23. Januar 2012

Marginalie: Laura Dekkers Weltumseglung - damals und aus heutiger Sicht. Hatte der Staat eingreifen dürfen?

Vor gut zwei Jahren, im Dezember 2009, erschien einer der kürzesten Artikel in der Geschichte von ZR: Ein Zitat des Tages, das ich aus dem Holländischen übersetzt hatte; dazu ein Kommentar von genau zwei Sätzen (Zitat des Tages: Het zeilmeisje oogt rustig. Lauras Heimkehr, ZR vom 22. 12. 2009).

Das Zitat handelte davon, daß man die verschwundene Laura Dekker - sie war im September 2009 vierzehn Jahre alt geworden - auf der Karibikinsel Sint Maarten aufgegriffen hatte. Via Curaçao würde sie nun in die Niederlande zurückgebracht werden.

Mein Kommentar lautete:
Wie wäre Laura Dekker glücklicher geworden? Wenn sie ihr eigenes Leben hätte leben können, oder wenn sie jetzt, wie zu erwarten, in ein Heim gesteckt wird?
Laura Dekker war danach zwar nicht in ein Heim eingewiesen, aber unter Vormundschaft gestellt worden. Sie konnte damit ihre geplante Weltumseglung vorerst nicht antreten.

Es ging dann so weiter: Die Vormundschaft wurde am 27. Juli 2010 gerichtlich beendet. Zusammen mit ihrem Vater hatte Laura Dekker unterdessen ihre Weltumseglung vorbereitet. Bereits 21. August stach sie in Gibraltar in See. Am 19. Dezember war sie in Sint Maarten; am 11. Januar 2011 begann sie von dort die Reise, die sie jetzt dahin zurückgeführt hat.



Die Frage, ob die Behörden richtig handelten, als sie Ende 2009 Laura Dekker nach Holland zurückholten, ist damals in Zettels kleinem Zimmer äußerst kontrovers diskutiert worden; es gab 65 Beiträge, und der Thread wurde fast 3000 Mal aufgerufen.

Nun ist alles gut gegangen. Laura Dekker, die zunächst nicht hatte lossegeln dürfen, wird jetzt als Heldin gefeiert.

Die Frage liegt nahe: Hat sich im Rückblick, etwas an der Bewertung der damaligen Vorgänge geändert?

Meine Meinung war damals, daß der holländische Staat kein moralisches Recht gehabt hatte, sich in der Weise einzuschalten, in der er das tat. In einem der Beiträge zu der damaligen Diskussion schrieb ich:
Wo enden wir ..., wenn Bürokraten erlaubt wird, sich ohne Not in das Leben von Menschen einzumischen? Natürlich gibt es Not. Es gibt die Vernachlässigung, es gibt sexuelle Gewalt gegen Kinder. Da hilft nur noch der Staat. Aber doch nicht beim Segeln.
Dieser Meinung bin ich auch heute noch. Wie aber sehen jetzt diejenigen den Fall, die damals anderer Meinung gewesen sind?­ Wie würden sie heute die Frage beantworten, die ich damals in meinem Zwei-Satz-Kommentar aufgeworfen habe?
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Reader.