versuchte nach dem Bekanntwerden des Angriffs, die Sicherheit seiner Server zu verbessern. Das erwies sich in der Kürze der Zeit als unzureichend, denn am 24. Dezember landeten die Hacker einen erneuten Angriff. Diesmal gelang es ihnen, so weit die Kontrolle zu übernehmen, daß sie sich auf der WebSite von Stratfor der Tat brüsten konnten. Sie teilten dort mit, daß nicht nur die Kreditkarten-Informationen gestohlen worden waren, sondern auch umfangreiche Dateien mit Emails. Außerdem seien vier der Server von Stratfor zerstört worden; samt aller dort gespeicherten Daten und Backups.

    Dies war in den Augen Friedmans der schlimmste Teil der Attacke; denn die Zerstörung der Server sieht er als den Versuch an, Stratfor zum Schweigen zu bringen.

    Das sei gescheitert, schreibt Friedman. In den Wochen, in denen Stratfor offline war, wurde die Datenverarbeitung durch Experten von außerhalb des Hauses neu aufgebaut; man ist dabei, Daten zu rekonstruieren, soweit das möglich ist.

    Im zweiten Teil des Artikels geht Friedman auf allgemeinere Aspekte dieses Angriffs ein. Das Unternehmen Stratfor, schreibt er, habe dank seiner finanziellen und personellen Ressourcen überleben können. Kleinere Unternehmen könnten durch einen solchen Angriff vernichtet werden.­
    Zettel



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